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In Rumänien blüht das illegale Geschäft mit der Prostitution

Im EU-Beitrittsland Rumänien ist die Prostitution per Gesetz verboten, doch das Geschäft blüht auf illegalem Weg. Das liegt nicht zuletzte an den westeuropäischen Sextouristen. Dabei fehlen jegliche Gesundheitskontrollen der Branche, Geschlechtskrankheiten sind dem entsprechend weit verbreitet. So hat das Land EU-weit die meisten Syphilis-Kranken. Annett Müller berichtet.

10.10.2005
    Magdalena und Simona schlendern auf einer der größten Prachtstraßen Bukarests und warten auf Freier. Aus den Nachtbars dröhnt Musik. Die beiden Frauen, gerade mal 19 und 20 Jahre alt, zeigen in Miniröcken ihre langen Beine. Werden die Frauen bei der Prostitution erwischt, müssen sie ein Bußgeld zahlen. Doch die Höhe ist Verhandlungssache, erzählt Magdalena:

    "Die Polizei sagt uns offen ins Gesicht: Entweder Du schmierst uns mit Geld oder Du kannst mit uns schlafen. Und wenn Du keines von beiden willst, dann zahlst Du das offizielle Strafgeld."

    In Rumänien blüht das Geschäft mit der Prostitution. An Gesundheitskontrollen ist in dieser illegalen Branche jedoch nicht zu denken. Geschlechtskrankheiten, wie beispielsweise Syphilis, sind weit verbreitet und erreichen Rekordzahlen. So lange die Prostitution in Rumänien aber verboten bleibt, wird sich daran nichts ändern, sagt der Arzt Justin Diaconu. Er arbeitet in Bukarest in einer Klinik für Geschlechtskrankheiten:

    "Rund 70 bis 80 Prozent der Prostituierten, die mir die Polizei gebracht hat, haben Syphilis. Doch meine Diagnosen kann ich erst nach 24 Stunden liefern. Bis dahin hat die Polizei die Frauen längst freilassen müssen, und man kann sie dann oft nicht mehr finden. Sie kommen aus Bukarest und aus allen Teilen des Landes und sie haben keinen festen Wohnsitz."

    Justin Diaconu weiß, dass die Frauen aus Angst vor Strafen abtauchen, doch wenig später weiterarbeiten, ohne sich behandeln zu lassen. Unbehandelt führt Syphilis jedoch zu Organversagen und letztlich zum Tod. Die Geschlechtskrankheit ist nicht nur für die Prostituierten lebensgefährlich, sondern auch für ihre Freier, die auf Verhütung oft verzichten wollen. Dass die Sexbranche in Rumänien sehr freizügig ist, hat sich unter westeuropäischen Sextouristen längst herumgesprochen.

    Der 64 Jahre alte Ernst aus Tirol, der nur seinen Vornamen nennen will, kommt einmal im Jahr nach Rumänien. Angst vor Syphilis hat der Österreicher keine, weil er von den Frauen hört, dass sie bestraft werden, wenn sie tricksen:

    "Was glauben Sie, was die Mädels hier für Narben haben, wenn Du mal fragst, warum sie hier Schnitte hat, da wurde sie von ihrem Zuhälter gequält, wenn sie einmal eine Nummer nicht abgeliefert haben und das sieht man, ist es ein glatter Schnitt, wurde es mit dem Messer geführt, ist eine breite Narbe, ist es mit einem glühenden Eisen gemacht, das ist jetzt kein Schmäh."

    Über die schwierige Situation der Prostituierten spricht in Rumänien fast niemand. Eine Ausnahme ist da Paula Ivanescu, sie will sogar die Prostitution legalisieren. Die Abgeordnete der Regierungspartei PD hat dem Parlament bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, der glattweg abgewiesen wurde. Das Thema ist für die meisten Politiker einfach zu heikel, auch weil die Orthodoxe Kirche in Rumänien die Prostitution als Sünde bezeichnet und sie strikt verbietet. Die Wirklichkeit sieht dennoch anders aus, sagt die Parlamentarierin Paula Ivanescu:

    "Es gibt viele Leute, die sündigen. So haben viele Männer und Frauen, die zwar verheiratet sind, oftmals auch außereheliche Beziehungen und suchen ihr Abenteuer. Für die meisten ist das eine gewöhnliche Sünde. Und es gibt das Denken, dass Gott dir diese Art von Sünde verzeihen wird, weil du ja eine Familie hast und ein Haus. Das glauben die Rumänen, so sind sie einfach gebaut."

    Magdalena und Simona haben jeden Abend ihre Kundschaft. Sie geben ihren Job nicht auf, weil sie damit viel Geld verdienen. Manchmal nehmen sie am Abend bis zu 300 Euro ein - eine Summe, die man in Rumänien in anderen Berufen nicht einmal in einem Monat verdient.