2010 hatten Ulrich Schnauss und Mark Peters zusammen einen Song für die bizarre Sexkomödie "Kaboom" von Regisseur Gregg Araki geschrieben. Daraus folgte die Idee, ein ganzes Album gemeinsam aufzunehmen. Dafür trafen sich die beiden Mitglieder der Band Engineers nachts zu stundenlangen Jams mit Gitarre und Klavier. Diese Sessions schnitt Ulrich Schnauss mit, wählte die besten Passagen aus und entwickelte daraus die zehn Tracks von "Underrated Silence".
"Ich bin alles andere als ein begnadeter Pianist. Und Mark würde von sich auch behaupten, nicht der technische beste Gitarrist zu sein. Insofern geht es uns immer eher darum, bestimmte Atmosphären, bestimmte Farben einzufangen."
Elektrotüftler Ulrich Schnauss ist auf "Underrated Silence" erstmals an einem herkömmlichen Klavier zu hören. Die für ihn typischen ineinander verschlungenen Synthesizerflächen und die sanften Sequenzerläufe hat der glühende Verehrer der Krautrockpioniere Tangerine Dream erst später hinzugefügt. Zusammen mit der weiträumig klingenden Gitarre von Mark Peters, der oft nur aufgelöste Akkorde spielt, entstand so ein melancholischer, organischer Ambient-Sound, der Erinnerungen wachruft an legendäre Instrumentalkünstler wie Jean-Michel Jarre oder Mike Oldfield. Der 1977 geborene Schnauss ist allerdings ein Kind der House- und Technoära: Den Tracks fehlen deshalb erkennbare, prägende Melodien.
"Wenn ich so eine Rangliste aufstellen müsste, was mich an Musik fasziniert, dann kommt als Erstes der Klang. Das geht vielen so, die mit elektronischer Musik zu tun haben. An zweiter Stelle kommen harmonische Strukturen. Also Akkorde. Und ich glaube, erst an dritter Stelle kommen die Melodien."
Für seine regulären Soloalben braucht Ulrich Schnauss in der Regel bis zu vier Jahre. Das Album mit Mark Peters hat er in nur einem Jahr eingespielt. Für seine Verhältnisse habe er auch nur sehr wenige Synthesizer pro Track benutzt, sagt Schnauss. "Meist nur so vier bis sechs." Auf diese Form der Reduzierung soll der Album-Titel "Underrated Silence", "Unterbewerte Stille" aber nicht verweisen. Aufgeschnappt hatte Schnauss diese Phrase bei einem Konzertbesuch.
"Ich sehe Musik als Möglichkeit zu flüchten aus dem Wahnsinn dieses Alltags, mit dem wir konfrontiert sind. Und vieles, was ich an diesem Alltag wahnsinnig finde, ist dieser unerträgliche Lärm aus Dummheit und Abgestumpftheit, der uns entgegenschlägt. Und tatsächlich ist dann Stille häufig sehr unterbewertet."
In seinen besten Momenten entfaltet das fast durchgehend betörende "Underrated Silence" mit seinen aufsteigenden Soundkaskaden die hypnotische Kraft großer aktueller Instrumentalbands wie Mogwai. Oder entführt zu einer etwas unheimlichen Kopfreise durch eine verregnete nächtliche Großstadt, wie es "Blade Runner"-Filmkomponist Vangelis nicht viel besser hinbekommen hätte. Eine gewisse Schwäche für gefällige Klangschönheit ohne Ecken und Kanten vorausgesetzt, denn schließlich handelt es sich bei "Underrated Silence" um ein waschechtes Ambient-Album. Ein Genre, in dem Ulrich Schnauss der Durchbruch mit einer Platte gelungen war, die seine Leidenschaft für Elektro-Beats und verträumten englischen Gitarrenpop von sogenannten Shoegazer-Bands wie den Cocteau Twins erstmals unter einem Hut brachte. "Far Away Trains Passing By", so der Titel seines viel gelobten Debüts von 2001.
