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"Informatik ist eine merkwürdige Wissenschaft"

Drei Tage ist es jetzt alt - das Jahr der Informatik. Nach dem Einsteinjahr soll uns nun durch viele Veranstaltungen die Welt der Informatik näher gebracht werden. Wie man Computer oder Handys bedient, wissen die meisten. Doch die Wissenschaft, die sich hinter den Alltagsgeräten verbirgt, kennen die wenigsten. Matthias Jarke, Professor an der RWTH in Aachen und Präsident der Gesellschaft für Informatik, koordiniert das Wissenschafts-Themenjahr.

Von Kate Maleike | 03.01.2006
    Kate Maleike: Hallo, Herr Jarke!

    Matthias Jarke: Guten Tag, Frau Maleike!

    Maleike: Was ist denn das Ziel des Informatikjahres?

    Jarke: Ja, Sie sagten es eben schon. Informatik ist eine merkwürdige Wissenschaft. Fast überall in unserem Leben - in Handys, Autos, Haushaltsgeräten, aber natürlich auch in PC und Internet steckt sie drin. Aber kaum jemand sieht etwas davon, es sei denn, es geht etwas schief. Seit ungefähr 2000 ist die Zahl der Computerprozessoren größer als die Zahl der Menschen auf der Erde. Heute sind es schon dreimal so viele und sehr bald werden auf jeden Menschen Hunderte solcher Rechner kommen. Damit wird sich unsere Lebenswelt wieder radikal verändern, noch einmal. Und das Informatikjahr will die spannenden Innovationen und Chancen für Deutschland einer breiten Bevölkerung deutlich machen, aber auch ein Grundverständnis einiger der wichtigsten wissenschaftlichen Grundlagen anhand zahlreicher Beispiele aus Wirtschaft, Sport, Kultur vermitteln. Auch problematische Themen wie Sicherheitsfragen und die Entwicklung des IT-Standorts Deutschland in der globalisierten Welt sollen nicht ausgespart werden.

    Maleike: Was wollen Sie denn konkret planen, um das Interesse zu wecken bzw. eben ja, so eine Art Fehlerdiagnose dann zukünftig auf breitere Beine zu stellen?

    Jarke: Wir werden drei Hauptbereiche machen: Zum einen Großveranstaltungen wie die Auftaktveranstaltung in Berlin, die Roboter-Fußball-Weltmeisterschaft anlässlich der normalen Fußball-Weltmeisterschaft in Bremen im Mai, den Münchener Wissenschaftssommer im Juli und die Woche der Informatik in Dresden. Aber wir werden eben auch Regionalveranstaltungen in über 20 Städten machen, wo Industrie, Wissenschaft und Politik zusammen mit der Bevölkerung Informatik erlebbar machen. Der dritte, auch ganz wichtige Teil, werden meistens Internet gestützte Wettbewerbe sein, mit denen wir ganz verschiedene Alters- und Interessengruppen ansprechen und ihnen erlauben, einfach aktiv bei dem Wissenschaftsjahr mitzumachen. Und dort wollen wir eben dann die Informationen - zum Beispiel zu diesen Sicherheitsthemen, aber auch zu Innovationsthemen, oder zu Spaßthemen wie dem Roboter-Fußball - direkt für die Menschen erlebbar machen und sie aktiv einbinden.

    Maleike: Herr Jarke, Sie haben vorhin schon den IT-Standort Deutschland angesprochen. Auf welchen aktuellen Arbeitsmarkt trifft denn das Informatikjahr im Moment bei uns?

    Jarke: Der Arbeitsmarkt ist eigentlich, was ja eher selten ist, ganz erfreulich. Die IT-Branche hat ungefähr 140 Milliarden Umsatz und eine Dreiviertelmillion Arbeitsplätze. Der inländische Wertschöpfungsanteil, der ist ja für die Arbeitsplätze am wichtigsten, beträgt mittlerweile über vier Prozent der gesamten Volkswirtschaft. Und ist damit größer als im Maschinenbau oder der Automobil-Branche, obwohl in denen natürlich auch viel Informatik drin ist. Und vor allen Dingen wird erwartet, und das war jetzt auch im vergangenen Jahr so, dass mehr als ein Drittel des erwarteten Wirtschaftswachstums aus der Informatik kommt, vor allen Dingen aus einem Anstieg im Software-Bereich.

    Maleike: Aber wir hatten doch auch Jahre, in denen wir ausgebildete Informatiker aus anderen Ländern holen mussten, weil wir es mit dem heimischen Personal nicht machen konnten?

