Mittwoch, 22. Mai 2024

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"In der Regel laufen die Erstattungen eigentlich relativ gut"

Jeder fünfte Fernzug ist unpünklich - das geht aus dem Bericht der Deutschen Bahn hervor, der heute vorgelegt wurde. Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn rät den Betroffenen, ihre Rechte wahrzunehmen. Ratsam sei es, sich schon im Zug die Verspätung bescheinigen zu lassen.

Karl-Peter Naumann im Gespräch mit Theo Geers | 20.09.2011
    Theo Geers: Jeder fünfte Fernzug ist unpünktlich. Das wird die Bahn gleich um zwölf Uhr bekannt geben und sie wird Besserung geloben. Sie will künftig nämlich jeden Monat für jeden vorangegangenen Monat nachvollziehbar mitteilen, wie pünktlich ihre Züge waren oder eben auch nicht. Auf einem anderen Blatt steht dann aber, wie König Kunde seine Ansprüche dann auch durchsetzt, wenn der Zug verspätet war. Auf dem Papier ist das alles klar geregelt, doch Papier oder neuerdings auch Online-Informationen im Netz sind geduldig. Deshalb: wie macht man das ganz praktisch, wenn man auf einem ixbeliebigen Bahnhof strandet? – Genau darüber habe ich vor der Sendung mit dem Verbandschef des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, gesprochen und ich fragte ihn als Erstes, was eigentlich die häufigsten Fälle im Leben eines Bahnreisenden sind.

    Karl-Peter Naumann: Das Häufigste ist der verpasste Anschluss. Der eine Zug hat 10, 15, 20 Minuten Verspätung und mein Anschlusszug, den ich dann brauche, der ist weg, und dann bin ich unter Umständen erst eine Stunde oder zwei Stunden später am Zielort.

    Geers: Bleiben wir doch mal bei dieser ganz alltäglichen Verspätung. Man will ja zunächst ans Ziel kommen. Kann ich dann meine Fahrt mit dem nächstbesten Zug fortsetzen, egal was für ein Zug das wäre?

    Naumann: Grundsätzlich ja. Gegebenenfalls, wenn Sie eine reine Nahverkehrs-Fahrkarte haben, kann es sein, dass Sie einen Aufpreis zahlen müssen, den Sie dann aber wieder erstattet bekommen.

    Geers: Muss ich vorher fragen, ob ich diesen Zug benutzen darf, oder kann ich einfach einsteigen?

    Naumann: Man sollte fragen, wenn es die Zeit erlaubt. Wenn es die Zeit nicht erlaubt – es gibt ja Situationen: Sie kommen auf den Bahnsteig gehetzt, der Intercity fährt in einer Minute ab -, dann sollte man einsteigen und das im Zug mit höflichen Worten klären.

    Geers: Sie sagten vorhin, man muss dann im Zweifel erst den Aufschlag zahlen und sich das Geld hinterher zurückholen.

    Naumann: Das ist, wenn Sie ausschließlich im Nahverkehr unterwegs sind und Ihr Nahverkehrszug 20 Minuten Verspätung hat und es fährt in der gleichen Relation ein IC oder ICE. Dann dürfen Sie auch diesen nutzen. Und hier müssen Sie dann erst den Aufpreis zahlen, den Sie dann anschließend wiederbekommen.

    Geers: Wenn man jetzt verspätet angekommen ist, besteht ja ein Anspruch auf Entschädigung. Das heißt, ab 60 Minuten beispielsweise 25 Prozent des Fahrpreises, ab zwei Stunden Verspätung 50 Prozent. Bei wem muss ich mich da überhaupt melden?

    Naumann: Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Möglichkeit eins ist, man lässt sich im Zug schon die Verspätung bescheinigen. Das kann auf der Fahrkarte geschehen. Möglichkeit zwei ist, man geht dann zum Service Point und lässt sich dort ein Formular geben, das man dann ausfüllt. Man kann aber auch, wenn die Stricke reißen, man keine Zeit hat, weil der Bus dann gleich fährt oder irgend so etwas ist, formlos an das Kundencenter der Deutschen Bahn schreiben und das wird dann auch entsprechend bearbeitet. Nur muss man dann unter Umständen damit rechnen, dass es etwas länger dauert, weil man vielleicht die Zugnummer nicht angegeben hat, oder an irgendwelche Dinge nicht gedacht hat, Dinge, an die man sonst natürlich beim Formular denkt.

    Geers: Albtraum jedes Bahnfahrgastes ist ja: Er kommt spät abends irgendwo an und kein Zug fährt mehr und es ist auch niemand mehr auf dem Bahnhof. Was mache ich denn dann?

    Naumann: Grundsätzlich haben Sie dann Anspruch auf eine Taxifahrt bis 80 Euro oder auf ein Hotel in ähnlicher Preisgrößenordnung. Man sollte dann versuchen, wenn es nicht allzu weit ist, mit dem Taxi zu fahren, gegebenenfalls, wenn es noch andere Leute betroffen hat, die mitnehmen, und dann gemeinsam anschließend an das Kundencenter Service der Deutschen Bahn schreiben.

    Geers: Ist es auch hier so, Herr Naumann, einfach ins Taxi steigen und losfahren, oder ins Hotel gehen und sagen, ich brauche ein Zimmer, ich bin gestrandet, oder muss man da vorher wieder jemanden bei der Bahn ansprechen und fragen, geht das, was mache ich jetzt und so weiter?

    Naumann: Wenn der Bahnhof noch besetzt ist, dann sollte und muss man auch erst mal jemanden ansprechen. Unter Umständen haben die auch schon etwas organisiert. Wenn aber Sie irgendwo stranden, wo keiner mehr da ist – das ist mir mal in München-Pasing passiert am späten Abend -, dann habe ich nur noch die Chance, selbst zu handeln.

    Geers: Wie sind denn Ihre Erfahrungen als Fahrgastverband Pro Bahn? Wo hakt es in all diesen Fällen und was kann der Fahrgast dann tun, wenn er seine Ansprüche geltend machen will?

    Naumann: In der Regel laufen die Erstattungen eigentlich relativ gut. Und wenn man sich mal aus irgendwelchen Gründen nicht einig ist – das ist vielleicht doch in der Größenordnung einiger Hundert Fahrgäste im Monat der Fall -, dann gibt es die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, an die man sich dann wenden kann, und dort werden dann die Fälle geschlichtet. Die Datenlage ist etwa so, dass in 90 Prozent zugunsten des Kunden geschlichtet wird.

    Geers: Zug zu spät und was mache ich dann ganz praktisch, wenn es passiert. Das war Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Das Gespräch haben wir vorher aufgezeichnet.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.