"Ich war damals relativ genervt und gelangweilt von der Dominanz von Dancemusik im elektronischen Bereich. Und die Art und Weise wie sich Dancemusik damals gestaltet hat. Nämlich als ausschließliches DJ-Futter. Und gleichzeitig gab es dazu auch kein Gegengewicht. Weil auch die Avantgarde, die selbst ernannte, sich in endlosen Clicks- und Cuts-Orgien ergossen hat. Damals war halt mein Anliegen, dagegen eine Platte zu setzen, die auf ganz klassisches Songwriting setzt."
Inzwischen hat Ulrich Schnauss wieder Gefallen an der Elektroszene gefunden. Besonders begeistert ist er von jungen russischen Künstlern wie Unquote oder Bop. Die kommen vom St. Petersburger Label Med School Records und sorgen momentan für frischen Wind im Drum& Bass.
"Wieweit das dann immer Einfluss auf deine eigene Musik hat, kann ich irgendwie schwer beantworten. Letzten Endes ist es doch immer so: Ich mache die Musik, die ich vermisse, die ich gerne hören würde, wenn ich meine eigene Musik hören würde."
Seit sechs Jahren wohnt Ulrich Schnauss in London. Wenn er nicht an einem eigenen Album arbeitet, ist er dort als Produzent tätig oder schreibt Werbemusik. Einen nicht unwesentlichen Teil seiner Einnahmen macht die Lizenzierung seiner Ambient-Tracks für amerikanische Fernsehserien aus. Die inzwischen weltweit geschätzte Wohlfühl-Qualität seiner Musik sei dabei immer noch entscheidend durch seine Herkunft aus dem abgelegenen Kiel inspiriert, wie Ulrich Schnauss abschließend erklärt.
"Einfach aufgrund des Kontrasts zwischen auf der einen Seite der Landschaft und der generellen Umgebung, die ja durchaus ihren Reiz hat. Aber gleichzeitig dieses Gefühl der völligen kulturellen Abgeschnittenheit, in einer Art Wüste da zu leben. Und vielleicht liegt einem das schon so eine sehnsuchtsvolle, melancholische Fernwehästhetik nahe. Das kann sein."
Daten zur CD:
ULRICH SCHNAUSS & MARK PETERS
"Underrated Silence"
b bureau (Indigo)
CD 4047179624428
LP 4047179624411
"Ich bin alles andere als ein begnadeter Pianist. Und Mark würde von sich auch behaupten, nicht der technische beste Gitarrist zu sein. Insofern geht es uns immer eher darum, bestimmte Atmosphären, bestimmte Farben einzufangen."
Elektrotüftler Ulrich Schnauss ist auf "Underrated Silence" erstmals an einem herkömmlichen Klavier zu hören. Die für ihn typischen ineinander verschlungenen Synthesizerflächen und die sanften Sequenzerläufe hat der glühende Verehrer der Krautrockpioniere Tangerine Dream erst später hinzugefügt. Zusammen mit der weiträumig klingenden Gitarre von Mark Peters, der oft nur aufgelöste Akkorde spielt, entstand so ein melancholischer, organischer Ambient-Sound, der Erinnerungen wachruft an legendäre Instrumentalkünstler wie Jean-Michel Jarre oder Mike Oldfield. Der 1977 geborene Schnauss ist allerdings ein Kind der House- und Technoära: Den Tracks fehlen deshalb erkennbare, prägende Melodien.
"Wenn ich so eine Rangliste aufstellen müsste, was mich an Musik fasziniert, dann kommt als Erstes der Klang. Das geht vielen so, die mit elektronischer Musik zu tun haben. An zweiter Stelle kommen harmonische Strukturen. Also Akkorde. Und ich glaube, erst an dritter Stelle kommen die Melodien."
Für seine regulären Soloalben braucht Ulrich Schnauss in der Regel bis zu vier Jahre. Das Album mit Mark Peters hat er in nur einem Jahr eingespielt. Für seine Verhältnisse habe er auch nur sehr wenige Synthesizer pro Track benutzt, sagt Schnauss. "Meist nur so vier bis sechs." Auf diese Form der Reduzierung soll der Album-Titel "Underrated Silence", "Unterbewerte Stille" aber nicht verweisen. Aufgeschnappt hatte Schnauss diese Phrase bei einem Konzertbesuch.
