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Ingenieure verzweifelt gesucht

Seit mehr als zwei Jahren beschäftigt sich der Bonner Wissenschaftsladen, kurz Wila, intensiv mit dem Arbeitsmarkt erneuerbare Energien. Vor kurzem veröffentlichte die Bonner Einrichtung eine Studie, die zum ersten Mal empirisch untersucht hat, wie die Arbeitsmarktsituation für die erneuerbaren Energien derzeit aussieht. Das Ergebnis: Den Unternehmen fehlen qualifizierte Mitarbeiter.

Von Antje Allroggen | 26.07.2006
    Anke Valentin vom Bonner Wissenschaftsladen hat an der Studie mitgearbeitet. Innerhalb eines Vierteljahres durchforstete sie mehr als 90 Printmedien und über 25 Internetportale nach Stellen in diesem Bereich:

    " Was deutlich aufgefallen ist bei der Auswertung der Stellenanzeigen ist, dass hochqualifizierte Leute gesucht werden, viele Akademiker gesucht werden und vor allen Dingen über 50 Prozent der Stellengesuche waren im Bereich Ingenieurswissenschaften. Das hängt auch damit zusammen, dass die Branche noch sehr jung ist und dass natürlich, wenn spezialisierte Mitarbeiter gesucht werden, dass die dann natürlich rar sind "

    Tatsächlich scheint in der Branche erneuerbare Energien das Angebot die Nachfrage zu übersteigen: im untersuchten Zeitraum eines Vierteljahres wurden in diesem Bereich mehr als 530 Stellen insgesamt angeboten. Dazu kommen nicht erfasste Initiativbewerbungen und interne Stellenbesetzungen. Für Techniker und Ingenieure gibt es also gute Chancen, in diesem Arbeitsmarktsegment Fuß zu fassen. Voraussetzung: ein sehr guter Hochschulabschluss und erste Berufserfahrung im Bereich Erneuerbare Energien.

    " Ich hab Physik und Halbleitertechnologie studiert in Göttingen und Hannover. Ich hab relativ früh ein Praktikum in der Branche gemacht, hab meine Diplomarbeit an einem Solarinstitut geschrieben und bin dann für ein halbes Jahr nach Australien gegangen. "

    Inzwischen arbeitet Holger Neuhaus als leitender Ingenieur bei dem sächsischen Solarunternehmen Deutsche Cell GmbH, einer Tochter des erfolgreichen Solarworld-Unternehmens. Bei der Deutschen Cell, die insgesamt etwa 80 Mitarbeiter hat, sind ungefähr 20 Ingenieure beschäftigt, Tendenz steigend. Gesucht werden vor allem Absolventen, die bereits erste Berufserfahrung mitbringen. Bislang gibt es allerdings nicht viele Ingenieure, die sich im Bereich Erneuerbare Energien auskennen, denn die Branche ist noch sehr jung.

    " Wir selbst hatten jetzt eine Phase, in meinem Bereich waren fünf oder sechs Stellen ausgeschrieben, da gibt es Stellen, da gehen wirklich Wäschekörbe ein, die dann vorher durchgeforstet werden von der Personalabteilung von der dann für eine Stelle so 10,15 Bewerbungen auf dem Tisch liegen. Es gibt aber auch andere Stellen, wo wir uns sehr schwer tun, Leute zu finden, wo es dann einfach nur einer, zwei sind, und wenn der nicht passt, dann sagt man aber auch nicht zu. "

    Noch kann die Deutsche Cell auf Bewerber zurückgreifen, die die Branche in irgendeiner Form bereits kennen gelernt haben. Andere Unternehmen scheinen so händeringend nach Personal zu suchen, dass sie sogar firmeninterne Nachschulungen anbieten, fand Anke Valentin vom Bonner Wissenschaftsladen heraus.

    " Die Abstimmung zwischen Ausbildung und der Tätigkeit, die dann später im Unternehmen durchgeführt wird, ist erst noch im Prozess. Da sind viele Bemühungen im Gange, sowohl von den Unis, von den Weiterbildungseinrichtungen und auch von den Unternehmen. "

    " Ich hab von allen Unternehmen und Personalern, die ich gesprochen hab, erfahren, dass unternehmensintern noch nachgeschult werden muss. Das war auch insbesondere bei der Anlagenleitung, weil da einfach bisher das Knowhow noch nicht so da ist und die Erfahrung noch nicht so da ist. "

    In Deutschland gibt es nur wenig Hochschulen, die ein spezialisiertes Master-Studium Erneuerbare Energien anbieten. An der Uni Kassel gibt es zum Beispiel seit zwei Jahren den Masterstudiengang Master of Science regenerative Energien und Energieeffizienz, an der FH Hildesheim einen Masterstudiengang nachwachsende Rohstoffe erneuerbare Energien. Die Unternehmen wachsen momentan so schnell, dass sie mitunter sogar auf Quereinsteiger zurückgreifen, so ein weiteres Ergebnis der Bonner Studie. Nina Zastrow:

    " Ich hab jetzt ein Beispiel aus dem Vertriebsbereich, die Firma Solarworld zum Beispiel stellt Leute aus dem Textilbereich ein, die sich im Vertrieb hervorgetan haben und schult dann im Unternehmen um. Das ist nach wie vor gängige Praxis. Wenn das Knowhow da ist, die Basis gut ist und vor allem die Schlüsselqualifikationen gut ausgebildet sind, dann sind die Chancen nicht schlecht, weil es eben die ganz klassische Ausbildung noch gar nicht gibt. "

    Neben Softskills wie Teamfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein müssen Ingenieure, die sich für den Arbeitsmarkt Regenerative Energien interessieren, außerdem eine hohe Reisebereitschaft mitbringen, fand Anke Valentin vom Wissenschaftsladen heraus:

    " Es gibt andere Branchen wie zum Beispiel Biomasse, Geothermie, die bleiben erst mal im Inland, weil sie sagen, der Markt ist noch nicht erschöpft, aber bei den beiden stärksten Arbeitsplatzlieferanten Solar- und Windenergie, da ist natürlich schon die Ausrichtung auf das Ausland gehängt."