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Indischer Ursprung der Lepra?

Archäologie. - Die Lepra, auch Aussatz genannt, ist eine uralte Begleiterin der Menschheit. Wann und wo sie zum ersten Mal den Weg des Menschen kreuzte, ist allerdings umstritten. Eine US-Forscherin hat in Indien ein 4000 Jahre altes Skelett gefunden, das sich als frühester Lepra-Erkrankter der Weltgeschichte herausstellen könnte.

Von Michael Stang |
    Obschon Gwen Robbins von der Appalachian State University in North Carolina das Skelett in Indien bereits im Jahr 2001 untersuchte, konnte sie die Daten erst jetzt publizieren. Andere Forschungsprojekte und ihre Dissertation hatten Vorrang. Die heute 36 Jahre alte Anthropologin vermutete jedoch schon damals, dass es sich bei dem 4000 Jahre altem Fund um den ältesten Nachweis einer Lepraerkrankung handelt könnte. Inzwischen wurde das Genom des Erregers Mycobacterium leprae entziffert und ein Streit um den Ursprung der Lepra entbrannte. Der neue Fund – das Skelett eines erwachsenen Mannes – stammt aus der Siedlung Balathalim im heutigen indischen Bundesstaats Rajastan. Die bisher ältesten belegten Leprafälle datieren aus den Jahren 300 bis 400 vor Christus und stammen aus Ägypten und Thailand. Ältere Hinweise auf die Erkrankung - bis ins Jahr 1500 vor Christus - lieferten nur schriftliche Hinterlassenschaften. Skelettfunde aus dieser frühen Zeit gab es bislang nicht. Das nun im Fachblatt PLoS vorgestellte Skelett ist noch einmal 500 Jahre älter und zeigt lepratypische Merkmale: Deformationen des Skeletts, Anzeichen für eine Gelenkstarre und eingefallene Nasenscheidewände. Bislang gelang der Nachweis allerdings nur mit archäologischen Methoden, räumt Gwen Robbins ein.

    "Der Schädel ist sehr gut erhalten. Daher bin ich optimistisch, dass wir bald im Bereich der Nase oder im Mundraum noch intakte DNA des Erregers finden können, dort siedeln sich die Mykobakterien am stärksten an. Man braucht zum Glück für die Analyse auch nicht das vollständige Genom des Lepraerregers."

    Einige gut erhaltene Fragmente des Erbguts reichen aus, um den Erreger und seinen Stamm nachzuweisen. Damit könnte es möglich sein, den geografischen Ursprung der Krankheit zu ermitteln. Robbins:

    "Wenn wir tatsächlich brauchbare DNA in dem Skelett finden, dann können wir hoffentlich endlich die Frage beantworten, ob sich die Lepra in Afrika oder in Asien entwickelt hat. Dabei lässt sich vielleicht auch klären, wann sich der Erreger entwickelt hat."

    Gwen Robbins vermutet, dass der Lepraerreger schon vor mehr als 5000 Jahren in Indien existierte. Wann er sich tatsächlich entwickelt habe, sei nicht vorrangig. Wichtig sei vor allem, wo die Lepra entstand und auf welchen Wegen sie Hunderte oder Tausende Jahre später ihren Siegeszug angetreten habe. Daher schließt sie auch nicht aus, dass die Krankheit ihren Ursprung durchaus in Indien haben könnte und nicht im ostasiatischen Raum oder in Ägypten.

    "It is possible."

    Autor 4: Es sei möglich, aber der Beweis fehlt bislang. Es sei aber anzunehmen, dass die zunehmende Urbanisierung der Indus-Kultur vor 4000 Jahren mit ihren Handelsnetzwerken der entscheidende Faktor bei Ausbreitung der Krankheit war. Denn nur wo viele Menschen auf engem Raum leben, kann sich die Krankheit effektiv ausbreiten. Die ersten indischen Großstädte könnten auch die Quelle der Lepra in Europa gewesen sein, vermutet Gwen Robbins.

    "Mithilfe der Genetik hoffen wir dann auch klären zu können, ob sich die Lepra tatsächlich in Asien entwickelt hat und mithilfe der Armee Alexander des Großen nach Europa gelangen konnte."

    Um dies endgültig zu klären, will sie nach weiteren Fällen forschen – rund 100 Skelette mit möglichen Lepraanzeichen in Indien stehen zur Untersuchung bereit. Dass es bei einem einzigen historischen Krankheitsfall in Indien bleibt, sei unwahrscheinlich – dazu hat Lepra zu viele Spuren hinterlassen.