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In sechs Jahren über 1000 Werke

Aubrey Beardsley war der bekannteste Vertreter des englischen Jugendstils, des "modern style". Insbesondere durch seine Buchillustrationen und Zeichnungen tat sich das junge Künstlertalent hervor. Allerdings blieb ihm nur wenig Zeit, um sein Werk zu vollenden. Bereits mit 25 Jahren starb er an Tuberkulose.

Von Renate Hellwig-Unruh | 21.08.2007
    "Ich habe einen neuen Stil und eine neue Arbeitsmethode entdeckt, die sich auf japanische Kunst gründet, aber doch ganz originell ist",

    schrieb Aubrey Beardsley im Herbst 1892 an seinen ehemaligen Schuldirektor. Und weiter:

    "In gewisser technischer Hinsicht habe ich auf einen Schlag so etwas wie Perfektion erreicht und auch schon ungefähr 20 Zeichnungen in dem neuen Stil in ein paar Monaten produziert. Sie waren in der Konzeption äußerst phantastisch, aber vollkommen streng in der Ausführung."

    In der unglaublichen kurzen Schaffenszeit von sechs Jahren schuf Aubrey Beardsley über 1000 Buchillustrationen und Zeichnungen, die ihn zum prominentesten Vertreter des englischen Jugendstils, des "modern style", machten. Die erotische Freizügigkeit und ironische Gebrochenheit seiner Bilder schockierte viele Zeitgenossen. Der Schriftsteller und Kritiker Franz Blei 1898:

    "Zu den Dingen, welche Beardsley liebte und häufig zeichnete, gehören die Bewegungen eines barocken Tanzens und Schreitens; Frauen bei der Toilette, eigenartige, aus vielerlei Moden und Stilen gefertigte Kostüme; geschmeidige schlanke Kandelaber mit dünnen Kerzen und reichgerahmte Spiegel; Leiber mit verwischter, hermaphroditischer oder stark betonter Sexualität."

    Und viel Ornamentales aus Flora und Fauna, wie Lotusblätter, Lilien, Schwäne und Pfauen.

    Am 21. August 1872 in Brighton geboren, galt Aubrey Vincent Beardsley als Wunderkind. Anfangs als ein musikalisches Wunderkind, er spielte vorzüglich Klavier, vor allem Chopin. Mit sieben Jahren begann er mit dem Zeichnen und später schrieb er auch kleinere Theaterstücke und Prosa. Von Anfang an spielte, schrieb und zeichnete Beardsley gegen den eigenen, bereits früh prognostizierten Tod an, denn erste Anzeichen von Tuberkulose machten ihm bereits früh zu schaffen. Auch die finanzielle Situation der Familie setzte ihm enge Grenzen, er blieb sein kurzes Leben lang weitgehend Autodidakt.

    Die Buch-Illustrationen zur englischen Ausgabe von Oscar Wildes "Salome" brachten ihm 1894 den angestrebten Erfolg. Allerdings war das Verhältnis zu Wilde danach empfindlich gestört:

    "Denken Sie, Oscar wollte meine Blätter zur ‚Salome’ nicht in seinem Hause dulden. Er fand sie abscheulich. Er ahnte wohl, dass sie länger am Leben bleiben würden als seine Studien nach Flaubert. Wir können uns nicht leiden",

    äußerte Beardsley gegenüber Franz Blei. Die Eigenständigkeit der Zeichnungen, die Entfernung vom Text, gingen Wilde dann doch zu weit. Und dass Beardsley die tragische Heldin am Ende von Pierrot und einem Faun in einer Puderdose bestatten ließ, konnte er ihm nicht verzeihen.

    Im Grunde gehören fast alle Figuren Beardsleys literarischen oder musikalischen Themenkreisen an: Neben Salome und Lysistrata kommen Messalina, Ali Baba, Isolde, Siegfried, Venus und Tannhäuser hinzu. Der Wagner-Liebhaber Beardsley ließ sich dabei von den erotischen Darstellungen japanischer Holzschnitte und den Dekorationen altgriechischer Vasenmalerei inspirieren.

    Auch als Herausgeber und Mitarbeiter der literarisch-künstlerischen Zeitschriften "The Yellow Book" und "Savoy" machte sich Beardsley weit über England hinaus einen Namen. Er musste allerdings seine künstlerische Arbeit immer wieder unterbrechen, geplagt von heftigen Blutstürzen und Schmerzen. Der Verleger Arthur Symons erinnert sich an einen Besuch bei Beardsley im Sommer 1895:

    "Zu diesem Zeitpunkt sollte er eigentlich sterben. Als ich in das Zimmer trat, sah ich ihn auf der Couch liegen, schrecklich bleich, und fragte mich, ob ich zu spät gekommen sei. Doch er war voller Ideen, voller Begeisterung."

    Als es dann, knapp drei Jahre später wirklich soweit war, schrieb Beardsley noch an den Verleger Leonard Smithers:

    "Lieber Freund, ich flehe Sie an, alle Exemplare der ‚Lysistrata’ und alle schlechten Zeichnungen zu vernichten. Zeigen Sie diesen Brief auch Pollitt und beschwören Sie ihn, dasselbe zu tun. Bei allem, was heilig ist - alle obszönen Zeichnungen. Aubrey Beardsley - in Todesqualen"

    Wenige Tage darauf, am 16. März 1898, starb der Künstler, 25-jährig, an den Folgen der Tuberkulose. Und hinterließ ein erstaunlich umfangreiches Werk, das vor allem in der Buchillustration und Plakatkunst Maßstäbe gesetzt hat. Der geschäftstüchtige Verleger Smithers übrigens kam seinem letzten Wunsch nicht nach; ganz im Gegenteil, viele Fälschungen, die auch heute noch kursieren, lassen sich auf ihn zurückführen.