Olympia-Bewerber
Korrespondent: "Indien ist bisher keine große Sportnation"

Indien will zur Industrienation werden. Die Strategie dafür sieht auch eine Austragung der Olympischen Spiele vor, deshalb will sich Indien für die Sommerspiele 2036 bewerben. Aber ist das Land überhaupt für das Großevent bereit?

Peter Hornung im Gespräch mit Marina Schweizer |
Blick auf indische Fans, sie jubeln und schwenken die indische Flagge.
Die Kricket-Begeisterung in Indien ist groß, ansonsten findet aber wenig Sportförderung statt. (IMAGO / ZUMA Wire / IMAGO / Dipa Chakraborty / Eyepix Group)
Die Bevölkerung sei voller Enthusiasmus, sagte Indiens Premierminister Modi, nachdem bekannt geworden war, dass sich Indien um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2036 bewerben möchte. ARD-Korrespondent in Indien Peter Hornung relativiert diese Aussage:
"Was da tatsächlich an Begeisterung geäußert wurde, das war so ein bisschen entlang der politischen Trendlinien: Das heißt, die regierenden Hindu-Nationalisten, die finden das gut, was Premiere Modi da angekündigt hat. Ansonsten so Richtung Opposition eher Skepsis.“
Thomas Bach (l.), Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), schüttelt Indiens Premierminister Narendra Modi die Hand im Rahmen der Session in Mumbai.
Indiens Premierminister Narendra Modi und IOC-Präsident Thomas Bach: Auch der Sport soll dabei helfen, Indien zur Industrienation zu machen. (picture alliance / dpa / Press Information Bureau - Gover)

Investitionen in Infrastruktur und Sportstätten notwendig

Ein großer Kritikpunkt seien die Kosten, die eine Olympia-Austragung mit sich bringe. In den Augen der Opposition wären die Milliarden im Schwellenland Indien in andere Bereiche besser investiert.
„Auf der einen Seite gibt es große Ambitionen und große Pläne", sagt Hornung im Deutschlandfunk-Interview. "Aber wenn man die mal mit der Realität Indiens im Jahr 2023 abgleicht, dann weiß man, dass das ein sehr, sehr weiter Weg ist, bei der Infrastruktur und auch bei den Sportstätten.“
Für Olympische Spiele in Indien müsste das Land viel investieren, in Straßen, in Hotels und auch in Stadien. In ganz Indien gebe es zum Beispiel kaum Leichtathletik-Stadien, berichtet Hornung.

G20-Gipfel in Delhi: Viel Show, wenig Nachhaltigkeit

Zuletzt hatte im September der G20-Gipfel in Delhi stattgefunden, ein großer diplomatischer Erfolg für Indien, hinter den Kulissen habe es dem Land aber weniger gebracht:
"Es war vor allem eine große Show, die das Land da geboten hat und die das Land eigentlich in eine große Kulissen verwandelt hat", erzählt Hornung vom G20-Gipfel.
In Delhi seien zum Beispiel Stellwände an Straßen aufgestellt worden, damit man die Slums dahinter nicht sieht. Außerdem wurden überall Pflanzentöpfe verteilt, die nach dem Gipfel entweder gestohlen oder nicht weitergepflegt wurden und vertrocknet sind.
„Da war vieles einfach überhaupt nicht nachhaltig und überhaupt nicht zum Wohl des Landes und das fürchten manche, wäre bei Olympischen Spielen auch so.“
Der G20-Gipfel, eine mögliche Olympia-Austragung, aber auch die gerade stattfindene Cricket-WM, als ein Großevent in zehn Stadien - Indien verfolgt ein Ziel: Das Land will in die Liga der Industrienationen aufsteigen.

Indien auf dem Weg zur Industrienation

Dem Ziel käme Indien zwar näher, aber der Weg dahin sei noch weit, schätzt ARD-Korrespondent Peter Hornung ein. Das Land sei noch sehr landwirtschaftlich geprägt und der Frauenanteil mit Berufstätigkeiten verhältnismäßig gering. Und auch die große Cricket-WM würde zwar ethusiastisch verfolgt und auch die Erfolge der indischen Mannschaft gefeiert, "aber trotzdem: Indien ist bisher keine große Sportnation."

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Bisher konnten kaum Medaillen bei Olympischen Spielen gewonnen werden. Es gebe nur Ausreißer durch individuelle Talente mit einer persönlichen Förderung, denn eine ausgebaute Sportförderung in Indien fehle, so Hornung:
„Der Sport hat in der indischen Gesellschaft einfach noch nicht diesen Stellenwert und da ist noch einiges entwicklungsfähig. Trotzdem muss man sagen: Die indische Bewerbung, würde ich sagen, ist ernst zu nehmen, aber es ist eben noch ein sehr, sehr langer Weg.“