Samstag, 27. April 2024

2,5 Prozent
Inflation in Deutschland auf tiefstem Stand seit Mitte 2021 – so schätzen Experten die Lage ein

Die Inflation in Deutschland ist auf den tiefsten Stand seit mehr als zweieinhalb Jahren gesunken. Die Verbraucherpreise stiegen im Februar lediglich um 2,5 Prozent zum Vorjahresmonat, so die Schätzung des Statistischen Bundesamts. Wie geht es mit Preisentwicklung und Zinsen nun weiter?

29.02.2024
    Das Gebäude der Europäische Zentralbank und dem Symbol des Euro davor in Frankfurt am Main.
    Die Inflation geht weiter zurück - wann wird die Europäische Zentralbank die Zinsen senken? (Archivbild) (imago / Jan Huebner)
    Vor allem Energie sei trotz wegfallender staatlicher Preisbremsen sowie der Anhebung des CO₂-Preises billiger gewesen als ein Jahr zuvor, hieß es. Die Teuerung bei Nahrungsmitteln schwächte sich laut Statistischem Bundesamt mit 0,9 % zum Vorjahresmonat erneut deutlich ab und lag erstmals seit November 2021 unterhalb der allgemeinen Preissteigerungsrate.
    Allerdings lag die sogenannte Kerninflation im Februar voraussichtlich bei 3,4 Prozent. Hier werden die schwankungsreichen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak herausgerechnet. Der Wert gilt daher als verlässlichere Messgröße für die Inflationstrends und die Einschätzung der Lage durch die Währungshüter.

    "Die letzte Meile im Kampf gegen die Inflation ist die schwierigste"

    Volkswirte rechnen nun mit einem weiteren Rückgang der Teuerungsrate im Laufe des Jahres, das Tempo könnte allerdings nachlassen. Der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Dullien, geht davon aus, dass sich im Jahresverlauf die Inflation dem Ziel der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent annähern dürfte. Für das Gesamtjahr rechnet das IMK im Schnitt mit maximal 2,5 Prozent Inflation. Deshalb und wegen der anhaltend schwachen Konjunktur müsse die EZB nun schnell die Zinsen senken, sagte Dullien.
    Anders sieht das der Chefvolkswirt der Commerzbank, Krämer. Die "letzte Meile" im Kampf gegen die Inflation sei die schwierigste. Die Zeit sei daher noch nicht reif für Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank. Die Inflationsrate sei zwar weiter gesunken, sagte Krämer. Aber ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel gehe sie kaum noch zurück, obwohl sie deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der EZB liege.
    Viel komme jetzt auch auf die Lohnentwicklung an, sagte Deutschlandfunk-Wirtschaftsredakteur Klemens Kindermann in unserem Programm. Es gebe Gewerkschaftsforderungen, die auf deutliche Steigerungen abzielten. Hinzu kommen Kindermann zufolge zahlreiche geopolitische Unsicherheiten, die auch Bundesbank-Präsident Nagel benannt habe.

    Bundesbankchef Nagel warnt vor verfrühter Zinssenkung

    Nagel hatte vor einer zu schnellen Zinssenkung im Euro-Raum gewarnt. "In früheren Zinszyklen war Abwarten stets der bessere Ansatz, als zu früh zu reagieren", sagte der Bundesbank-Präsident der Nachrichtenagentur Reuters am Rande des G20-Treffens im brasilianischen Sao Paulo. "Es wäre fatal, wenn wir zu früh Zinsen senken und dann kommt die Inflation nochmal zurück", ergänzte Nagel. Er zeigte sich aber zuversichtlich, "dass das Inflationsthema bis 2025 erledigt ist".

    Nächste EZB-Zinsentscheidung am 7. März

    Die Euro-Währungshüter hatten seit Sommer 2022 mit zehn Zinserhöhungen in Folge auf die deutlich gestiegene Inflation reagiert. Die EZB strebt eine Inflationsrate von 2,0 Prozent an. Im Januar lag sie im Euroraum bei 2,8 Prozent und in der EU bei 3,1, während es regional stark unterschiedliche Ausprägungen gibt. Länder wie Dänemark, Italien, Lettland, Litauen und Finnland kamen zuletzt auf Werte knapp unter oder über 1 Prozent. Die Lage in anderen EU-Staaten sieht dagegen weniger positiv aus - etwa in der Slowakei (4,4 %), in Polen (4,5 %), Kroatien (4,8 %), Estland (5,0 %) oder Rumänien (7,3 %).
    Höhere Zinsen verteuern Kredite, was normalerweise die Nachfrage bremst und hohen Inflationsraten entgegenwirken kann. Da steigende Kreditzinsen auch Investitionen verteuern und das ein bremsender Faktor für die ohnehin schwächelnde Wirtschaft ist, gab es zuletzt vermehrt Forderungen nach Zinssenkungen.
    Am 7. März berät die EZB in Frankfurt am Main erneut über den Leitzins. Die EZB habe nur einen Job, sagte der Chefvolkswirt der Bank ING, Brzeski, im Deutschlandfunk - und das sei Preisstabilität. Und die große Gefahr, die die EZB gerade sehe, sei, dass die Inflation doch noch einmal ansteigen könnte, während man die Zinsen schon senke. Die Europäische Zentralbank werde daher sehr vorsichtig sein, ergänzte Brzeski. Er rechne frühestens im Juni mit der Entscheidung für eine erste Zinssenkung.
    Diese Nachricht wurde am 29.02.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.