Etwas stimmt an den Raum-Zeit-Koordinaten der Tschechow-Figuren nicht: Sie müssen in Gegenden leben, in die sie nicht gehören, und in einer Zeit, in der ihr Glück unrealisierbar erscheint. Aber beides gleichzeitig zu begreifen, wäre für ihre Seelen zuviel: Deshalb begrüßen Olga, Mascha und Irina den Oberstleutnant Alexander Werschinin ganz herzlich, als der aus ihrer geliebten Heimat Moskau zu Besuch kommt, und erwarten hoffnungsvoll den Bericht von einem schönen Leben am richtigen Ort. Der aber, einstmals hoffnungsvoll verliebt in ein Provinzmädchen, kann nur von der Leere und Enttäuschung berichten, die er in der Rolle des Familienvaters erlebt.
Das Tschechow-Theater ist also wie eine Zeitmaschine, was auch immer jemand gerade träumt, was auch immer er sich ausmalt, einer hat es schon versucht und ist gescheitert. Clemens Schick spielt diesen verzweifelten Oberstleutnant, in den sich Mascha, eine der drei Schwestern, wie in eine Fluchtmöglichkeit verliebt, bevor sie dann doch am Ende bei ihrem Mann, dem unendlich beschränkten Provinzlehrer Fjodor Kulygin bleiben muss. Die Menschen sind Programme, ihnen haften Stallgerüche an, so etwas wie Einfärbungen, die ihrer Biografie in Zeit und Raum aufgeprägt wird. In was auch immer diese Menschen flüchten, in eine Schwärmerei, wie der Baron Nikolai oder der Stabskapitän Wassilij, den Alkohol, wie der Arzt Iwan, oder spleenige Basteleien wie der Bruder der drei Schwestern, Andrej, immer bleibt auch ein unauslöschlicher Rest Sehnsucht und Zukunftshoffnung.
Wie zu erwaten war, hat Falk Richter diese Menschen nicht von einer Landhaus- und Samowar-Gemütlichkeit eingefasst, sondern von derselben kalt metallischen Welt, in der er in seiner Tetralogie "Das System" die Menschheit in globalen Kommunikationskanälen verloren gehen ließ. Stapelstühle mit Edelstahlfüßen stehen vor einer gewaltigen metallischen schimmernden Lamellenwand, ein Stahlgeländer führt in die Tiefe. Die Bühnenbildnerin Katrin Hoffmann hat dem Regisseur auf die Vorderbühne einen erhöhten Laufsteg gebaut, den betreten muss, wer immer aus dem Gruppenbild heraustritt und in die Gespräche eingreift.
Erst im letzten Bild und nach einer späten Pause, staffelt Richter seiner Figuren in der Tiefe des Raums wie in einer unwirtlichen Abfertigungshalle und lässt ohrenbetäubenden Flugzeuglärm über ihre Köpfe hinwegdonnern. Jetzt sind sie die Solisten der Postmoderne, ewige Passanten, Vorübergehende. Das betrifft jetzt auch Natalja Iwanowna, die die Wohngemeinschaft der drei Schwestern und ihres Bruders, sowie der alt und nutzlos gewordenen Anfissa mit der aggressiven Führsorge um ihren Sohn Bobik terrorisiert hatte. Sie ist dieses in Tschechow-Stücken die alte Welt aushebelnde Element der Rationalisierung: Das Zukunftsprogamm, das entweder aus finanziellen oder aus genetischen Projekten besteht, aus Verwaltern, die rechnen können und verschuldete Altbesitzer aus Häusern vertreiben, oder Müttern, die für ihre Kinder über Leichen gehen. Gegen diese Natalja, die Lea Draeger als herrlich penetrante Nervensäge spielt, verteidigen die drei Schwestern ihre Kultur und Bildung vergeblich.
Die von Jule Böwe etwas zu durchgängig in ihrem quäkig-nöligem Grundsound gespielte Irina, die in Richters aktualisierter und veränderter Version eine Angestellte in einem Jobcenter spielt, weiß, dass es eine Sehnsucht nach Arbeit gibt, weil nur sie dem Menschen für Augenblicke ein Glücksgefühl vermitteln kann. Steffi Kühnert gibt eine unentwegt nervenzerrüttete und überlastete Lehrerin und Bibiana Beglau die unruhige Melancholikerin Mascha mit dem Blick ins Nirgendwo, in eine andere abwesende Welt. Anders als bei Peter Stein, dessen Inszenierung die Geschichte der alten Schaubühne mit prägte, sind diese drei Schwestern längst aus ihrer alten Welt vertrieben. Ihre Gegenwart auf der Bühne wirkt entsprechend abstrakter, ihre Ausbrüche unvermittelter, ihre Verzweiflung durch keinen Trost mehr einzuholen.
