Dienstag, 19. März 2024

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Ingrid Matthäus-Maier
"Für mich ist der Abgeordnete die Nummer eins"

Die frühere SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier stellt einen gestiegenen Fraktionszwang im Deutschen Bundestag fest. Der Druck auf Abweichler sei in ihrer Zeit als aktive Politikerin nicht so stark gewesen wie heute, sagte sie im Dlf. Die Abgeordneten ließen sich das aber auch gefallen.

Ingrid Matthäus-Maier im Gespräch mit Ursula Welter | 26.04.2018
    Die Ex-SPD-Politikerin und Sprecherin der Kampagne "Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz" (GerDiA), Ingrid Matthäus-Maier, aufgenommen am 27.10.2013 in Köln. Foto: Horst Galuschka/dpa | Verwendung weltweit
    Ingrid Matthäus-Maier war zunächst Mitglied der FDP, trat aber später in die SPD ein (dpa)
    Frau, unabhängig, sozialliberal. Ingrid Matthäus-Maier kämpft heute für das Recht auf Sterbehilfe, setzt sich für Säkularität ein, und bei allem ist sie ihrem Stil treu geblieben. Die 1945 geborene SPD-Politikerin, die zunächst Mitglied der Freien Demokraten war, ist bekannt für ihre direkte Art, für klare Worte und Streitbarkeit. Als Finanzexpertin befasste sich Ingrid Matthäus-Maier zeitlebens mit den schwierigen Dossiers. Ihrer politischen Überzeugung blieb sie stets treu, ihr Ehemann hielt ihr den Rücken frei – ein politisches Paar mit moderner Arbeitsteilung. Ursula Welter hat Ingrid Matthäus-Maier in ihrem Haus getroffen.
    Ursula Welter: Vor mir sitzt eine vielfach ausgezeichnete Rednerin, Rednerin des Jahres 1988, später das goldene Mikrofon – danke Ingrid Matthäus-Maier, dass Sie sich die Zeit nehmen für unser "Zeitzeugen"-Gespräch. Sie sind im niedersächsischen Werlte geboren, wo liegt das?
    Ingrid Matthäus-Maier: Das liegt bei Cloppenburg, richtig im Norden, sehr ländlich. Das lag daran, dass meine Eltern, die aus Krefeld kamen, dorthin während des Krieges evakuiert worden waren.
    Welter: Und die Schulzeit haben Sie dann im Ruhrpott verbracht. Prägt das ein Mädchen?
    Matthäus-Maier: Ja, ganz sicher. Nicht nur ein Mädchen. Ich glaube, wer im Ruhrpott aufgewachsen ist, der nimmt was mit, was er sein Leben behält, nämlich: Erstens war es so, dass ich in Mülheim an der Ruhr wohnte, und da ich schon wegen eines Umzuges drei Jahre Latein hatte, hätte ich auf eine Jungenschule gemusst. Das war damals nicht möglich, da bin ich also jeden Tag nach Duisburg geradelt. Ich kannte also sowohl Mülheim an der Ruhr als auch Duisburg und Essen. Da nimmt man mit eine Sympathie für die hart arbeitenden Menschen unter Tage und im Stahlbereich, und das vergisst man nicht.
    Die ehemalige SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier (rechts) traf sich mit Deutschlandfunk-Redakteurin Ursula Welter zum "Zeitzeugen"-Gespräch
    Die ehemalige SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier (rechts) mit Deutschlandfunk-Redakteurin Ursula Welter (Deutschlandradio/ Nils Heider)
    "Dankbar, dass die Amerikaner uns befreit haben"
    Welter: Wie sind Sie aufgewachsen als Kind, das 1945 geboren wurde? War das eine entbehrungsreiche Zeit so kurz nach Kriegsende, wie haben Sie das wahrgenommen?
    !Matthäus-Maier:!! Objektiv war es sehr entbehrungsreich, wir waren richtig arm, aber davon habe ich überhaupt gar nichts gemerkt, weil die Eltern natürlich alles, was sie hatten, in dieses Kind gesteckt haben. Also wenn man erzählt, der Vater sagte zum Beispiel, dort waren Kanadier, da lagen dann alte Lkws von denen rum, und dann hat er dann Reifen mitgenommen, zerschnitten und in den Ofen gesteckt, was furchtbar stank, aber warm machte im Winter 45/46. Und, etwas hat mich doch immer begleitet: Sie haben damals Care-Pakete bekommen. Mein Onkel war 1948 ausgewandert nach Amerika und er versorgte die ganze Familie mit Care-Paketen. Und sie sagen, ohne diese