Doris Schäfer-Noske: Die Filmfestspiele von Cannes gelten als Festival der alten Männer. Oft präsentieren hier dieselben etablierten Filmemacher ihre neusten Produktionen. In diesem Jahr liefen im Wettbewerbsprogramm 22 Filme. Und junge Filmemacherinnen und andere Kulturschaffende haben dagegen protestiert, dass kein einziger Film von einer Frau stammte. Darauf reagierte der Festivalpräsident ziemlich patzig mit der Ansage, man werde keinen Film zeigen, nur weil er von einer Frau sei. Eine Quote werde es mit ihm jedenfalls nicht geben. Die Lage der Frauen in der Filmwirtschaft ist also bis heute schwierig. Wie schwierig und warum, darüber wurde jetzt bei einer Tagung in der Berliner Akademie der Künste diskutiert.
- Frage an die Filmemacherin Jutta Brückner, Direktorin der Sektion Film- und Medienkunst der Akademie: Frau Brückner, welche Rolle spielen denn die neuen jungen Frauen in der Filmwirtschaft heute?
Jutta Brückner: Eine sehr kleine, um nicht zu sagen eine marginale. Und das ist sehr traurig, denn vor 40 Jahren hat es zum ersten Mal diesen Aufstand von Frauen gegeben, die gesagt haben, wir wollen nicht nur schön vor der Kamera sein, sondern kreativ hinter der Kamera. Und es hat damals eine Bewegung gegeben - ich war auch Teil der Bewegung, deswegen kann ich das so sagen. Wir hatten gehofft, dass wir eine Barriere durchbrechen würden und dass es von da an für alle Frauen leichter würde. Und wir mussten feststellen, dass in den letzten Jahren das überhaupt nicht der Fall ist. Inzwischen sind 50 Prozent in den französischen Hochschulen – auch an den deutschen, obwohl wir für Deutschland keine exakten Zahlen haben – Frauen. Aber diese Frauen machen oft nur einen Film, ihren Abschlussfilm. Und danach verschwinden sie von der Bildfläche. Und eine der Fragen dieser beiden Tage war: Woran liegt das?
Schäfer-Noske: Gibt es denn schon Antworten darauf?
Brückner: Es liegt zum Teil an den Frauen, es liegt aber auch daran, dass die Umstände für Frauen immer noch schwierig sind. Sie bekommen sehr viel weniger Förderung – nicht, weil irgendwo böse Männer sitzen würden, die sagen, wir geben den Frauen nichts; überhaupt nicht. Sie kommen mit ihren Filmen nicht so schnell und so leicht auf die wichtigen Festivals, wie man an diesem Jahr in Cannes gesehen hat. Und sie haben sehr viel größere Schwierigkeiten vor allen Dingen mit den Themen, die ihnen wichtig sind, erst mal an die Förderungen und an die Fernsehanstalten zu gehen. Und das liegt zum Teil daran, dass sie auch nicht mit derselben Chuzpe, Unverschämtheit, Direktheit – Sie können das nennen wie Sie wollen – auftreten wie die Männer.
Schäfer-Noske: Das heißt, das liegt auch daran, dass an den Schalthebeln da immer noch die Männer sitzen. Und die sagen, das Thema ist aber gar nicht so wichtig?
Brückner: Nicht ohne Weiteres. Wir haben ja inzwischen gerade in den Fernsehanstalten ganz viele Frauen. Es liegt daran, dass wenn Frauen und auch die jungen Frauen heute bewusst Filme machen wollen, dann wollen sie sehr oft wahre Geschichten erzählen. Und diese wahren Geschichten, die stimmen nicht unbedingt mit den Frauenbildern überein, die man so normalerweise im Fernsehen sieht.
Schäfer-Noske: Können Sie da mal ein Beispiel bringen?
Brückner: Nehmen Sie zum Beispiel den Film, den wir gestern Abend in der Akademie der Künste in Berlin gezeigt haben: Der heißt "Hemel", ist der Film einer niederländischen, sehr jungen Frau, ist eigentlich ihr erster Spielfilm. Und sie erzählt von der sehr provokativen Bewusstwerdung einer jungen Frau, die eine zu enge Bindung zu ihrem Vater hat und sich nur über die Sexualität definiert. Und das ist, gerade weil er zum Teil explizit Sexualität zeigt, auch bei Frauen ein zum Teil umstrittener Film. Ich glaube, diese junge Frau – sie hat den Film in den Niederlanden gemacht mit niederländischem Geld, sie hat dafür auf der Berlinale den Fipresci-Preis bekommen, das ist der Preis der internationalen Filmkritik -, ich könnte mir vorstellen, dass sie in Deutschland bei den Fernsehanstalten mit diesem Thema und auch der Art, wie sie es filmen will, große Probleme gehabt hätte.