Was aber das Stück betrifft: Falk Richter will es in die gegenwärtige Welt zerren, aber im Verlauf der Aufführung zeigt sich immer mehr, dass es doch eher Tschechow ist, der den Regisseur zurückzieht in sein Magnetfeld. Es geht eben nicht nur um die Frage, ob das Nichtstun vom Privileg der Wohlhabenden dereinst zum Horror der Arbeitslosen heute geworden ist, sondern um die bittere Erkenntnis, dass das Glück in einer goldenen Vergangenheit oder in einer glorreichen Zukunft wohnt, aber hier und heute nicht zu haben ist.
Das Tschechow-Theater ist also wie eine Zeitmaschine, was auch immer jemand gerade träumt, was auch immer er sich ausmalt, einer hat es schon versucht und ist gescheitert. Clemens Schick spielt diesen verzweifelten Oberstleutnant, in den sich Mascha, eine der drei Schwestern, wie in eine Fluchtmöglichkeit verliebt, bevor sie dann doch am Ende bei ihrem Mann, dem unendlich beschränkten Provinzlehrer Fjodor Kulygin bleiben muss. Die Menschen sind Programme, ihnen haften Stallgerüche an, so etwas wie Einfärbungen, die ihrer Biografie in Zeit und Raum aufgeprägt wird. In was auch immer diese Menschen flüchten, in eine Schwärmerei, wie der Baron Nikolai oder der Stabskapitän Wassilij, den Alkohol, wie der Arzt Iwan, oder spleenige Basteleien wie der Bruder der drei Schwestern, Andrej, immer bleibt auch ein unauslöschlicher Rest Sehnsucht und Zukunftshoffnung.
Wie zu erwaten war, hat Falk Richter diese Menschen nicht von einer Landhaus- und Samowar-Gemütlichkeit eingefasst, sondern von derselben kalt metallischen Welt, in der er in seiner Tetralogie "Das System" die Menschheit in globalen Kommunikationskanälen verloren gehen ließ. Stapelstühle mit Edelstahlfüßen stehen vor einer gewaltigen metallischen schimmernden Lamellenwand, ein Stahlgeländer führt in die Tiefe. Die Bühnenbildnerin Katrin Hoffmann hat dem Regisseur auf die Vorderbühne einen erhöhten Laufsteg gebaut, den betreten muss, wer immer aus dem Gruppenbild heraustritt und in die Gespräche eingreift.
Erst im letzten Bild und nach einer späten Pause, staffelt Richter seiner Figuren in der Tiefe des Raums wie in einer unwirtlichen Abfertigungshalle und lässt ohrenbetäubenden Flugzeuglärm über ihre Köpfe hinwegdonnern. Jetzt sind sie die Solisten der Postmoderne, ewige Passanten, Vorübergehende. Das betrifft jetzt auch Natalja Iwanowna, die die Wohngemeinschaft der drei Schwestern und ihres Bruders, sowie der alt und nutzlos gewordenen Anfissa mit der aggressiven Führsorge um ihren Sohn Bobik terrorisiert hatte. Sie ist dieses in Tschechow-Stücken die alte Welt aushebelnde Element der Rationalisierung: Das Zukunftsprogamm, das entweder aus finanziellen oder aus genetischen Projekten besteht, aus Verwaltern, die rechnen können und verschuldete Altbesitzer aus Häusern vertreiben, oder Müttern, die für ihre Kinder über Leichen gehen. Gegen diese Natalja, die Lea Draeger als herrlich penetrante Nervensäge spielt, verteidigen die drei Schwestern ihre Kultur und Bildung vergeblich.
Die von Jule Böwe etwas zu durchgängig in ihrem quäkig-nöligem Grundsound gespielte Irina, die in Richters aktualisierter und veränderter Version eine Angestellte in einem Jobcenter spielt, weiß, dass es eine Sehnsucht nach Arbeit gibt, weil nur sie dem Menschen für Augenblicke ein Glücksgefühl vermitteln kann. Steffi Kühnert gibt eine unentwegt nervenzerrüttete und überlastete Lehrerin und Bibiana Beglau die unruhige Melancholikerin Mascha mit dem Blick ins Nirgendwo, in eine andere abwesende Welt. Anders als bei Peter Stein, dessen Inszenierung die Geschichte der alten Schaubühne mit prägte, sind diese drei Schwestern längst aus ihrer alten Welt vertrieben. Ihre Gegenwart auf der Bühne wirkt entsprechend abstrakter, ihre Ausbrüche unvermittelter, ihre Verzweiflung durch keinen Trost mehr einzuholen.
Was aber das Stück betrifft: Falk Richter will es in die gegenwärtige Welt zerren, aber im Verlauf der Aufführung zeigt sich immer mehr, dass es doch eher Tschechow ist, der den Regisseur zurückzieht in sein Magnetfeld. Es geht eben nicht nur um die Frage, ob das Nichtstun vom Privileg der Wohlhabenden dereinst zum Horror der Arbeitslosen heute geworden ist, sondern um die bittere Erkenntnis, dass das Glück in einer goldenen Vergangenheit oder in einer glorreichen Zukunft wohnt, aber hier und heute nicht zu haben ist.