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Industrie 4.0
Produktionsanlagen effizienter durch neue Funktechnik

Unverzögerte Kommunikation – das verspricht eine neue Funktechnik für Fabrikanlagen, die an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Lemgo entwickelt wurde. Sie verbessert die Produktivität industrieller Maschinen bestenfalls um das Zehnfache. Bis zur Marktreife muss die Technologie allerdings noch optimiert werden.

Von Simon Schomäcker | 29.01.2019
    Ein Industrieroberter-Arm in einer Produktionsstätte
    Eine hohe Reaktionszeit in der Maschinenkommunikation führt zu weniger Produktivität (imago/Panthermedia)
    Die SmartFactoryOWL ist eine moderne Halle mit viel Holz und Glas. Die Forschungseinrichtung gehört zur Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Lemgo. Ziel der hier arbeitenden Experten und Studierenden ist es, effiziente Produktionsanlagen zu entwickeln. Martin Ehlich, Innovationsexperte bei einem regionalen Antriebsspezialisten, steht vor einer etwa zehn Meter langen Zahnschiene. Darauf können elektrische Schlitten, sogenannte Transmodule, fahren. Sie transportieren zum Beispiel Pralinenschachteln in einer Fabrikhalle von einer Befüllstation zur nächsten. Das funktioniert mit dem Schlitten sehr viel schneller als auf einem Förderband:
    "Und wenn das fertig verpackt ist, könnte er separat losfahren, ohne dass das ganze Band laufen muss. Und die nächste Einheit könnte eben wieder ranfahren – und wäre zu neuen Verpackungsaktivitäten wieder bereit."
    Kommunikation per Funk auch in Echtzeit
    Bis zu 32 Transmodule kann eine große Anlage enthalten. Damit alles flexibel läuft, kommunizieren die Maschinenteile per Funk. Diese Technik hat allerdings hohe Latenzzeiten, also Reaktionszeiten:
    "Dass die neue Position, wo das Transmodul hinfahren soll, ungefähr alle 15 Millisekunden übertragen wird - das ist in der Automatisierungstechnik schon eine sehr lange Zeit."
    Die Maschinenbau-Experten wollten deshalb einen Funkstandard entwickeln, der alle Daten in Echtzeit überträgt – und somit den Durchsatz der Maschine erhöhen kann. Solch eine Technik ging nach drei Jahren aus dem Gemeinschaftsprojekt HiFlecs hervor. Anfangen mussten die Forscher bei der Größe der übertragenen Datenpakete, erklärt Prof. Dr. Uwe Meier von der Hochschule Ostwestfalen-Lippe:
    "Die haben so 64 Byte ungefähr. Ist also sehr klein im Vergleich zu anderen Anwendungen wie Mobilfunk oder irgendwelche Internet-Applikationen. Dort sind mehrere tausend Byte in einem Datenpaket."
    Viele kleine Datenpakete verlängern zwar den Einschaltprozess der Anlage, weil sehr viel mehr Daten hintereinander übertragen werden müssen. Sobald alles betriebsbereit ist, reagiert aber die Funktechnik in Echtzeit. Außerdem wurde eine intelligente Überwachung hinzugefügt. Sie basiert auf künstlichen neuronalen Netzen, die darauf trainiert sind, störende Funksignale zu erkennen und zu eliminieren:
    "Die Anlage hört in ihre Umgebung rein, ist sich also bewusst darüber, was noch alles in der Luft ist. Und dieses Koexistenzmanagement sorgt dafür, dass es keine Konflikte gibt. Diese Transportschlitten, die kommunizieren einzeln mit der übergeordneten Steuerung. Das ist dadurch möglich, dass die übergeordnete Steuerung die einzelnen Transportmodule immer direkt anspricht."
    Auch Bearbeitungsroboter sollen per Echtzeit-Funk gesteuert werden
    An der Versuchsanlage in Lemgo konnte das Expertenteam zeigen, dass die latenzarme Funktechnik den Durchsatz der Maschine im besten Fall um das Zehnfache erhöhen kann. Als nächstes sollen dafür auch die Bearbeitungsstationen per Funk entsprechend koordiniert werden. Das könnte ein Roboter-Greifarm sein, wie er auch an der Anlage in Lemgo steht:
    "Und der Roboter würde auf dem Modul jetzt irgendwas drauflegen, was verpacken oder was entnehmen und auf eine andere Seite sortieren."
    Eine Kameraüberwachung stellt dabei sicher, dass der richtige Inhalt in den Verpackungen landet. Im Versuchsaufbau ist das ein Kunststoff-Chip mit Pfeilaufdruck. Ein Probelauf zeigt: An der Kamera gilt es noch die Bildverarbeitung zu beschleunigen:
    "Die soll jetzt eigentlich erkennen, wo dieser Pfeil liegt. Und im Moment ist es noch so, dass die tatsächlich ein bisschen langsamer ist als die Zykluszeiten, die wir hier jetzt intern fahren. Und deshalb findet er auch nicht immer den Chip an der richtigen Stelle."
    Ein weiterer Schritt zur Marktreife ist außerdem, die Funktechnik in den Transmodulen – also den Elektroschlitten - so weit zu miniaturisieren, dass sie in deren Gehäuse passt. Momentan liegt die Elektronik noch in einem Kästchen oben drauf. Da aber mehrere Maschinenhersteller an HiFlecs beteiligt sind, könnte es sein, dass in den ersten Fabrikhallen bald latenzarme, funkgesteuerte Verpackungsmaschinen laufen.