    Jarke: Das ist richtig. Das war natürlich zum großen Teil während dieser so genannten "Internetblase" in ganz starkem Maße der Fall. Nachdem die dann zusammengebrochen ist, hat es ja erstmal in den Jahren 2002, auch noch 2003, einen gewissen Rückgang gegeben. Obwohl natürlich in bestimmten neuen Spezialgebieten immer noch ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigt werden. Das wird auch immer so bleiben. Informatik ist natürlich eine internationale Wissenschaft. Wir erwarten im Ganzen für das kommende Jahr jetzt einen Nettozuwachs von mehreren Tausend Arbeitsplätzen.

    Maleike: Das heißt also, Sie würden sagen, die Branche hat sich erholt und die Berufsaussichten sind verbessert?

    Jarke: Ja, auf alle Fälle. Und dann muss man natürlich, wenn wir jetzt Campus & Karriere nehmen, wo wir ja die Studenten als Zuhörerschaft auch ansprechen, muss man einfach sagen, dass natürlich von diesen vorhin genannten 750.000 Arbeitsplätzen bestenfalls fünf bis zehn Prozent mit Absolventen von Informatik-Studiengängen überhaupt besetzt werden. Das heißt, es gibt wirklich gute bis sehr gute Chancen für qualifizierte Absolventen, die sich während des Studiums, aber auch außerhalb eben ein bisschen engagiert haben.

    Jarke: Wir erleben einen unheimlich schnellen Wandel der Schwerpunkte in der Informatik. Und für das Studium scheint mir immer wichtig zu sein, dass es wenig Sinn macht, in dem Studium - vor allem am Anfang des Studiums - aktuellen Moden hinterherzulaufen, die am Ende schon wieder vorbei sind. Als Beispiel wieder - diese "Internetblase". Das heißt: eine solide Grundausbildung sichert die langfristige Anpassungsfähigkeit, auf der einen Seite. Und das war aber natürlich auch immer so eine Entschuldigung vieler Kollegen. Sozusagen, sich auf die mathematischen Grundlagen zu stürzen, hat vielleicht auch zum etwas problematischen Image der Informatik beigetragen. Aber man darf dieses Fach eben nicht passiv studieren, sondern muss sich vor allen Dingen sorgfältig das Anwendungsfach, was ja die meisten Hochschulen in starkem Maße anbieten, aussuchen. Muss das auch aktiv studieren und man muss dann eben auch während des Studiums die Chancen suchen, interdisziplinäre Teamkompetenz zu erwarten, das ist fast in allen Arbeitsbereichen sehr, sehr wichtig. Und möglichst auch etwas in Richtung Auslandserfahrungen, zumindest aber gute englische Sprachkenntnisse zu haben.

    Maleike: Es gab ja auch lange das Problem der Abbrecherquote. Sie haben das vorhin so subkutan erwähnt, dass ja viele Stellen eben nicht mit ausgebildeten Informatikern besetzt werden. Lange war es ja auch so, dass die Studierenden abgebrochen haben, weil entweder der Stoff zu schwer war oder die Angebote aus der Industrie zu verlockend. Ist das immer noch so?

    Jarke: Das ist zum Teil immer noch so. Gerade zu Beginn dieser "Internetblase" haben eben unglaublich hohe Anfängerzahlen die Hochschulen überschwemmt. Die Anfängerzahlen haben sich ja zum Teil innerhalb von ein, zwei Jahren verdreifacht, vervierfacht. Dort sind natürlich sehr hohe Abbrecherquoten. Es wird jetzt ja versucht, im Zuge der Umstellung auf Bachelor und Master dafür zu sorgen, dass eben zumindest den Bachelor-Abschluss doch eine erheblich größere Zahl von Menschen erreicht. Dazu sind natürlich erhebliche Umstellungen der Studiengänge notwendig und die sind ja auch überall im Gange in unterschiedlichem Stadium.

    Maleike: Haben wir genug Studieninteressenten?

    Jarke: Im Moment ist es so, dass die Anfängerzahlen sich zwar stabilisiert haben, aber noch nicht wieder ernsthaft angezogen haben. Das heißt, wir können voraussehen, dass es möglicherweise in ein paar Jahren doch dann schon wieder ein - so um 2009, 2010 rum - schon wieder einen deutlichen Fachkräftemangel geben wird. Und da müssen wir sicherlich noch einiges tun, also auch die Werbung für den Studiengang und vor allem für die wichtigen Kombinationsstudiengänge, die jetzt in die Ingenieur-Informatik, Auto-Informatik und so weiter hineingehen. Das wird auch einen Aufgabenbestandteil des Informatikjahres bilden.

    Maleike: Ein bisschen Werbung haben wir ja jetzt hiermit auch gemacht. Danke schön, Herr Jarke, für das Gespräch und viel Erfolg für Ihre Zeit als Koordinator des Informatikjahres 2006. Natürlich gibt es hierzu, das muss man sagen, auch eine extra Homepage, die eingerichtet worden ist mit vielen Informationen auch zu den geplanten Veranstaltungen.

    Die Adresse lautet: Das Informatikjahr - Wissenschaftsjahr 2006