Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


In Zeiten knapper Kassen

Weil das Geld fehlt, schließen viele Büchereien, Schwimmbäder oder Theater. Die leeren Kassen stellen Städte und Gemeinden künftig vor große Herausforderungen. Wie können Städte lebenswert bleiben, wenn der materielle Wohlstand sinkt? Darüber wurde auf einem Symposium in Düsseldorf diskutiert.

Von Ingeborg Breuer | 24.01.2013
    "Alle unsere städtischen Instanzen haben gelernt, mit mehr umzugehen, mehr Menschen, mehr Geld, mehr Verkehr, mehr Wirtschaft, von allem immer mehr. Und wir treten jetzt in eine Phase, wo die Erfahrungen keine Gültigkeit mehr haben, wo neu gedacht werden muss, wie manage ich eine schrumpfende Stadt, eine Stadt mit geringeren Mitteln. Das ist das, was ich meine, mit der grundlegenden Wandlung von der Expansion zur Kontraktion."

    Für Professor Meinhard Miegel ist klar, was viele noch verdrängen, die Ära der "Expansion", von Wirtschaftswachstum und Wohlstandsmehrung geht zu Ende. Stattdessen müssen sich die Bürger auf "Stagnation" und schließlich auf "Kontraktion" einstellen, meint der Vorstandsvorsitzende der Stiftung "Denkwerk Zukunft":

    "Und viele Städte tun ja immer noch so, als hätten sie eine Durststrecke zu überwinden und dass auf der anderen Seite des Tals die Dinge so weiter gehen könnten. Das wird so nicht stattfinden, das ist nicht realistisch."

    Zurzeit allerdings ist die Situation der Städte uneinheitlich. Denn nach wie vor gibt es Städte, die wachsen. Die Menschen aus anderen Regionen anziehen, sodass diese Regionen dann unter Schrumpfung leiden. Und so stehen steigende Immobilienpreise auf der einen Seite einem Wertverfall von Wohnungseigentum auf der anderen Seite entgegen. Prof. Christa Reicher, Städteplanerin an der Universität Dortmund:

    "Wir haben die Boomstädte Düsseldorf, Köln, Münster, Bonn, wo es eine Diskussion über Gentrifizierung, über nicht bezahlbaren Wohnraum gibt. Und auf der anderen Seite haben wir Städte, wo die Arbeitslosigkeit ansteigt, weil bestimmte Unternehmensbranchen, Einkommenssektoren wegbrechen. Wir haben Stadtteile, die sind im Augenblick sehr stark nachgefragt, ... und daneben haben wir Schrumpfung."

    Und so gibt es Städte und Stadtviertel, wo die Wohlhabenden wohnen. Und dann eben auch jene Gebiete, wo Armut sich breitmacht. Dieser "Segregation", dieser "Entmischung" sozialer Milieus, muss man, so Christa Reicher, entgegenwirken.

    "Man muss registrieren, dass es in Städten immer einen gewissen Grad von Segregation geben wird, denn jeder sucht sich eine Nachbarschaft, die zu einem passt. Nun ist die Frage, wie viel Durchmischung kann ich planerisch befördern? Und diese Diskussion, die wir im Augenblick durch die sogenannte Luxusgettoisierung in einigen Städten haben, dass es aufgrund der Immobilienpreise und der angestiegenen Mieten eine sehr starke Fragmentierung und Segregation in den Städten gibt. Ich glaube, dass man dem nur ein Stück weit entgegentreten kann, indem man ganz bewusst doch wieder stärker sozialen Wohnungsbau fördert."

    Dort, wo Städte schrumpfen, werden allerdings Umbau und Rückbau zur stadtplanerischen Notwendigkeit. Zum Beispiel vollzieht sich in vielen in den 60er- und 70er-Jahren erbauten Einfamilienhausgebieten ein Generationenwechsel: Die alten Besitzer ziehen in kleinere Wohnungen, in Pflegeeinrichtungen oder sterben. Und die Häuser selbst sind in die Jahre gekommen und finden in peripheren Lagen kaum noch Käufer.

