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In Harmonie mit der Umwelt

Herzstück des Kibbuz Lotan in Israel ist das Zentrum für Kreative Ökologie. Dort werden zusammen mit Studenten, Praktikanten und Volontären aus der ganzen Welt ökologische Projekte verwirklicht. Eines der wichtigsten ist die Wiederverwertung des Abfalls.

Von Gretel Rieber | 20.12.2007
    "In welcher Hinsicht ist Kibbuz Lotan ein spezieller Kibbuz. Also es sind 270 Kibbuzim in Israel, aber es ist nur einer, der vier Eigenschaften zusammen hat: Erstens, er ist ein kollektiver Kibbuz, und heute sind schon drei Viertel von den Kibbuzim privatisiert, wir privatisieren nicht, zweitens, wir sind einer von zwei Kibbuzim, die der Reformbewegung im Judentum, progressives Judentum, angehören. Drittens sind wir der einzige Kibbuz, und eigentlich das einzige Dorf, in Israel, das Mitglied ist in der internationalen Ökodorf-Bewegung. Und das vierte, was speziell bei uns ist, wir haben eine Absichtenerklärung von Kibbuz Lotan, unser Weg zur Erfüllung unserer Vision. Und diese Vision, obwohl wir es nicht täglich lesen, klebt uns zusammen."

    In dieser Absichtserklärung, die an einen jüdischen Heiratsvertrag, eine Ketuba, erinnert, heißt es unter anderem:

    "Wir streben danach , dem biblischen Ideal zu folgen: Die Erde zu bebauen und zu erhalten. In unserem Zuhause , in unserer Region, im Land und in der Welt. Wir arbeiten daran, Wege zu finden, mit unserer Umwelt, der Wüste, in Harmonie zu leben."

    Jeder neue Jahrgang von Kibbuzniks erneuert dieses Versprechen, diese Selbstverpflichtungen hängen prächtig verziert und gerahmt an einer Wand des Kibbuz-Speisesaales.

    Der Kibbuz Lotan hat rund 60 Mitglieder und mit allen anderen, die dort leben und arbeiten, etwa 170 Bewohner. Der Kibbuz lebt zur Zeit von rund 250 Milchkühen und dem Verkauf von Kälbern, einer Dattelplantage , die der Kibbuz mit vier anderen Kibbuzim zusammen bewirtschaftet, Melonen, Mais und Ökotourismus.

    Das 55 Kilometer nördlich vom lauten Touristenzentrum Eilat gelegene Lotan wirkt ein bisschen wie ein Märchenbuchdorf. Auf dem großen Spielplatz tummeln sich bunte Gestalten, Drachen, Schildkröten, Schlangen. Ein großer graziöser Vogel aus Eisen begrüßt die Besucher hinter dem Kibbuztor, die bunt bemalten, einfachen Touristenhäuschen am Rande der Siedlung tragen Vogelnamen, denn Lotan ist ein wichtiger Vogelbeobachtungsplatz für Zugvögel, die hier im Arava-Tal Rast machen. Das Arava-Tal , dass sich im syrisch-afrikanischen Grabenbruch ungefähr vom Toten Meer bis zum Roten Meer erstreckt, ist eine reine Wüstenlandschaft., Lotan aber eine kleine grüne Oase mit Blumen und Schatten spendenden Palmen.

    Herzstück und Seele des Kibbuz ist das Zentrum für Kreative Ökologie. Dort wurden und werden, zusammen mit Studenten, Praktikanten und Volontären aus Israel und der ganzen Welt unter der Leitung des Arztes Dr. Michael Livni ökologische Projekte entwickelt und verwirklicht. Eines der wichtigsten Projekte ist die Wiederverwertung des Abfalls. Für den Bau von Lehmhäusern wird jetzt außer einigen Stahlstützen vor allem Bentonit verwendet, eine besonders stark quellfähige Tonerde , die bei der Bohrung nach fossilem Wasser zur Stabilisierung der Bohrlöcher gebraucht wird und, wenn die Pumpen installiert sind, Abfall geworden ist. Abfall, der wiederverwertet wird und sehr viel stabiler ist als mit Stroh vermischter Lehm, Materialien, die in dieser Wüstengegenden außerdem schwer zu beschaffen sind.

    Die Energie, die auch in dieser grünen Architektur benötigt wird für Beleuchtung, Telefon, Computer, wird von Solarzellen vor den Häusern geliefert und zwar so viel, dass auch der Kibbuz selbst davon profitiert. Wasser ist erstaunlicherweise kein Problem in Lotan, hier mitten in der Wüste des Arava-Tales an der Grenze zu Jordanien : Der Kibbuz hat vier Tiefenbrunnen gebohrt, die fossiles Wasser liefern, das entsalzt zum Teil als Trinkwasser verwendet wird. Auch das Abwasser wird genutzt, im Augenblick wird ein großes Becken angelegt, in dem sich die groben Teile absetzen, dann fließt das Wasser durch insgesamt 14 Überlaufbecken. Sie werden mit Plastikfolie ausgelegt, dann mit Kies bedeckt und mit Wasserpflanzen versehen, die das Wasser biologisch reinigen. Der Kibbuz benötigt nur das Wasser von etwa vier dieser Becken, der Rest wird an die umliegenden Kibbuzim und Farmen verkauft.

    Rina ist eine aparte junge Israelin mit Rastazöpfchen und indisch anmutenden Gewändern. Sie hat im nur wenige Kilometer entfernten Arava-Institut für Wüstenforschung studiert und dann auch unterrichtet. Jetzt arbeitet und wohnt sie im Kibbuz Lotan und setzt die Theorie des Arava-Institutes in die Praxis um. Dazu gehört vor allem Praxis in ökologischer, grüner" Architektur, die perfekt der Wüstenumgebung angepasst ist Sie ist in der jüdischen Tradition aufgewachsen, wie die meisten jungen Israelis viel gereist und hat, wie sie sagt, von den verschiedenen Religionen Wichtiges gelernt.

    "Vom Judentum habe ich eine Menge gelernt über Judentum und Ökologie, wenn man die Bibel unter einem ökologischen Blickwinkel liest, dann findet man eine Menge wichtiger Dinge ,die die jüdischen Traditionen in Bezug auf das Land und die Menschen erklären. Was für mich vor allem im Judentum wichtig ist, ist Gottes Gebot, das oft vergessen wird, jeden Teil der Schöpfung zu lieben."

    Die Natur kennt keine Grenzen, sagt sie, wir müssen sie teilen und gemeinsam erhalten.