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In welchen Städten wollen wir leben?

Lebensqualität und Bürgerbeteiligung in der Stadt sind Themen in fünf Diskussionsrunden, zu denen der Deutsche Bühnenverein eingeladen hat. Die Eröffnungsveranstaltung fand im Stuttgarter Theater statt.

Von Cornelie Ueding |
    Kein urbanes Leben ohne Stadtgesellschaft – darüber herrschte Einigkeit auf dem Podium im Stuttgarter Theater bei der ersten Diskussion der überregionalen Gesprächsreihe "In welchen Städten wollen wir leben?" obwohl, wie der Soziologe Hartmut Häussermann zu Beginn gleich einräumte:

    "Stadtgesellschaft ist ja ein grauenvoller Begriff. Ich habe mich mit dem Begriff erst angefreundet, als ich immer wieder las, dass sich Migranten mit der Stadt identifizieren, nicht mit dem Land. Ich bin kein Deutscher. Ich bin kein Türke. Ich bin Berliner. Und das finden Sie in jeder Stadt."

    Dass alle Bürger sich zugehörig fühlen können, ist also Voraussetzung für eine Stadtgesellschaft – und: dass sie an den Verständigungs- und Veränderungsprozessen beteiligt werden.
    "Die Stadtgesellschaft, und das ist eine ihrer wesentlichen Qualitäten, ist nur dann Stadtgesellschaft, wenn sie die Stadt als Ganzes in den Blick nimmt. Wenn sie nicht-partikulare Interessen vertritt und eine Identität mit der Stadt fördert, auch durch die Vertretung von Interessen, die sonst im Apparat nicht repräsentiert sind."

    An gut gemeinten Aktivitäten ist kein Mangel, wie der Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz, der sehr erfolgreich mit Kulturfragen Politik macht, an mehreren Beispielen anschaulich erläuterte. Doch es gibt Kommunikations- und Kapazitätsgrenzen. Immer wieder betonte er, wie wichtig die Institutionalisierung spontaner, oft isolierter Bürgeraktivitäten ist, die genauestens organisiert, professionell inszeniert werden müssen, wenn sie nicht in spontanen Aktivitäten verpuffen sollen.

    Natürlich spielen Bildung und Ausbildung eine zentrale Rolle für eine erfolgreiche Beteiligung der Menschen an öffentlichen Prozessen. Hortensia Völckers, die Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit von Vernetzungen: Bürgergesellschaften, Kommunen brauchen Bildungslandschaften. Es ist ein Alarmzeichen, dass es nach wie vor keinen Dialog zwischen den sogenannten Kultur- und den Bildungsinstitutionen gibt. In einem Pilotprojekt sollen nun Lehrer mit ermäßigtem Stundendeputat Bildungsbeauftragte, Kontaktpersonen zwischen Schule und Bildungsinstitutionen werden, also Ansprechpartner für beide Seiten: für Schüler und Eltern, und eben auch für Theater, Museen, Musikschulen, Bibliotheken. Auch sie warnt, wie Peter Kurz, vor Anfängen, die keine Fortsetzung finden – und plädiert für kontinuierliche und so früh wie möglich einsetzende Förderung kultureller Fertigkeiten:

    "Nicht die abgeschlossene Schule für sich, sondern schon die Schule als Schlüsselinstitution, wo aber sich vom ersten Lebensjahr, wenn Kinder jetzt in den Kindergarten, Kita oder wie auch immer das heißt – der entscheidende Moment, wo man die Eltern noch mit ins Boot kriegt, später wird’s ganz schwierig. Und dass man die jungen Menschen von im Grunde genommen diesem Moment, ab Kita, bis dem Moment, wo sie die Schule verlassen und sie eigentlich nicht verlassen dürfen, bis sie nicht eine Empfehlung haben zu irgendeiner Ausbildung. Also das muss alles eigentlich Teil dieser Kette sein. Und das sind Bildungslandschaften, die natürlich ganz eng verknüpft wieder mit den Kulturinstitutionen sind."

    Was urbanistische Konzepte und Theorien betrifft, so sind wir alles andere als uninformiert. Doch was die konkrete Umsetzung anbelangt, so stehen wir – auch darin herrschte Einigkeit – ganz am Anfang.
    Weniger zuversichtlich stimmt der eher kurz gestreifte stadtplanerische Aspekt: eine gemischte Besiedlung der Stadtgebiete lässt sich nicht steuern – ebenso wenig wie der Ausverkauf der Städte bzw. ganzer Quartiers an Investoren. Die Instrumente, die Kommunen zur Abwehr solcher höchst unerfreulichen "Übernahmen" zur Verfügung stehen, sind stark limitiert und nur begrenzt wirksam.

    Dennoch, insgesamt teilte sich an diesem Vormittag in Stuttgart mit, dass im innovativen Gestalten ganzer, in sich stimmiger Bildungs- und Kulturlandschaften – von der Kita über Schulen bis zum Theater, die urbane Zukunft liegen könnte. Schade nur, dass keine politischen Entscheidungsträger anwesend waren, um diesen Impuls aufzunehmen.