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In die Röhre geschaut

Einige Fernsehzuschauer, die ihren Anschluss auf digital umgestellt haben, erleben eine Überraschung: Sobald sie Privatsender einschalten, schauen sie häufig in die Röhre. Der Grund: Manche Kabelanbieter verschlüsseln diese Programme - so wie bisher nur beim Pay TV.

Von Stefan Römermann |
    Der Hauptgrund für die so genannte Grundverschlüsselung ist naheliegend: Geld. Denn Kabelkunden, die bisher vielleicht nur analog ferngesehen haben, kann dank Grundverschlüsslung gegen Aufpreis ein "digitaler Kabelanschluss" verkauft werden. Nico Jurran vom Computermagazin c’t.

    "Das heißt, möchte ich da RTL oder Pro Sieben sehen, dann muss ich halt ein spezielles Abo abschließen, und muss halt noch eine Zusatzgebühr pro Monat bezahlen. Und evtl halt noch für die Einrichtung, wenn mir die Karte verloren geht, oder, oder oder."

    Für die Zuschauer ist das lästig. Denn eigentlich könnte es ganz einfach gehen. So lassen sich an allen Kabelanschlüssen problemlos die Digitalprogramme von ARD und ZDF empfangen. Diese dürfen aus rechtlichen Gründen nicht verschlüsselt werden. Einzige Voraussetzung: Ein digitaler Receiver oder Empfänger im Fernsehgerät. Bei Privatsendern wie RTL oder Pro Sieben aber schaut der Kunde in die Röhre. Diese Programme werden von den meisten Kabelanbietern verschlüsselt, wie man es eigentlich nur von Pay-TV Anbietern wie Sky kennt.

    "Technisch gesehen ist eine Verschlüsselung eine Verschlüsselung. Also es ist für mich als Kunden erst einmal egal, ob das Ding Grundverschlüsselung heißt, oder ob das Pay-TV ist. Ich brauche halt für den Empfang eine Abokarte, englisch halt eine Smartcard, und einen Empfänger oder Receiver, der mit der Smartcard zurecht kommt."

    Im Alltag bringt die Grundverschlüsselung den Zuschauern vor allem Nachteile. Schon so banale Dinge wie das Umschalten der Programme wird durch die Verschlüsselung behindert. Denn das Decodieren der Fernsehsignale kostet Zeit, und verlängert das Umschalten zum Teil um mehrere Sekunden, sagt der Technikjournalist Jurran.

    "Es hört sich erstmal gar nicht viel an. Aber gerade dieses Zappen hört dann total auf, wenn man eigentlich gewohnt ist, dass in dem Moment, wo man auf den Knopf drückt, dass man dann auch das nächste Bild sieht, und dann erstmal 3-4 Sekunden wartet, ist das ganz schön nervig."

    Für die Kabelanbieter bietet die Grundverschlüsselung dagegen Vorteile. Zum einen können sie so gegen Schwarzseher vorgehen, die zum Beispiel den Kabelanschluss ihrer Nachbarn angezapft haben und nicht zahlen. Zum anderen biete die Verschlüsselung die Möglichkeit "innovative Geschäftsmodelle" zu etablieren, wie es in offiziellen Stellungnamen etwas blumig heißt.
    Im Klartext: Weil bei der Grundverschlüsselung die gleiche Technik verwendet wird, wie beim Pay-TV, können die Kabelanbieter ihre zusätzlichen Bezahlangebote leichter vermarkten, denn sie haben quasi schon die Hand am Portemonnaie ihrer Kunden: Kostenpflichtige Zusatzpakete wie Pay-TV-Sender oder Filme aus Online-Videotheken können deshalb per Telefon oder Internet, teilweise sogar per Fernbedienung bestellt und innerhalb weniger Minuten freigeschaltet werden.

    Bei manchen Kabelanbietern bekommen die Kunden immerhin jeweils einen passenden Receiver und eine Smartcard kostenlos. Wer mehrere Fernseher besitzt hat allerdings in jedem Fall Pech: Er muss für die zusätzliche Technik und die Smartcard extra bezahlen. Kabel Deutschland verlangt beispielsweise allein für die Smartcard jeweils 24,90 EUR. Die Primacom für jede zusätzliche Karte sogar 3,99 monatlich zuzüglich einer Aktivierungsgebühr von einmalig 9,90 EUR.
    Dafür gibt’s Kritik von Verbraucher- und Mieterverbänden: Die Digitalisierung der Kabelnetze werde erheblich behindert – weil sie für Verbraucher teuer wird. Die Grundverschlüsselung muss abgeschafft werden, meint Michael Bobrowski vom Verbraucherzentrale Bundesverband.

    "Weil wir das für Wegelagerei halten, wenn man ein Programm, was ansonsten frei empfangbar sein soll, verschlüsselt, um es dann hinterher wieder Entgelt entschlüsseln zu lassen. Das ist aus unserer Sicht Abzocke."

    Tatsächlich kommt gerade Bewegung in das Thema. Ende vergangenen Jahres hatte das Bundeskartellamt der Fusion der beiden Kabelanbieter Unitymedia und Kabel Baden-Württemberg nämlich nur unter der Auflage zugestimmt, dass das neue Unternehmen zukünftig auf die Verschlüsselung verzichtet. Unitymedia will deshalb zum Jahreswechsel die Verschlüsselung abschalten. Kabel Baden-Württemberg hatte die privaten Digitalprogramme als einziger größerer Anbieter ohnehin nicht verschlüsselt. Inzwischen hat auch Kabel Deutschland bekannt gegeben, dass es den Kabelanbieter Tele Columbus übernehmen will. Bei der Prüfung dieser Fusion hofft Verbraucherschützer Bobrowski auf eine ähnliche Regelung.

    "Wenn es zu einem solchen Übernahme-Verfahren kommt, werden wir gegenüber dem Kartellamt dafür plädieren, dass Kabel Deutschland im Zuge der Auflagen gezwungen wird, von der Grundverschlüsselung abzusehen."

    Bei Kabel Deutschland und Tele Columbus möchte man zur Grundverschlüsselung offenbar lieber keine Interviews geben. In einer schriftlichen Stellungname verteidigte eine Kabel-Deutschland-Sprecherin lediglich die Grundverschlüsselung, und erklärte, das Unternehmen wolle auch zukünftig nicht auf diese verzichten. Ein Großteil der Kabel-Kunden muss also vorerst weiter mit den beschriebenen Einschränkungen beim Digitalempfang leben. Aber zum Glück sind die ja laut Kabel Deutschland im Alltag – Zitat - "kaum spürbar".