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Indische Bildungsdelegation besucht die Uni Konstanz

Indien bildet inzwischen viermal so viel Ingenieure und Naturwissenschaftler aus wie die USA. Darauf wies der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Peter Gruss, jüngst hin. Gemeinsam mit einer Gruppe von Studierenden hat sich der indische Bildungsminister Kapil Sibal einen Eindruck vom deutschen Hochschulsystem gemacht. An der Reform-Universität Konstanz traf er sich dabei auch mit Bundesforschungsministerin Anette Schavan.

Von Thomas Wagner | 30.06.2008
    Joshoseep Bourwa stammt aus Assam im Norden Indiens. Seit zwei Jahren arbeitet er als Chemie-Doktorand an der Universität Konstanz - und erkennt dort große Unterschiede zu den Unis in seiner Heimat:

    "Also wenn wir über Unterschiede in der Chemiker-Ausbildung reden, dann fällt mir ein, wie hier, in Deutschland, die Praktika organisiert sind. In Deutschland haben wir viel häufiger als zuhause die Möglichkeit, zu experimentieren, praktische Erfahrungen zu sammeln. "

    " "Die Ausrüstung der Labors bei uns in Indien ist in manchen Instituten erheblich spärlicher als hier in Deutschland. Und wenn wir in Indien an den Hochschulen Chemikalien bestellen, dann dauert das eine halbe Ewigkeit. Hier geht das alles viel, viel schneller."

    Auch junge Inderin Boney Nedumkariyil studiert in Konstanz. Sie hat sich im Bachelor-Studiengang Informationswissenschaften eingeschrieben - und ist ebenfalls auf einen wichtigen Unterschied zum Hochschulbetrieb in Indien gestoßen:

    "Also bei uns sind die Vorlesungsräume ein bisschen leerer. Und dort ist es eher üblich, dass man sie auch besucht, die Vorlesungen. Da ist es dann schon ein wenig voller. Weil es eher Pflicht ist - und hier ist alles freiwillig."

    Einfach so von einer Vorlesung wegbleiben, sei in ihrer Heimat undenkbar, sagt die junge Studentin aus Indien, die einen Trend verkörpert: Zunehmend zieht es indische Studierende ins Ausland - mit einer bestimmten Zielrichtung:

    "Ich denke, Europa allgemein ja, weil es eine andere Welt ist. Man hat die Welt noch nicht gesehen. Ich habe es in Indien gemerkt, dass Europa einfach interessant ist, vom Lernen her. Viele wünschen sich das."

    Viele Inder gehen dabei an eine Hochschule nach England.

    "Deutschland ist halt von der Sprache her einfach ein wenig komplizierter. Aber es gibt Deutschkurse. Und viele haben damit angefangen und wollen hierher kommen. Es gibt schon viele."

    Dabei sollen deutsch-indische Hochschulpartnerschaften keine Einbahnstraßen sein. Beispiel: Die Uni Konstanz mit ihrem Exzellenzcluster "Kulturelle Grundlagen von Integration". Ein entsprechender Masterstudiengang, der dort eingerichtet wurde, sieht ein Pflichtsemester in einem Schwellenland vor; Indien ist dabei eine von mehreren Möglichkeiten. Neben Geistes- und Sozialwissenschaftler will Bundesbildungsministerin Annette Schavan zunehmend angehende Ingenieure und Naturwissenschaftler von einem Auslandssemester oder einem Praktikum in Indien überzeugen - vor dem Hintergrund der immensen Aufgabenfülle dort.

    "Ich würde ihn überzeugen, mit dem Hinweis auf ein hochinteressantes Schwellenland, mit riesigen Aufgaben, die wir hier uns kaum vorstellen können - mit Blick auf Armut, Menschen aus der Armut zu holen, Klimaschutz zu ermöglichen in einem Land, in dem jeder Bürger und jede Bürgerin Zugang zur Energie braucht, also im Vergleich zu manchem Problem, mit dem wir uns hier beschäftigen, sind das schon große Aufgaben."

    Dabei spielt auch die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung Indiens eine Rolle. Wer mit den Indern ins Geschäft kommen will, braucht Fachleute, die sich dort auskennen. Auch dies ist ein Motiv für die Förderung von Hochschulkontakten. Dass Indien zur Bewältigung all dieser Aufgaben in erster Linie auf gut ausgebildete Fachleute aus dem eigenen Land angewiesen ist, liegt auf der Hand. Die allerdings werden, beispielsweise aus der Informatik, auch in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern umworben. Kapil Sibal, indischer Minister für Wissenschaft und Technologie:

    "Da sehen wir überhaupt keine Gefahr. Schauen Sie: Wir haben jährlich etwa 400.000 Studierende in Indien, die sich alleine bei den Ingenieurwissenschaften immatrikulieren. Die Zahl der Studenten, die nach Deutschland kommen, beläuft sich auf ein paar Hundert. Selbst wenn die alle in Deutschland blieben, wäre das zahlenmäßig kein großer Nachteil. In Wirklichkeit ist es aber ein Vorteil. Denn die meisten kommen ja zurück: Damit kommt neues Wissen in unser Land."
    Von den indischen Studierenden und Doktoranden, die bei dem Treffen in Konstanz mit dabei sind, will kein einziger nach dem Abschluss dauerhaft in Deutschland bleiben. Warum auch? fragt sich beispielsweise die angehende Informationswissenschaftlerin Boney Nedumkariyil:

    "Also man bewirbt sich eben bei solchen Orten eher, bei den indischen Firmen halt. Also ich weiß, dass Informatiker dort auch sehr gut verdienen."

    Die Erfahrungen geben der jungen Inderin recht: Zum Auftakt des Green-Card-Projektes vor acht Jahren sollten 20.000 junge IT-Experten aus Asien nach Deutschland angeworben werden. Doch nur ein Bruchteil dieser Stellen konnte auch tatsächlich besetzt werden.