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In zwanzig Tagen um die Welt

Es hatte zuvor schon Versuche gegeben, die Erde nonstop in einem Ballon zu umrunden. Aber erst vor zehn Jahren glückte das anspruchsvolle Unternehmen: Bertrand Piccard und sein Copilot Brian Jones schafften es mit viel Technik, Glück und Können, allein vom Wind bewegt in zwanzig Tagen um die Welt zu ziehen.

Von Mathias Schulenburg | 21.03.2009
    Der Flughafendirektor stellte die Helden vor:

    "Bertrand Piccard, Brian Jones!"

    Solche Männer brauche das Land, versicherte sodann der Schweizer Sportminister dem Publikum, das Bertrand Piccard und Brian Jones feierte, die am 21.3.1999 in der ägyptischen Wüste gelandet waren, nachdem sie in zwanzig Tagen Nonstop-Flug die Erde umrundet hatten - für viele das letzte große Abenteuer der irdischen Luftfahrt.

    Bertrand Piccard entgegnete, dass gelungenen Unternehmungen wie dieser meist viele Misserfolge vorausgingen; dass harte Arbeit und Ausdauer nötig gewesen seien und dass der Erfolg auch dem Team gehöre.

    So beeindruckend wie die Reise war auch ihr Gefährt gewesen, der Breitling Orbiter 3, eine Kombination aus Helium- und Heißluftballon mit einer Hülle aus Kevlar- und Carbonfasern. Damit ließ sich eine zwei Tonnen schwere, luftdicht abschließbare Gondel tragen.

    Die war mit aller verfügbaren Hochtechnologie ausgestattet, deren Hauptaufgabe in der Navigation bestand. Und die ist bei einem mit dem Wind treibenden, ansonsten antriebslosen Ballon schwierig.

    "Wir konnten unseren Kurs nur ändern, indem wir die Fahrthöhe änderten, das heißt, indem wir den Ballon auf der Suche nach Winden, die uns in die gewünschte Richtung bringen würden, steigen oder sinken ließen."

    Das Treibstoff zehrende Steigen und Sinken war immer wieder auch nötig, um riesigen Kumulonimbuswolken auszuweichen, deren Fallwinde und Hagelstürme die Kraft gehabt hätten, den Ballon zu zerstören.

    Im Jet-Stream, dem globalen Starkwindband, das sie in der Hauptsache um die Erde trug, waren die verschiedenen Luftströmungen mitunter so fein geschichtet, dass sich der Ballon - mit 55 Metern Höhe größer als der Pariser Arc de Triomphe - unter den wechselnden Winden bog wie eine Banane.
    "Ein außenstehender Beobachter hätte sich über unseren anfänglichen Kurs vermutlich gewundert: Anstatt uns in Richtung Osten starten zu lassen, schickten sie uns nach Südwesten, hinunter zum Mittelmeer und dann weiter über Westafrika."

    Die Romantik reiste mit, in der Gestalt eines Buches, das einst Jules Verne von Guy de Maupassant geschenkt bekommen hatte:

    Verne war so stolz auf das Buch gewesen, dass er es in Leder binden und seine Initialen in Gold auf den Einband hatte drucken lassen.

    Die Anweisungen der Meteorologen im fernen Genf, mit denen die Flugpioniere via Satellitenfunk und Notebook verbunden waren, folgten einem feinen Kalkül:

    "Satellitenbilder hatten ihnen ein großes Tiefdruckgebiet über dem westlichen Mittelmeerraum angezeigt. Da die Luft um ein Tief stets gegen den Uhrzeiger strömt, wussten sie, dass der Ballon um den Rand des Tiefs herumgetrieben und danach Kurs auf Südwest, Süd, Südost und schließlich Ost nehmen würde. Dann würden die Winde uns aus dem Tief heraus und über die Sahara blasen."

    Über der Sahara verließen die Ballonfahrer ihre Druckkabine für Wartungsarbeiten und schwebten auf einer Plattform völlig lautlos in drei Kilometern Höhe über die Wüste.

    Am Ende bekam Bertrand Piccard Angstattacken. Ein Freund empfahl ihm über das Satellitentelefon, sich an einen sicheren Ort zu denken. Piccard wählte eine Erinnerung aus seiner Kindheit:

    "Immer wenn ich abends zu Bett gegangen war, flog eine Turboprop-Maschine über Lausanne. Das Geräusch der Motoren dröhnte beim Einschlafen beruhigend durch das Fenster. Jetzt benutzte ich das Brummen der Brenner, um mir das Geräusch des Flugzeugs vorzustellen, und fiel schnell in einen tiefen Schlaf."

    Schließlich landeten Piccard und Jones nach zahlreichen Gefahren und ganz unerwarteten Widrigkeiten in der Sahara, 80 Kilometer nördlich der Oase Dakhla. In den drei Wochen im Ballon hatten sie nicht weniger als sieben Luftfahrtweltrekorde aufgestellt.