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Ingenieurschwemme an der Rennpiste

Vor allem Autohersteller und KfZ-Zulieferer klagen, dass sie für ihre Entwicklungsabteilungen zu wenig Fachpersonal finden. Kein Wunder, dass neben dem Verein Deutscher Ingenieure auch die Auto-Industrie am Wochenende ihre Vertreter an den Hockenheim entsandte. Dort nämlich zog ein besonderer Wettbewerb die Aufmerksamkeit auf sich: Bei der "Formula Student" gingen 55 Hochschulteams mit selbstgebauten Rennwagen an den Start.

Von Thomas Wagner |
    Eingehüllt in einen schnittigen Renn-Overall, auf dem Kopf ein riesiger Helm, ist Daniel Günther nicht mehr wieder zu erkennen. Eigentlich studiert er im dritten Semester an der Hochschule für Wirtschaft, Technik und Gestaltung Konstanz.

    " Ich hab' hier einen kleinen Nebenjob. Ich bin hier Fahrer unseres Rennautos. Das beste Feeling ist beim Beschleunigen in dem Auto. Ja, die Höchstgeschwindigkeit, die ich bisher gefahren bin, liegt ungefähr bei 160 Stundenkikometern."

    Mit einer Länge von rund eineinhalb Metern sind sie zwar klein, aber oho - die Rennwagen der 55 studentischen Teams, die sich am Wochenende auf dem Hockenheimring spannende Wettkämpfe lieferten: Einfach nur eine Runde nach der anderen drehen - das reicht nicht aus. Acht Prüfungen müssen die Teams der "Formula Student", so der Name dieses außergewöhnlichen Wettbewerbes, absolvieren. Dabei geht es nicht nur um Schnelligkeit.

    " Das ist insbesondere das Thema Treibstoffverbrauch. Wir haben fünf Prozent der möglichen Punkte, die auf den Treibstoffverbrauch gehen, weil wir klar die Notwendigkeit sehen, den Studenten beizubringen, dass sie daran denken müssen von Anfang an. Und dass es klar ist, wenn sie am Ende ein schnelles Auto bauen und ein anderes Team ebenfalls ein schnelles Auto, gewinnt dasjenige mit dem geringeren Treibstoffverbrauch."

    erklärt Organisator Tim Hanning vom Verein Deutscher Ingenieure. Design, technische Ausführung - all das wird ebenso bewertet. Denn "Formula Student" ist für den Verein Deutscher Ingenieure, der den Wettbewerb ausrichtet, eine spaßige Form der Nachwuchsförderung mit ernstem Hintergrund.

    " Es ist zur Zeit festzustellen, nach den neuesten Informationen, dass wir 24.000 offene Ingenieurstellen haben, die wir nicht besetzen können. Das ist dramatisch, und deshalb müssen wir uns für den Nachwuchs engagieren. Wir versuchen, junge Menschen zu motivieren. Und das Beste, junge Menschen motivieren, ist, zu zeigen, welche Chancen so ein Studium mit sich bringt. Deshalb unterstützen wir diesen Formula Student, wo Studenten zeigen, was in ihnen steckt."

    In den kleinen Rennautos stecken etliche PS. In manchen der Teams haben sich 20, in Manchen über 50 Studierende zusammengetan, je nach Hochschule. Allen wird vor allem eines abverlangt: Viel Ausdauer.

    Thorsten Kanath, technischer Leiter vom Rennteam der Berufsakademie Berlin:

    " Also man kann sagen, in den letzten acht Wochen bestand der Tag aus 18 Stunden, für jede Person. Das ist eigentlich sehr, sehr viel."

    Die Eigenleistung ist das eine, die Unterstützung der Teams durch Sponsoren das andere. Immerhin liegen die Kosten für so einen studentischen Rennwagen doch zwischen 20.000 bis zum Teil 100.000 Euro, je nach Ausstattung. Der Friedrichshafener Automobilzulieferer ZF sponsert gleich sieben Teams - kein Wunder, sucht das Unternehmen händeringend 250 Ingenieure, unter anderem für die Entwicklung von zukunftsträchtigen Hybridantrieben. Norbert Reichert von ZF kam mit gutem Grund zur "Formula Student":

    " Es ist ein guter Weg, weil wir hier nämlich einen direkten Kontakt zu den Studenten herstellen können. Da entstehen ganz umfangreiche Beziehungsnetzwerke, die uns natürlich dabei helfen, ZF als Arbeitgeber attraktiv zu machen, auf der anderen Seite natürlich durch die persönlichen Kontakte Leute zu rekrutieren, zu gewinnen.:"

    Dabei spielt sich bei der "Formula Student" der Wettbewerb nicht nur auf dem Asphalt ab. Daneben liefern sich auch Autohersteller und Zulieferer einen Wettkampf um die besten Studierenden. Die nämlich erhalten während des Rennsportwochenendes tatsächlich immer wieder Angebote - und nicht nur das. Einige kamen bei der "Formula Student" im vergangenen Jahr zu ihrem Traumjob. Professor Thomas Nickel ist Betreuer des Rennteams an der Berufsakademie Ravensburg-Friedrichshafen:

    " Für die Studenten ist das auch ein Karriere-Sprungbrett. Von den vergangenen Teams, da sind die schon im Formel-1-Rennsport gelandet. Zwei Leute arbeiten jetzt im Toyota-Rennsport, in der Entwicklungszentrale in Köln. Und ich sage mal: Da lernen die mehr wie in einer theoretischen Vorlesung."