"Ich sehe Musik als Möglichkeit zu flüchten aus dem Wahnsinn dieses Alltags, mit dem wir konfrontiert sind. Und vieles, was ich an diesem Alltag wahnsinnig finde, ist dieser unerträgliche Lärm aus Dummheit und Abgestumpftheit, der uns entgegenschlägt. Und tatsächlich ist dann Stille häufig sehr unterbewertet."
In seinen besten Momenten entfaltet das fast durchgehend betörende "Underrated Silence" mit seinen aufsteigenden Soundkaskaden die hypnotische Kraft großer aktueller Instrumentalbands wie Mogwai. Oder entführt zu einer etwas unheimlichen Kopfreise durch eine verregnete nächtliche Großstadt, wie es "Blade Runner"-Filmkomponist Vangelis nicht viel besser hinbekommen hätte. Eine gewisse Schwäche für gefällige Klangschönheit ohne Ecken und Kanten vorausgesetzt, denn schließlich handelt es sich bei "Underrated Silence" um ein waschechtes Ambient-Album. Ein Genre, in dem Ulrich Schnauss der Durchbruch mit einer Platte gelungen war, die seine Leidenschaft für Elektro-Beats und verträumten englischen Gitarrenpop von sogenannten Shoegazer-Bands wie den Cocteau Twins erstmals unter einem Hut brachte. "Far Away Trains Passing By", so der Titel seines viel gelobten Debüts von 2001.
"Ich war damals relativ genervt und gelangweilt von der Dominanz von Dancemusik im elektronischen Bereich. Und die Art und Weise wie sich Dancemusik damals gestaltet hat. Nämlich als ausschließliches DJ-Futter. Und gleichzeitig gab es dazu auch kein Gegengewicht. Weil auch die Avantgarde, die selbst ernannte, sich in endlosen Clicks- und Cuts-Orgien ergossen hat. Damals war halt mein Anliegen, dagegen eine Platte zu setzen, die auf ganz klassisches Songwriting setzt."
Inzwischen hat Ulrich Schnauss wieder Gefallen an der Elektroszene gefunden. Besonders begeistert ist er von jungen russischen Künstlern wie Unquote oder Bop. Die kommen vom St. Petersburger Label Med School Records und sorgen momentan für frischen Wind im Drum& Bass.
"Wieweit das dann immer Einfluss auf deine eigene Musik hat, kann ich irgendwie schwer beantworten. Letzten Endes ist es doch immer so: Ich mache die Musik, die ich vermisse, die ich gerne hören würde, wenn ich meine eigene Musik hören würde."
Seit sechs Jahren wohnt Ulrich Schnauss in London. Wenn er nicht an einem eigenen Album arbeitet, ist er dort als Produzent tätig oder schreibt Werbemusik. Einen nicht unwesentlichen Teil seiner Einnahmen macht die Lizenzierung seiner Ambient-Tracks für amerikanische Fernsehserien aus. Die inzwischen weltweit geschätzte Wohlfühl-Qualität seiner Musik sei dabei immer noch entscheidend durch seine Herkunft aus dem abgelegenen Kiel inspiriert, wie Ulrich Schnauss abschließend erklärt.
"Einfach aufgrund des Kontrasts zwischen auf der einen Seite der Landschaft und der generellen Umgebung, die ja durchaus ihren Reiz hat. Aber gleichzeitig dieses Gefühl der völligen kulturellen Abgeschnittenheit, in einer Art Wüste da zu leben. Und vielleicht liegt einem das schon so eine sehnsuchtsvolle, melancholische Fernwehästhetik nahe. Das kann sein."
Daten zur CD:
ULRICH SCHNAUSS & MARK PETERS
"Underrated Silence"
b bureau (Indigo)
CD 4047179624428
LP 4047179624411