Arndt Reuning: Herr Professor Lempert, wie steht es denn um die Umsetzung dieser Forderung?
Thomas Lempert: In den zwei Jahren seit unserer ersten Präsentation unserer Forderungen ist viel passiert. Es ist ein Prozess in Gang gekommen, wo ganz unterschiedlichen Mitglieder der DGN, auch der Vorstand der DGN über diese Fragen nachgedacht hat, diskutiert hat, E-Mails ausgetauscht hat und am Ende auch einen Ausschuss eingesetzt hat, um zu überlegen, wie man mit wirtschaftlichen Konflikte angemessen umgehen kann. Und da zeichnen sich doch erhebliche Veränderungen ab, wie wir sie in anderen Fachgebieten, die viel mit der pharmazeutischen Industrie zu tun haben und von dort finanziert werden, bisher noch nicht haben. Und deshalb bin ich da auch ganz optimistisch.
Finanzielle Bindungen können nur langfristig gekappt werden
Reuning: Haben sich diese Veränderungen den schon niedergeschlagen bei der Durchführung Ihrer diesjährigen Jahrestagung?
Lempert: Das Erste, was man spürt, ist ein Kulturwandel, dass die Dinge nicht verdruckst verschwiegen werden, sondern dass man das offen anspricht. Viele von uns sind einfach mit der Erfahrung groß geworden, dass vieles durch die Industrie finanziert wird, Kongressreisen, Teilnahmegebühren. Und man muss sich erst langsam an den Gedanken gewöhnt werden, dass Ärzte wie andere Berufsgruppen auch ihre Fortbildung selber finanzieren können.
Reuning: Hat sich denn ganz konkret an der Finanzierung der Jahrestagung etwas geändert?
Lempert: Na, es hat sich sicher noch nicht ganz konkret geändert, weil Kongresse natürlich auch langfristig geplant werden müssen, da werden auf Jahre vorweg Kongresszentren reserviert. Insofern kann man nicht die Finanzierungsbasis kurzfristig umkrempeln. Wir rechnen mit Übergangsfristen, wir denken aber, am Ende müssen wir es ohne die pharmazeutische Industrie hinbekommen, weil wir sie inhaltlich gar nicht brauchen und weil wir keine schlecht verdienende Berufsgruppe sind, die mit Mann und Maus untergeht, bloß weil sie selber ihren Jahreskongress finanzieren muss. Aber der hat ein großes Volumen, da geht es um mehrere Millionen Euro, das kann man nicht kurzfristig ganz umkanalisieren.
Reuning: Solch eine Veranstaltung dient ja auch der Fortbildung. Und ich kann mir auch vorstellen, dass nicht alle DGN-Mitglieder ihre Position teilen. Schließlich bietet das Geld der Pharmafirmen ja eben die Möglichkeit die Fortbildung ihrer Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen, zu intensivieren.
Unterstützung hat ihren Preis
Lempert: Ja, aber das hat natürlich seinen Preis. Die Pharmafirmen sind ja keine charity Organisationen, das ist ja keine Spende, sondern damit wird ein Zweck verfolgt, nämlich den Umsatz der eigenen Medikamente voranzubringen. Das ist zunächst mal ein legitimer Zweck, man muss sich klarmachen, dass das aus dem Marketing-Etat dieser Firmen kommt und eben nicht eine Spende ist. Und der Preis, den wir zahlen, ist, dass eine Unsicherheit besteht, dass die Ergebnisse, die wir präsentiert bekommen, in pharmagesponserten Fortbildungen, tatsächlich unabhängig sind, oder ob da eine Schlagseite sich einschleicht. Es werden hervorragende Vorträge gehalten, auch auf pharmagesponserten Vorträgen, aber man kann sich nie ganz sicher sein, ob nicht doch hier das Firmeninteresse berücksichtigt wird. Kein Redner wird am Ende die Interessen der Firma außer Acht gelassen. Am Ende wird immer die Marketingbotschaft des Sponsors durchkommen, dafür tragen die Sorge.
Reuning: Glauben Sie denn, dass eine vollkommene Unabhängigkeit von den Geldern der Pharmaindustrie überhaupt möglich ist?
Lempert: Ja, ich glaube, dass das gut möglich ist. Weil, wir arbeiten im Krankenhaus mit anderen Berufsgruppen zusammen, mit Krankengymnasten und Logopäden, die verdienen viel weniger als wir und die schaffen es auch, ihre Fortbildung aus eigener Tasche zu finanzieren.