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In Frankreich promovieren

In Frankreich verläuft der Weg zur Professur ganz anders als in Deutschland. Trotz verstärkter Zusammenarbeit im Bildungssystem gibt es aber noch keine Übersicht über die wichtigsten Unterschiede im akademischen Betrieb beider Länder. Damit sich das ändert, treffen sich französische und deutsche Wissenschaftler in Berlin zu einem Symposium.

Von Dorothea Jung | 22.09.2006
    Wer in Frankreich zur Grundschule kommt, hat in aller Regel bereits drei Jahre Ganztagsvorschule hinter sich. Und wer später sein Gymnasium verlässt, ist bereits durch wesentlich mehr Prüfungen gegangen als ein deutscher Abiturient. Denn seit Napoleons Zeiten ist das französische Bildungssystem in allen Bereichen sehr stark geprägt von zentraler Steuerung, institutioneller Kontrolle und auch von Auslese. Besonders gilt das nach Meinung von Volker Knoerich für die akademische Laufbahn. Knoerich ist Vizepräsident der Deutsch-Französischen Gesellschaft für Wissenschaft und Technologie und einer der Organisatoren des Symposiums.

    "Wir wollen einmal herausfinden, was im anderen Land gerade für den wissenschaftlichen Nahwuchs für Hürden aufgebaut sind - die man möglichst bald überwinden muss; weil es eben sehr schwer ist, für Leute in Wissenschaft und Technik, im anderen Land zu arbeiten und dann wieder zurückzugehen ohne persönliche Nachteile in der Karriere zu erleiden."

    Zusammen mit der Deutsch-Französischen Hochschule in Saarbrücken will man auf dem Symposium zunächst einmal eine Bestandsaufnahme der unterschiedlichen Karrierewege machen. Es gibt nämlich bislang noch nicht einmal eine vollständige Übersicht über die wichtigsten Unterschiede im akademischen Betrieb beider Länder. Volker Knoerich nennt ein Beispiel.

    "Wenn einer Professor werden will: Wie geht es in Deutschland in einem föderativen System, und wie anders ist das in Frankreich, das ja sehr viel etatistischer ist, und wo es den Unterschied zwischen Universitäten und Grandes Écoles gibt."

    Die französische Grande École ist nicht einfach eine Elite-Universität - sie ist eine Art Kaderschmiede, die nur den Bewerbern das Studium ermöglicht, die es geschafft haben, eine sehr strenge Eingangsprüfung zu bestehen. Es ist ein Examen, auf das sie sich in aller Regel nach dem Abitur zwei Jahre lang vorbereitet haben. Das deutsche Verständnis von Elite-Universität sei ein ganz anderes, sagt Stefan Geifes, Generalsekretär der Deutsch-Französischen Hochschule.

    Eliteuniversität heißt, nach dem, was ausgeschrieben ist zur Zeit in Deutschland: Spitzenforschung an Hochschulen im Promotionsbereich - und nicht die Auslese der Studierenden zu Beginn des Studiums, um ihnen dann eine besonders intensive Ausbildung, die nicht primär wissenschaftlich orientiert ist, zu geben.

    Der wichtigste Unterschied zwischen Hochschulsystemen beider Länder liegt laut Stefan Geifes aber darin, dass Frankreichs Universitäten offener für akademische Karrieren sind. Was seiner Meinung nach mit den zwei Arten von Hochschullehrern zu tun hat, den Maitres de Conférences und den Professeurs, den Professoren.

    "Maitres de Conférences unterrichten bis zum Abschluss des Magisters; die Professoren auch, aber haben dazu das Promotionsrecht. Und die Zugangsberechtigung ist unterschiedlich; so dass man auf die Stelle des Maitre de Conférences mit einer Promotion, die hinterher begutachtet werden muss, gelangen kann - häufig schon im Alter von unter 30 - und sich dann auf diesen Stellen qualifiziert auf eine Professur. Aber der Unterschied zum deutschen System ist eben, dass man selbstständig ist -keine Assistenz-, und der Unterschied zum Junior-Professor ist, zum deutschen, dass es Lebenszeitstellen sind."

    Besser bezahlt würden französische Hochschullehrer nicht; weiß Stephan Geifes, dafür hätten sie aber durch ihre Festanstellung wesentlich mehr Planungssicherheit für Forschung, Lehre und ihr privates Leben. Der Generalsekretär der Deutsch-Französischen Hochschule rät deutschen Studierenden, nicht von Beginn an eine Karriere an einer französischen Universität anzustreben. Sondern sowohl in Deutschland als auch in Frankreich zu studieren, Doppeldiplome zu erwerben und später, im Fall einer wissenschaftlichen Laufbahn, sowohl an einer Deutschen als auch an einer französischen Universität zu promovieren.

    "Mit einem deutschen und französischen Doktorvater oder Doktormutter. Wo hinterher beide Universitäten Garant sind für die Qualität der Dissertation, die hier verteidigt wurde."

    Dabei gelte es, die Vor- und Nachteile beider Systeme zu nutzen. Die stark verschulte Ausbildung beim Französischen Nachbarn könne genauso anregend sein wie die größere Freiheit im Alltag an deutschen Universitäten.