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Inflation nagt an den Einkommen der Deutschen

Trotz guter Konjunktur haben die deutschen Arbeitnehmer im dritten Quartal nur 0,6 Prozent mehr verdient als im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Steigende Preise machten den größten Teil der Verdienstzuwächse zunichte. Vor allem Lehrer und Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung mussten Verluste hinnehmen.

Von Sina Fröhndrich | 22.12.2011
    Durchschnittlich drei Prozent mehr haben die deutschen Arbeitnehmer im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdient. Eigentlich. Denn viele haben davon kaum etwas bemerkt – weil auch die Preise gestiegen sind. Vor allem Lehrer sowie Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung mussten Verluste hinnehmen. Ihr Lohnplus wurde durch die Inflationsrate von 2,5 Prozent aufgefressen. Insgesamt handelt es sich um den geringsten Anstieg der Reallöhne seit zwei Jahren. Enttäuschend für die Arbeitnehmer, aber notwendig sagt Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft:

    "Wie haben ja durch die Lohnzurückhaltung sehr viele neue Arbeitsplätze geschaffen. Wir haben uns eben von dem kranken Mann Europas, der wir einmal waren, was den Arbeitsmarkt angeht, hochgearbeitet auf zumindest europäisches Durchschnittsniveau vielleicht liegen wir sogar mittlerweile etwas besser. Das kam ja nicht von ungefähr. Das kam eben dadurch, weil das Ausland auch seine Wettbewerbsfähigkeit ein Stück weit verspielt hat durch hohe Steigerung der Lohnstückkosten."

    Vor allem im Dienstleistungsbereich sind die Lohnsteigerungen in den vergangenen Jahren eher gering ausgefallen. Dagegen konnten die Gewerkschaften etwa in der Industriebranche deutliche Lohnsteigerungen durchsetzen. Thorsten Schulten von der Hans-Böckler-Stiftung, die im Auftrag des DGB arbeitet, sagt aber: Selbst wenn höhere Löhne durchgesetzt worden sind, sie kamen nicht überall an.

    "Weil zum einen wir einen wachsenden Sektor haben, wo überhaupt gar keine Tarifverträge mehr abgeschlossen werden, das ist vor allem der große sich ausbreitende Niedriglohnsektor. Und er kommt auch deshalb zum Teil bei den Beschäftigten nicht an, weil Unternehmen Tarifsteigerungen zwar bezahlen müssen, diese aber durch betriebliche Abwalzungsmöglichkeiten nach unten, die die Tarifverträge zum Teil auch einräumen, wieder unterlaufen können."

    Tarifexperte Schulten rechnet auch für das kommende Jahr nicht damit, dass die Reallöhne steigen werden. Wenngleich er insgesamt höhere Löhne für sinnvoll hält. Denn dadurch könnte auch die Binnenkonjunktur angekurbelt werden:

    "Also es ist leider immer so, dass (wir) in Krisensituationen eigentlich zur Stabilisierung der Ökonomie höhere Löhne notwendig sind, gleichzeitig sie aber wegen der Angst vor Arbeitsplatzverlust auf Arbeitnehmerseite deutlich schwieriger durchzusetzen sind."

    Auch die Linkspartei fordert angesichts der jüngsten Zahlen höhere Löhne. Vor allem im öffentlichen Dienst müssten Bund und Länder mit gutem Beispiel vorangehen, so Sabine Zimmermann, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion. Den Beschäftigten müsste auch inflationsbereinigt ein ordentliches Lohnplus bleiben. Dagegen warnt Wirtschaftsexperte Schäfer:

    "Das wäre ganz offenkundig unvernünftig, mitten in einer sich abzeichnenden Krise, die auch noch so ein bisschen auf der Kippe steht, das heißt, wir wissen gar nicht, ob es in eine Rezession abgleitet, oder ob es vielleicht doch noch zu einer halbwegs brauchbaren Wachstumsrate kommt. Gerade in einer solchen Situation die Dinge noch weiter belasten, indem ich sehr hohe Lohnforderungen stelle, wäre sicherlich nicht sehr klug."

    Höhere Löhne, so Schäfer, hätten zur Folge, dass sich die Beschäftigungsentwicklung insgesamt verlangsame. Grundsätzlich rechnet er aber damit, dass die Löhne künftig steigen werden – durch die Demografie werden sich die Verhandlungspositionen der Arbeitnehmer verbessern.