    "Solche Entwicklungen gilt es zu begleiten und zu gucken, an welchen Standorten ist es sinnvoll, diese Standorte wieder zukunftsfähig zu machen? Und an anderen Standorten wird weitere Ausdehnung ganz bewusst verhindert durch Baurecht und Planungsrecht, um zurückzuführen auf die Innenstädte."

    Für viele Städte bedeutet das keine weitere Expansion in die Fläche, etwa durch Erschließung neuer Baugebiete am Stadtrand. Sondern eher Umbau von Vorhandenem; "Nachverdichtung", das Nutzen von Freiflächen innerhalb bereits bestehender städtischer Bebauung. Im vergangenen Herbst veröffentlichte das "Denkwerk Zukunft" ein Memorandum zur Stadt der Zukunft. Darin wurde die "kompakte Bürgerstadt" zum städtebaulichen Leitbild erhoben.

    "Eine Stadt der kurzen Wege mit einer angemessenen Nutzungsmischung ist eigentlich die richtige Zukunftsvision, nicht das Separieren von Funktionen und auch nicht das Auseinanderziehen von städtebaulichen Funktionen, sondern das Konzentrieren. Und Bürgerstadt meint zweierlei, die Stadt mit den Menschen gestalten und auch für die Menschen diese kompakte Stadt gestalten, das heißt ihre Bedürfnisse auch ernst nehmen."

    Ob bei Stuttgart 21, der Dresdener Waldschlösschenbrücke oder dem Streit um Abriss oder Sanierung des Kölner Opernhauses, zunehmend wollen Bürger Einfluss auf die Geschicke ihrer Stadt nehmen. Doch bislang reagieren Politik und Verwaltung schwerfällig. Eine Demokratisierung von Planungsprozessen steht noch aus, wie Meinhard Miegel ausführt:

    "Bürgerliches Engagement wurde in Sonntagsreden gepriesen, aber es war nicht wirklich gewollt, die Verwaltung war nicht selten der größte Hemmschuh für Entwicklung von bürgerlichem Engagement, das ist etwas, wo die Administration der Städte radikal umdenken muss."

    Weniger Staat, mehr privat, ist die Idee Meinhard Miegels. Denn in Zeiten knapper Kassen müssen Kosten zurückgefahren werden. Und die Bürger müssen selbst mit anpacken; mit ihren Ideen, ihrer Arbeitskraft und gegebenenfalls auch mit finanziellen Mitteln.

    "Im 19. Jahrhundert hatten wir eine Fülle von Einrichtungen, die von der Bürgerschaft der Stadt getragen worden ist. Es gab in vielen Städten Opernhäuser, Theater, die von den Bürgern getragen waren. Oder auch Sportstätten. Das sind Orte, wo die Stadt gezielt Bürger ansprechen muss. Es geht nicht um Steuererhöhungen. Sondern um die Bereitschaft der Bürger, in substanziellem Maße Verpflichtungen für ihre Stadt zu übernehmen."

    Die von Meinhard Miegel prognostizierte "Kontraktion" der Städte hat viel mit dem demografischen Wandel zu tun, mit der Alterung und Schrumpfung unserer Gesellschaft. Mitte Januar gab das Statistische Bundesamt allerdings bekannt, dass Deutschland in den vergangenen zwei Jahren wieder gewachsen ist – dank vieler junger Migranten aus Ost- und Südeuropa. Ist das eine Trendwende, die Anlass zu Optimismus gibt?

    Meinhard Miegel:

    "Es ist richtig, dass wir in diesem Jahr durch den starken Zuzug von Südeuropäern wieder etwas an Zahl zugenommen haben. Viele Menschen kommen her, schauen sich um, sind froh, wenn sie ein paar Jahre tätig sein können. Für mich ist das eine provisorische Sache, deswegen würde ich das nicht überbewerten. Und wir müssten in Zukunft sehr viele Zuwanderer bekommen, wenn wir den Schwund ausgleichen wollen."

    Mehr zum Thema:
    Neue Strategien für die Urbanisierung
    Die grüne Zukunft von Chinas Megastädten
    DLF-Hintergrund vom 16.12.2012