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"Infrarotbrille" zieht Bilder aus

Technik. - Wenn Rubens und Rembrandt, Dürer und Cranach gezeichnet und gemalt haben, gab es immer mehrere Entwürfe. Diese Entwürfe trugen sie je nach Material mit Metallstiften oder Kohle auf: Die Kunst unter der Kunst nennen Fachleute diese heute für das menschliche Auge unsichtbaren Skizzen. Sie sichtbar zu machen ist mit Infrarot- und Röntgenkameras möglich, allerdings stößt diese Technik mittlerweile an ihre Grenzen. Neue Kameras aus der Militärtechnik könnten aber Restauratoren und Kunsthistorikern noch tieferen Einblick in das Können der alten Meister gewähren.

Von Mirko Smiljanic |
    Infrarotstrahlung ist Teil der optischen Strahlung und damit Teil des elektromagnetischen Spektrums. Sie schließt sich in Richtung der längeren Wellenlängen an das sichtbare Licht an und umfasst den Bereich von 780 Nanometer bis 1 Millimeter. Infrarotstrahlung dringt nun - anders als sichtbares Licht - zumindest teilweise in die Oberfläche unterschiedlicher Materialien ein. Und damit ist sie für Restaurierungswissenschaftler interessant: Sie schicken Infrarotstrahlen auf ein Gemälde, der Strahl dringt ein paar Zehntel Millimeter in die Farbe ein, wird reflektiert und anschließend von einem Sensor aufgefangen. Die reflektierte Infrarotstrahlung zeigt nun, wie es unter der Oberfläche des Bildes aussieht. Die Qualität der Abbildung hängt dabei von der verwendeten Wellenlänge ab.

    Die Fotografie ging bis 900 Nanometer in diesem Bereich, die CCD-Kameras gehen bis 1100, 1200 Nanometer Empfindlichkeit, die Hamamatsu und die alten Röhrenkameras gingen immerhin bis 2000 Nanometer. Und die neueste Technik, das sind Kameras, die Detektoren haben, die bis 5000 oder mehr Nanometer noch registrierfähig sind, dann allerdings nur noch bedingt für uns einsetzbar wären, weil wir ja keine Thermobilder haben wollen und wir brauchen ja auch keine Nachtsichtgeräte wie im Militärwesen. Daher begrenzen wir das durch Filter oder spezielle Objektive.

    Professor Ingo Sandner vom Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft an der Fachhochschule Köln. Die neuen Kameratypen sind Hightech-Systeme für den militärischen Einsatz: Nachtsichtgeräte für Soldaten und Panzerfahrzeuge, die selbst bei völliger Dunkelheit Wärmequellen detektieren. Dafür nutzen sie unter anderem Indium-Gallium-Arsenid-Sensoren, kleine Chips, die auch langwellige Infrarotstrahlen detektieren. Sie haben für Restaurierungswissenschaftler diesen Vorteil:

    Die langwelligere Strahlung hat ein besseres Eindringverhalten, so dass wir, wenn wir noch nahe dem sichtbaren Licht sind, viel mehr störende Einflüsse vom Oberflächenbild haben, weil wir der sichtbaren Strahlung noch näher sind. Also wenn wir den Bereich bis 2500 Nanometer nutzen, können wir die Farbschichten durchdringen und die Entwurfszeichnungen sehr gut sichtbar machen, ohne dass die Oberfläche stört.

    Die Kamera kann mit steigender Wellenlänge innerhalb einer nur wenige Zehntel Millimeter dünnen Farbschicht einzelne Ebenen immer präziser darstellen. Bei 2500 Nanometer ist für die Kölner Wissenschaftler aber aus einem ganz praktischen Grund Schluss.

    Kameras erwärmen sich ja praktisch selbst und sehen sich dann selbst, wenn man sie nicht kühlt. Das ist das Problem bei ungekühlten Röhrenkameras zum Beispiel, dass nach und nach das Bild flauer wird, weil die Wärmeabgabe mit registriert wird.

    Ein Problem, mit dem auch Platin-Silicid-Sensoren kämpfen: Sie müssen massiv gekühlt werden. Besonders empfindliche Kameras intern auf minus 200 Grad Celsius, früher häufig mit flüssigem Stickstoff, heute in aller Regel durch elektrische Miniatur-Kühlmaschinen, ähnlich denen einer Tiefkühltruhe.

    Diese neueren Kameratypen haben natürlich auch eine höhere Auflösung, wir bekommen höhere Bildschärfen, wir brauchen weniger Einzelschritte, um Bilder in einer hohen Auflösung zu erzeugen - also es gibt eine Menge Vorteile, und es gibt natürlich auch schon Kameras mit sehr hoher Auflösung, mit zehn Millionen Pixel etwa.

    Solche Spezialgeräte sind mit 100.000 Euro allerdings sehr teuer. In Deutschland arbeitet ein Münchner Restaurierungs-Institut mit einer solchen Kamera, andere Institute wollen sich das Hightech-Gerät teilen. Das Ende der technischen Entwicklung sind diese Systeme allerdings nicht. Vielleicht - sinniert Ingo Sandner - geht es ja zukünftig noch besser und billiger.

    Es gibt natürlich Strahlenbereiche, wo man überlegt, ob man sie nicht für uns nutzen könnte. Also beispielsweise aus der ganzen Überwachungstechnik, an Flughäfen, wo man ja herausfinden will, ob jemand ein Messer bei sich trägt oder irgendwelche gefährlichen Gegenstände, ich glaube, da gibt es in Zukunft eine Reihe von Möglichkeiten, die jetzt erst angedacht sind.