Schäfer-Noske: Gibt es denn so eine Art Bewegung des neuen feministischen Films?
Brückner: Nein, das gibt es nicht. Das liegt daran, dass die meisten jungen Frauen Berührungsängste haben mit der alten Form von Feminismus. Sie sehen sich nicht als benachteiligt, sie glauben, dass sie starke Egos sind, die alles meistern können. Sie sind auch hervorragend ausgebildet. Und wenn sie dann von den Hochschulen entlassen werden, stellen sie fest, dass es mehrere Formen von sehr schleichendem und manchmal auch sehr offenem Sexismus gerade in der Filmindustrie noch gibt.
Schäfer-Noske: Was können denn die Filmemacherinnen heute tun, um endlich dann auch die gleiche Aufmerksamkeit zu bekommen wie ihre männlichen Kollegen?
Brückner: Man hat gerade nach dem Aufschrei der Frauen vor dem Festival von Cannes hat man mal in Frankreich eine Umfrage gemacht, wie sich die französischen Filmemacherinnen denn fühlen, diese jungen Filmemacherinnen. Und der Tenor war im allgemeinen: Wir versuchen, uns nicht allzu sehr vorzudrängen, damit uns niemand daran hindert, unsere Sachen zu machen, wir sind sehr leise, wir sind auch eher diplomatisch, um nicht allzu viel Hass und auch nicht allzu viel Verhinderungspotenzial auf uns zu ziehen. Und dann gab es den sehr schönen Satz von einer Frau, die sagte, die große Schwierigkeit ist die - das gilt jetzt fürs französische Kino -, Frau ist Schauspielerin in den Köpfen der Männer. Und eine Schauspielerin muss schön sein. Die Frauen heute sind dann eher doch isoliert. Es gibt kleinere Zusammenschlüsse, die gibt es immer, es gibt die Frauenfilmfestivals, ich will es jetzt nicht schwarz in schwarz malen. Aber diese Selbstverständlichkeit, mit der wir damals gehofft hatten, dass eine solche Bewegung von filmenden Frauen eben relativ schnell dazu führt, dass diese Filme anerkannt werden, und zwar als Bestandteil einer allgemeinen Filmkultur, das ist so nicht eingetreten.
Schäfer-Noske: Das war die Filmemacherin Jutta Brückner zur Rolle der Frauen in der Filmwirtschaft.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
- Frage an die Filmemacherin Jutta Brückner, Direktorin der Sektion Film- und Medienkunst der Akademie: Frau Brückner, welche Rolle spielen denn die neuen jungen Frauen in der Filmwirtschaft heute?
Jutta Brückner: Eine sehr kleine, um nicht zu sagen eine marginale. Und das ist sehr traurig, denn vor 40 Jahren hat es zum ersten Mal diesen Aufstand von Frauen gegeben, die gesagt haben, wir wollen nicht nur schön vor der Kamera sein, sondern kreativ hinter der Kamera. Und es hat damals eine Bewegung gegeben - ich war auch Teil der Bewegung, deswegen kann ich das so sagen. Wir hatten gehofft, dass wir eine Barriere durchbrechen würden und dass es von da an für alle Frauen leichter würde. Und wir mussten feststellen, dass in den letzten Jahren das überhaupt nicht der Fall ist. Inzwischen sind 50 Prozent in den französischen Hochschulen – auch an den deutschen, obwohl wir für Deutschland keine exakten Zahlen haben – Frauen. Aber diese Frauen machen oft nur einen Film, ihren Abschlussfilm. Und danach verschwinden sie von der Bildfläche. Und eine der Fragen dieser beiden Tage war: Woran liegt das?
Schäfer-Noske: Gibt es denn schon Antworten darauf?
Brückner: Es liegt zum Teil an den Frauen, es liegt aber auch daran, dass die Umstände für Frauen immer noch schwierig sind. Sie bekommen sehr viel weniger Förderung – nicht, weil irgendwo böse Männer sitzen würden, die sagen, wir geben den Frauen nichts; überhaupt nicht. Sie kommen mit ihren Filmen nicht so schnell und so leicht auf die wichtigen Festivals, wie man an diesem Jahr in Cannes gesehen hat. Und sie haben sehr viel größere Schwierigkeiten vor allen Dingen mit den Themen, die ihnen wichtig sind, erst mal an die Förderungen und an die Fernsehanstalten zu gehen. Und das liegt zum Teil daran, dass sie auch nicht mit derselben Chuzpe, Unverschämtheit, Direktheit – Sie können das nennen wie Sie wollen – auftreten wie die Männer.
