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In der Warteschlange
Syrer im Libanon hoffen auf Familiennachzug

Es ist ihr sehnlichster Wunsch: Aus dem Libanon zu ihren Familien in Deutschland zu gelangen. Deshalb stellen sich Flüchtlinge aus Syrien immer wieder stundenlang in die Schlange vor die deutsche Botschaft in Beirut - in der Hoffnung, dass ihr Visum für den Familiennachzug endlich bewilligt wird.

Von Anne Allmeling |
    Die 19-jährige Syrerin Amal (l) umarmt ihre dreijährige Tochter Grufran neben ihrem Bruder Mohommad (M) und ihrem Vater Shihab Ahmad al-Abed (r) in einer Wohnung. Amal, ihre Tochter, ihr Vater und ihr Bruder überlebten die illegale Grenzüberquerung von Syrien in den Libanon, bei der mehrere andere Syrer erfroren. Der Libanon beheimatet derzeit mehr als eine Million vor dem Bürgerkrieg geflohene Syrer.
    Mehr als eine Million Syrer sind vor dem Krieg in ihrer Heimat in den Libanon geflohen (dpa / picture alliance / Marwan Naamani)
    Salem kann es nicht fassen: Wieder kein Visum für Deutschland. Er blättert in seinem Reisepass, prüft jede einzelne Seite und schüttelt den Kopf. Nichts! Nur die Aufforderung der Beamten, sich einen neuen Pass zu besorgen – in seiner Heimatstadt Aleppo.
    Voller Hoffnung hatte sich Salem am Morgen auf den Weg zur Deutschen Botschaft in Beirut gemacht. Hatte seinen Reisepass abgegeben und gewartet. Stundenlang. Sein größter Wunsch: ein Visum für das Land, in dem sein Sohn lebt. Gut drei Jahre hat er ihn nicht mehr gesehen: "Ich sehne mich nach meinem Sohn. Jeder Tag ohne ihn fühlt sich wie ein Jahr an oder wie zwei. Ich weiß gar nicht mehr, wie lange ich schon warte. Er fehlt mir. Er fehlt mir sehr. Und mich treibt der Gedanke um, dass ich sterben könnte, ohne ihn noch einmal zu treffen."
    Keine Zukunft im Libanon
    Schon vor Monaten hat Salem einen Antrag auf Familiennachzug gestellt. Hat Formulare ausgefüllt und Dokumente eingereicht. Und hat sich immer wieder in die Schlange vor der Botschaft gestellt, wo jeden Tag Dutzende Syrer hoffen und warten, auch Bascha. Die 40-Jährige ist wie Salem vor fünf Jahren in den Libanon geflohen: "Um ehrlich zu sein: Unsere Situation hier ist sehr schwierig. Wir werden oft beleidigt oder diskriminiert. Mein Sohn ist schon häufiger auf der Straße geschlagen worden. Es gibt keine Arbeit, meine Kinder gehen nicht zur Schule - nichts ermutigt uns, hier zu bleiben."
    Baschas Mann und ihre Tochter leben seit zwei Jahren in Deutschland. Das ist auch Baschas Ziel: Seit über einem Jahr wartet sie auf ein Visum. Bis heute habe sich die Botschaft nicht gemeldet, sagt Bascha. Deshalb stehe sie nun wieder in der Schlange vor der Auslandsvertretung: Um nachzufragen, was aus dem Antrag geworden sei. Im Libanon hätten sie und viele andere Flüchtlinge aus Syrien keine Zukunft, meint Bascha: "Vielleicht liegt das daran, dass wir so viele sind. Der Libanon ist ein sehr kleines Land. Die Libanesen können gar nicht so viele Leute aufnehmen – vielleicht ist das der Grund, warum der Druck auf uns so groß ist." In ihre Heimatstadt könne sie nicht zurück, sagt Bascha.
    Vom alten Leben ist nichts geblieben
    Auch Salem schließt eine Rückkehr nach Aleppo aus: "In Aleppo hatte ich eine hervorragende Arbeit. Ich habe als Schneider gearbeitet und hatte mein eigenes Geschäft. Ich hatte Angestellte. Unsere Waren haben wir im ganzen Land verkauft."
    Von seinem alten Leben ist Salem so gut wie nichts geblieben: Seine Frau ist gestorben, sein Haus in Aleppo zerstört, seine Verwandten sind in die Türkei und nach Europa geflohen. Um sich über Wasser zu halten, arbeitet Salem im Libanon als Tagelöhner, verdient umgerechnet 600 Euro im Monat. Davon zahlt er Miete und seinen Lebensunterhalt. Für die kostspieligen Fahrten zur Deutschen Botschaft leiht sich Salem Geld von einem Freund. Für die Reise zurück nach Syrien und den neuen Reisepass braucht er einen größeren Kredit.