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Ingenieure gesucht

Mehr als 20.000 Ingenieursstellen in Deutschland sind derzeit unbesetzt. Der Mangel ist auch Thema auf der Hannover-Messe, denn fehlende Fachleute könnten den Aufschwung bei Exportweltmeister Deutschland empfindlich bremsen.

Von Wolfgang Noelke |
    Die vor sieben Jahren vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder initiierte "Greencard "ist heute kein Thema mehr, seitdem selbst hochqualifizierte ausländische Spitzenkräfte mindestens 85.000 Euro Verdienst nachweisen müssen, um sich in Deutschland niederzulassen. Die damals gewünschten indischen Computerspezialisten blieben zuhause und arbeiten inzwischen weltweit vernetzt oder sie wurden im benachbarten Ausland willkommen geheißen. Der internationale Wettbewerb verschärfe sich, sagte VDI-Präsident Willi Fuchs auf dem Wirtschaftsforum in Hannover:

    " Wir müssen uns überhaupt nichts vormachen: Ganz Europa sucht die Spitzenkräfte! Wir sind da nicht alleine! Und die Amerikaner machen uns das vor! "

    Wenigstens für hoch qualifizierte Spitzenkräfte sei es leichter, in den USA Fuß zu fassen, als in Deutschland, wo mittlerweile mehr als 22.000 Arbeitsplätze für Ingenieure nicht besetzt seien:

    " Wenn dieses Land jemanden haben will, dann setzt sie auch alles daran, ihn zu bekommen! Und da müssen wir in Deutschland noch ein bisschen dran arbeiten, denn ich glaube wir vermischen die Einwanderung durch Spitzenkräfte mit der Einwanderung, die als solches in Deutschland stattfindet. Und wir müssen auch mal lernen, zu differenzieren: wir können erstens nicht hoffen, dass unser Problem durch Ausländer gelöst wird, sondern wir müssen es selber lösen, weil es wirklich überall ein Problem ist und dann möchte ich noch mal eine Lanze dafür brechen, dass wir uns nicht zu fein sein dürfen, auf dem internationalen Parkett ein Marketing für unseren Standort zu machen. "

    Womit man sich in Deutschland etwas schwer täte, angesichts der starken Regulierung fast aller Lebensbereiche, sagt Professor Reinhard Hüttl, Vizepräsident von acatech, der künftigen Nationalen Akademie der Wissenschaften. Auch deutsche Hochschulabsolventen kehrten Deutschland gern den Rücken, weil sie im Ausland vor allem schätzten, so Hüttl:

    " Freiere Rahmenbedingungen, zum Teil noch bessere Gehalts-Möglichkeiten. Die sind zum Teil auch eher kurz- bis mittelfristiger Natur. Längerfristig sieht man dann natürlich wieder die Vorteile des geordneten Deutschlands. Das muss man schon dazu sagen! Nur: Ordnungsrahmenbedingungen sind das eine, Freiheits-Entwicklungschancen sind das andere. Und das Ideal zu verknüpfen, da haben wir noch erhebliches Optimierungspotenzial. "

    In Deutschland selbst müsse also etwas getan werden. Es reiche nicht aus, die in Deutschland fehlenden Absolventen technischer Berufe, durch ausländische Studenten ersetzen zu wollen. Denn bei ausländischen Studenten sei der Standort Deutschland oft nur zweite Wahl und von daher würden auch nur zweitklassige Studenten hier her kommen, so jedenfalls Hans Nussbaum, ein mittelständischer Unternehmer, der mit einigen Professoren der Meinung ist,

    " dass die ausländischen Studenten, die wir heute haben, dass sie absolut nicht zu den Eliten gehören. Das heißt: wir vergeuden hier eigentlich Ausbildungsplätze und das Ziel, das vor 30 Jahren die ausländische Studenten, als sie hier studierten hatten, nämlich nachher auch wieder Botschafter für die deutsche Wirtschaft zu werden, um letztlich dann auch uns als deutsche Wirtschaft in diesen Ländern zu unterstützen, das wird dadurch überhaupt nicht erreicht. Ich glaube wir haben ein ganz großes Problem für unsere Wettbewerbsfähigkeit. "

    Ein anderer mittelständischer Unternehmer, Bernhard Oswalt vertraut gar nicht auf Politik und Wirtschaft. Fehlende Ingenieure, so der Elektromotoren-Hersteller seien in seinem Unternehmen unbekannt:

    " Nein, wir haben das Problem nicht. Wir arbeiten mit Hochschulen in unserer unmittelbaren Nähe zusammen. Bei uns liegt die Fachhochschule Aschaffenburg in unserer unmittelbaren Nähe aber wir haben auch Verbindungen zu der TH Darmstadt und zu anderen Hochschulen, Stuttgart beispielsweise. Dort bekommen wir unsere Ingenieure her. Die Fachhochschule in Aschaffenburg, aber auch andere Hochschulen haben Linearmotoren von uns bekommen und können damit ihre Studenten ausbilden und können damit auch Diplomarbeiten machen. Und wenn man diesen Kontakt hat, hat man auch leichter die Möglichkeit, Leute zu bekommen. "

    Doch die besten Kontakte nützen nichts, wenn es zu wenig Absolventen gibt. Nach Auskunft des VDI könnte man derzeit 90 000 Ingenieursarbeitsplätze sofort besetzen. Dafür gebe es in Deutschland derzeit jedoch nur 60 000 Nachwuchskräfte.

    Deutschland sei im Wettbewerb, deshalb müsse die bestehende Mindesteinkommengrenze für ausländische Arbeitnehmer dringend gesenkt werden.

    Besonders hinderlich sei dabei der bildungspolitische Föderalismus. Bildungspolitik dürfe nicht Länder- sondern müsse Bundessache sein. Vielleicht ein Thema auf der von Bundesministerin Schavan für den Herbst geplanten nationale Qualifizierungsoffensive, zu dem sie heute Bundes- und Länderinitiativen, Stiftungen und alle Kultusministerien eingeladen hat?!