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''Indigenous Australien Health''

In Australien werden Krankenschwestern und Krankenpfleger anders als bei uns an der Universität ausgebildet. Die Universität von Sydney bietet seit neustem einen Studiengang in Krankenpflege an, der ein Jahr länger dauert. Das hat etwas mit dem Anforderungs-Profil zu tun.

    Ein Beitrag von Michael Frantzen

    Jocalyn Lawler ist niemand, der sich so schnell abwimmeln lässt. Die Dekanin der Fakultät für Krankenpflege an der Universität von Sydney hat jahrelang die Werbetrommel gerührt für ihren neuen Studiengang: Krankenpflege speziell für Aborigines. Mit Erfolg: Vor einem Jahr gab die Universitäts-Leitung ihr O.K, Ende März ist das ’’Indigenous Australian Health Program" angelaufen. Wurde auch Zeit, meint Jocalyn Lawler.

    Den Aborigines geht es gesundheitlich viel schlechter als den Weißen im Land. Auch verglichen mit indigenen Gruppen in anderen Ländern schneidet Australien extrem schlecht ab. Kindersterblichkeit, Diabetes, Herzkrankheiten - überall das gleiche Bild. Das ist eine Schande. Wir können das nicht einfach so hinnehmen. Deshalb dieser Studiengang. Und man darf nicht vergessen: Im Gesundheitswesen sind Krankenschwestern die Berufsgruppe, die am meisten zu tun hat mit den indigenen Gemeinden - gerade in den abgelegenen Gegenden. Sie können vor Ort etwas bewegen.

    Bis weit in die 60er Jahre herrschte in vielen Gegenden Australiens noch Rassentrennung - auch in Krankenhäusern. Kath Howey kann sich noch gut daran erinnern. Und wie sie sich als Mädchen dafür geschämt hat eine Aborigine zu sein. Aber das ist lange her. Heutzutage hält die Frau mit dem kräftigen Händedruck Vorlesungen über die Geschichte der Aborigines. Und jetzt auch noch der Job als Koordinatorin des Indigenous Australiern Health Programs.

    Je mehr indigene Studierende sich einschreiben, desto wahrscheinlicher ist es, dass die dann zurückgehen in ihre Gemeinden und den weißen Ärzten und Krankenschwerstem dort sagen können: "Nein, so geht das nicht. Wir zeigen Euch, wie Ihr es anders machen könnt - damit es unseren Bedürfhissen und Regeln entspricht." Wenn die von uns ausgebildeten indigenen Krankenschwestern in den Gemeinden arbeiten, dann besprechen sie sich mit den Stammesältesten und den anderen Gemeindemitgliedern und alle zusammen entscheiden, welches Gesundheitsprogramm am besten passt.

    Auch wenn sich möglichst viele Aborigines für den Studiengang einschreiben sollen - eine Quote gibt es nicht. Kath Howey sieht das ganz nüchtern: Aborigines stellen gerade einmal zwei Prozent der Bevölkerung - zu wenig, um alle Stellen im indigenen Gesundheitswesen selbst zu besetzen. Und so sind die Hälfte der zehn Studierenden des ersten Jahrgangs Weisse.

    Eugenia Bigafigo ist eine von ihnen: 22 Jahre alt, gebürtige US-Amerikanerin, lebt seit elf Jahren in Australien. Auf Bigafigo warten Seminare und Vorlesungen in Medizin, Psychologie und Kunst als Therapie.

    Ich habe mir gedacht, der Studiengang ist doch Die Möglichkeit, mehr über Australien zu erfahren: Über seine Wurzeln und seine Ureinwohner. Außerdem wollte ich immer schon als Krankenschwester arbeiten - am liebsten irgendwo auf dem Land. Und da leben ja viele Aborigines, denen ich dann helfen kann.

    Fast zwei Jahre hat die Vorlaufphase für den Studiengang gedauert. Jocalyn Lawler hat in der seit viel mit indigenen Krankenschwestern und den Stammesältesten geredet. Im Vordergrund stand immer die Frage: Wie können wir sicherstellen, dass der Studiengang auch tatsächlich den Aborigine-Gemeinden zu gute kommt?

    Für uns ist das auch eine intellektuelle und akademische Herausforderung gewesen. Wir mit unserem westlichen Konzept von Wissen und Wissensvermittlung haben ganz andere Werte und Traditionen als die Aborigines. Bei den Aborigines gehört das Wissen der Gemeinschaft. Es gibt kein Copyright. Oder bezogen auf das Gesundheitswesen: Auch da gibt es Unterschiede. In einigen Fällen können Frauen keine älteren Männer behandeln. Also: Wir müssen da ganz neue Wege gehen und einfach vieles in Frage stellen, was wir ganz selbstverständlich finden. Autor

    In einem sind sich Jocalyn Lawler und Kath Howey einig: Wenn es nach ihnen ginge - dann würden bald andere Universitäten in Australien ihrem Beispiel folgen - und einen ähnlichen Studiengang einrichten.