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In Lettland ist der Bär los

Bruno, der Braunbär, ist seit Wochen ein Thema, nicht nur im Bayerischen Wald, sondern auch in deutschen Zeitungsstuben, und damit fast in der ganzen Republik. Die Letten erleben derzeit eine ganz ähnliche Geschichte, auch dort gibt es einen Bären, der Grenzen überschreitet, sich nun eine Insel in der Ostsee ausgesucht hat und damit ein ganzes Volk in Atem hält. Birgit Johannsmeier in Riga erzählt seine Geschichte.

    Voll Begeisterung gehen die Zoobesucher in Riga mit, wenn Braunbär Ansis mit einem gewaltigen Satz ins Wasser springt. Mütter und Väter haben ihre Kinder auf die Schultern gesetzt, damit sie genau verfolgen können, wie das zottelige Tier seine Runden dreht. In diesen Tagen ist das Interesse besonders groß. Denn ein schwimmender Bär, der auf der Insel Ruhnu an Land gegangen ist, hält die Leute in Atem. Zwar liegt diese Insel in Estland, gut 150 Kilometer von der Lettischen Hauptstadt entfernt, aber es könnte sein, dass der Bär aus Lettland ist.

    " Egal ob aus Lettland oder Estland, er ist ein baltischer Bär. Der Bär ist Herr in unseren Wäldern, wir haben keine Tiger oder Löwen.

    In Lettland gibt's nicht mehr so viele Bären wie in Estland. Ich denke es ist ein estnischer Bär. Aber die Insel Ruhnu ist zu klein. Dort kann er nicht leben, er wird nur die Bewohner bedrohen. "

    Auch die Journalistin Laura Dzerve bewundert den Braunbären, der während des Tauwetters über die gefrorene Ostsee lief. Als er auf einer Eisscholle ins offene Meer trieb, konnte er sich nur schwimmend auf die Insel retten. Mit ihren Berichten in der Zeitung "Diena" hat sie eine richtige Welle ausgelöst. Ob im Radio, Fernsehen oder im Internet: Jeder will Geschichten über den Bären auf Ruhnu hören. Die 60 Insulaner allerdings tun sich mit ihrem neuen Bewohner sehr schwer, erzählt Laura Dzerve.

    " Fast alle sind nach Ruhnu gezogen, weil sie die Einsamkeit lieben und es auf der Insel sicher ist. Es wird nicht gestohlen, es gibt keine Schlangen, aber plötzlich haben sie den Bären. Meine Leser machen ihn sogar zu einem Mythos. Sie erinnern mich im Internet daran, dass auch Lettland nach dem ersten Weltkrieg die Insel haben wollte, aber Estland den Zuschlag bekam. Jetzt wolle der Bär Ruhnu zurückerobern, meinen sie. "

    Tatsächlich sei die Insel kein Revier, in dem sich ein Braunbär zu Hause fühlt, mein Janis Ozolins. Er ist Biologe und hat erforscht, wie man die Bären wieder in lettischen Wäldern ansiedeln kann. Großflächiges Abholzen habe sie schon vor Generationen vertrieben, während es bei den Nachbarn in Estland heute noch mehr als 500 Braunbären gibt. Der Bär auf Ruhnu sei jung, meint Janis Ozolins. Ein Männchen auf der Suche nach dem eigenen Territorium und für die Menschen keine Gefahr.

    " Ob der Bär gefährlich wird, hat mit den Leuten selbst zu tun. Sind sie ihm gegenüber tolerant, können Bär und Mensch nebeneinander leben. Der Bär lebt gern vegetarisch, isst im Sommer frisches Gras, Blätter, Ameisen oder Schnecken. Im Herbst geht er vielleicht an die Vorratskammern, aber vor dem Menschen hat er Angst. Das ist ein Urinstinkt, denn er wird gejagt. Er weiß aus Erfahrung, dass der Mensch gefährlich ist. Nicht der Bär bedroht den Menschen, sondern der Mensch den Bären. "

    Im Zoo von Riga hat Braunbär Ansis sein Schwimmbad verlassen und schüttelt das nasse Fell so heftig, dass seine Bärenfrau erbost zur Seite springt. Von diesem possierlichen Gehabe würde mancher gerne einen Schnappschuss mit nach Hause nehmen, weiß Ingmars Lidaka. Er ist Zoologe und nimmt täglich Beschwerden gegen die hohe Glasmauer entgegen. Vor zehn Jahren wurde das Gehege eingefasst, kurz nachdem Braunbär Ansis einen jungen Mann zu Tode gebissen hatte. Ingmars Lidaka.

    " Der Bär sieht so gutmütig aus, wie ein lieber Onkel, darum hat er eine so große Anziehungskraft. Und die Leute vergessen, dass der Bär ein Raubtier ist. Damals war ein 18-Jähriger auf das Gitter geklettert und ins Gehege gefallen. Der Bär fühlte sich von diesem Eindringling bedroht und tötete ihn sofort. Zum Glück war die öffentliche Meinung auf der Seite des Bären, und wir mussten ihn nicht erschießen. "

    Auch der Braunbär auf der Insel Ruhnu soll weiter leben, hofft die Journalistin Laura Dzerve.

    Zwei Tage lang hat sie drei Jäger begleitete und fotografiert. Doch trotz ausgebildeter Spürhunde ist der Bär seiner Betäubungsspritze immer wieder entwischt. Jetzt wartet Laura Dzerve auf den nächsten Versuch im Herbst.

    " Ich hoffe, der Bär wird gefangen und zurück aufs Festland gebracht. Dort kann er auch eine Frau finden und muss nicht alleine bleiben. Für den Bären ist die Situation viel schlimmer, als für die Insulaner. "