Schäfer-Noske: Das heißt, das liegt auch daran, dass an den Schalthebeln da immer noch die Männer sitzen. Und die sagen, das Thema ist aber gar nicht so wichtig?
Brückner: Nicht ohne Weiteres. Wir haben ja inzwischen gerade in den Fernsehanstalten ganz viele Frauen. Es liegt daran, dass wenn Frauen und auch die jungen Frauen heute bewusst Filme machen wollen, dann wollen sie sehr oft wahre Geschichten erzählen. Und diese wahren Geschichten, die stimmen nicht unbedingt mit den Frauenbildern überein, die man so normalerweise im Fernsehen sieht.
Schäfer-Noske: Können Sie da mal ein Beispiel bringen?
Brückner: Nehmen Sie zum Beispiel den Film, den wir gestern Abend in der Akademie der Künste in Berlin gezeigt haben: Der heißt "Hemel", ist der Film einer niederländischen, sehr jungen Frau, ist eigentlich ihr erster Spielfilm. Und sie erzählt von der sehr provokativen Bewusstwerdung einer jungen Frau, die eine zu enge Bindung zu ihrem Vater hat und sich nur über die Sexualität definiert. Und das ist, gerade weil er zum Teil explizit Sexualität zeigt, auch bei Frauen ein zum Teil umstrittener Film. Ich glaube, diese junge Frau – sie hat den Film in den Niederlanden gemacht mit niederländischem Geld, sie hat dafür auf der Berlinale den Fipresci-Preis bekommen, das ist der Preis der internationalen Filmkritik -, ich könnte mir vorstellen, dass sie in Deutschland bei den Fernsehanstalten mit diesem Thema und auch der Art, wie sie es filmen will, große Probleme gehabt hätte.
Schäfer-Noske: Gibt es denn so eine Art Bewegung des neuen feministischen Films?
Brückner: Nein, das gibt es nicht. Das liegt daran, dass die meisten jungen Frauen Berührungsängste haben mit der alten Form von Feminismus. Sie sehen sich nicht als benachteiligt, sie glauben, dass sie starke Egos sind, die alles meistern können. Sie sind auch hervorragend ausgebildet. Und wenn sie dann von den Hochschulen entlassen werden, stellen sie fest, dass es mehrere Formen von sehr schleichendem und manchmal auch sehr offenem Sexismus gerade in der Filmindustrie noch gibt.
Schäfer-Noske: Was können denn die Filmemacherinnen heute tun, um endlich dann auch die gleiche Aufmerksamkeit zu bekommen wie ihre männlichen Kollegen?
Brückner: Man hat gerade nach dem Aufschrei der Frauen vor dem Festival von Cannes hat man mal in Frankreich eine Umfrage gemacht, wie sich die französischen Filmemacherinnen denn fühlen, diese jungen Filmemacherinnen. Und der Tenor war im allgemeinen: Wir versuchen, uns nicht allzu sehr vorzudrängen, damit uns niemand daran hindert, unsere Sachen zu machen, wir sind sehr leise, wir sind auch eher diplomatisch, um nicht allzu viel Hass und auch nicht allzu viel Verhinderungspotenzial auf uns zu ziehen. Und dann gab es den sehr schönen Satz von einer Frau, die sagte, die große Schwierigkeit ist die - das gilt jetzt fürs französische Kino -, Frau ist Schauspielerin in den Köpfen der Männer. Und eine Schauspielerin muss schön sein. Die Frauen heute sind dann eher doch isoliert. Es gibt kleinere Zusammenschlüsse, die gibt es immer, es gibt die Frauenfilmfestivals, ich will es jetzt nicht schwarz in schwarz malen. Aber diese Selbstverständlichkeit, mit der wir damals gehofft hatten, dass eine solche Bewegung von filmenden Frauen eben relativ schnell dazu führt, dass diese Filme anerkannt werden, und zwar als Bestandteil einer allgemeinen Filmkultur, das ist so nicht eingetreten.
Schäfer-Noske: Das war die Filmemacherin Jutta Brückner zur Rolle der Frauen in der Filmwirtschaft.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.