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"In Leistung und Haltung ein Vorbild"

Im Vorfeld der Leichtathletik-Weltmeisterschaft im Vorjahr in Berlin hatte die Reinwaschung ehemaliger DDR-Trainer für erheblichen Unmut gesorgt: Jürgen Schult, der den nach wie vor gültigen Diskus-Weltrekord hält, war ebenfalls Doper. Auch er ist inzwischen Bundestrainer im Deutschen Leichtathletik-Verband. Jetzt sind Fakten öffentlich geworden, die seine Doping-Vergangenheit und deren Vertuschungsversuche eindrucksvoll beleuchten.

Von Thomas Purschke | 25.07.2010
    Jürgen Schult feierte im Mai seinen 50. Geburtstag. Seit inzwischen 24 Jahren besteht sein Diskus-Weltrekord von 74,08 Metern, die Weite scheint durch internationale Konkurrenz unantastbarer denn je. Aus Anlass seiner Geburtsfeier bemühte sich Schult zu einer Erklärung des Unerklärlichen: Es habe an dieser Windböe von hinten rechts gelegen, die dem Wurf diese Dynamik verlieh. Mit Doping habe diese Leistungssteigerung nichts zu tun. Sagte Schult.

    Doch an der Glaubwürdigkeit des Werfers, der inzwischen ein vom Steuerzahler mitfinanzierter Bundestrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) ist, gibt es längst nicht nur große Zweifel. Es gibt auch nüchterne Fakten zum Doping-Betrug, die, wie üblich, aber gern unter der Decke gehalten werden. Schult hatte nämlich versucht, die Arbeit bundesdeutscher Ermittlungsbehörden zum DDR-Staatsdoping zu blockieren. Im Jahre 2000 recherchierte dazu die ZERV, die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität. Schult log die Ermittler an, er habe das Anabolikum "Oral-Turinabol" vor dem Mauerfall 1989 überhaupt nicht gekannt habe. Und er sei sich auch nicht bewusst mit muskelaufbauenden Medikamenten in der DDR in Kontakt gekommen zu sein.

    Schults Aussagen vor den Ermittlern standen allerdings im krassen Widerspruch zu den Erklärungen seiner einstigen Sportkameraden beim DDR-Sportclub Traktor Schwerin, die bestätigten, dass natürlich auch Anabolika genommen habe.
    Weiterhin gibt es Dokumente des DDR-Sportwissenschaftlers Lothar Hinz, der 1986 die Doping-Dosierung der späteren Olympiasieger Ulf Timmermann im Kugelstoßen und von Diskuswerfer Jürgen Schult über Jahre analysiert hatte.

    Als Schult auch bei einer richterlichen Vernehmung die Unwahrheit sagte, Oral-Turinabol erst seit dem Mauerfall zu kennen, leitete die Staatsanwaltschaft Schwerin wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein. Daraufhin räumte Schult ein, vor dem Richter gelogen zu haben.

    Schults Anwalt begründete dies damit, sein Mandant habe es als ungerecht empfunden, dass die Doping-Problematik der DDR detailliert dokumentiert worden sei, hingegen das Doping in der Bundesrepublik nicht problematisiert werde. Zudem habe Schult, so sein Anwalt, - so wörtlich - "es als Ehrenkodex empfunden, nach der Wende über die Doping-Problematik in der ehemaligen DDR nichts zu sagen, um nicht nur sich selbst, sondern auch andere ehemalige oder zur Zeit nach dem Mauerfall noch aktive Sportler der ehemaligen DDR nicht zu belasten."

    Die Staatsanwaltschaft Schwerin stellte das Verfahren den Diskus-Weltrekordler ein, nachdem er eine Geldauflage von 12.000 Mark bezahlt hatte. Das war 2001, in dem Jahr, in dem Schult vom DLV zum Diskus-Bundestrainer berufen wurde.

    Auf Deutschlandfunk-Anfrage bestätigte Schult die Zahlung der Geldauflage, wollte sich zu weiteren Fragen, etwas der Gültigkeit seines weiter bestehenden Doping-Weltrekord aber nicht äußern. Die Antidopingbeauftragte des DLV, Anne Jakob, die nach eigenen Angaben zahlreiche Ermittlungsakten zum DDR-Staatsdoping eingesehen hat, sagte auf Nachfrage, dass sie von diesem Fall Schult keine Kenntnis habe.

    Übrigens hat Im Jahr 2001 Jürgen Schult auch den Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis des Verbandes erhalten. Den verleiht der der DLV an einen, wie es in der Ehrenordnung heißt, "würdigen und verdienten Leichtathleten, der in Haltung und Leistung als Vorbild für die Jugend gelten kann".