Care-Pakete hätten wir nicht überlebt. Da sie zum Beispiel nicht rauchten und da Tabak drin war, waren sie dann die Kings. Daraus, aus dieser Zeit, resultiert doch eine tiefe Verbundenheit und Dankbarkeit gegenüber den Amerikanern. Meine Mutter war mal sehr ärgerlich während des Vietnamkriegs auf die Amerikaner und schimpfte und schimpfte. Ich sag, Oma du hast recht, nur bitte etwas beide Seiten: Ohne die Landung der Amerikaner in Nordfrankreich wäre eure Tochter weder Richterin geworden, noch hätte sie überhaupt studieren dürfen, noch wäre sie in der SPD, weil es sie gar nicht mehr gab. Also, dass die uns da befreit haben, dafür bin ich schon dankbar.
    Welter: Sie haben Ihr Studium angesprochen, Sie haben sich nach dem Abitur zunächst für Geschichte, Romanistik und Politologie entschieden, aber sind nicht dabei geblieben. Warum Jura?
    Matthäus-Maier: Ich war Mitglied der Studienstiftung des Deutschen Volkes, und die dortige Vertrauensdozentin Helge Pross, eine sehr bekannte Soziologin, die sich auch sehr für Frauen eingesetzt hat, die fragte ich, was meinen Sie, Soziologie, Politologie, Jura? Da sagte sie: Mädchen, mach was Handfestes, dann hast du immer einen Beruf. Und so ist es dann auch gekommen. Außerdem habe ich es dann gerne gemacht.
    Welter: Aber studieren, auch höhere Schule, das war ja für ein Mädchen in der Zeit keineswegs selbstverständlich. Haben Ihre Eltern das also unterstützt?
    Matthäus-Maier: Sie haben ganz recht, es war nicht selbstverständlich, zumal meine Eltern selber nicht Abitur hatten und auch nicht studiert hatten. Es waren mittlere Angestellte und sehr, sehr bildungsbewusst. Da war glasklar, die beiden Mädchen – ich kriegte dann eine Schwester, später –, lernen was, die machen Abitur und die studieren. Und das war für die Eltern zu Beginn doch noch sehr aufwendig. Als ich auf die höhere Schule kam, zahlte man noch im Land Nordrhein-Westfalen – darf ich mal so sagen, CDU-regiert mit Meyers – noch 50 Mark monatlich Schulgebühr, während zum Beispiel mein Mann, der aus dem Sudetenland nach Hessen gekommen war, erzählte, dass es unter Georg August Zinn im roten Hessen es keine Schulgebühren gab. Die wurden dann Gott sei Dank später abgeschafft.
    "Der Wunsch, die Wirklichkeit der Verfassung anzupassen"
    Welter: Wir werden gleich über Ihren Lebenslauf hin zur Politik sprechen: War Ihr Elternhaus auch schon politisch, sind Sie da schon geprägt worden?
    Matthäus-Maier: Nein, nein. Mein Elternhaus war nicht politisch, war sehr aufgeschlossen, sehr interessiert an Meldungen. Also ich war sicher, man hörte bei uns schon Nachrichten und so was, aber nicht politisch organisiert.
    Welter: Wann begann das dann für Sie? In den 60er-Jahren?
    Matthäus-Maier: Das begann, als ich an der Universität war, mit dem Studium. Der unmittelbare Anlass waren Ärgernisse im Studienalltag, etwa zu wenig Platz oder dass im Studium was geändert werden musste. Und dann kam ja die Bewegung "Unter den Talaren, Muff von tausend Jahren". Die absolute "Vorherrschaft" der Professoren und die Nichtteilnahme oder Nichtbeteiligung, ausreichende, der Studenten und des Mittelbaus, das war der eine Grund. Und der zweite Grund war der, ich bin bis heute zutiefst davon überzeugt, dass unsere Verfassung, unser Grundgesetz etwas Großartiges ist. Es gibt selten eine weltweit, die so gut ist. Der vordere Teil, die ersten 20 Artikel: wirklich toll. Insbesondere zum Beispiel auch die Gleichberechtigung der Frau, der Artikel drei, Männer und Frauen sind gleichberechtigt: Und nicht irgend so ein Minus, was ja im parlamentarischen Rat vorgesehen war. Da merkte ich, dass bei verschiedenen Artikeln unser Grundgesetz einerseits und die Lebenswirklichkeit anders doch auseinanderklafften. Auch beim Thema Kirche - Staat. Da steht drin in der Verfassung, es gibt keine Staatskirche, materiell – so meine Überzeugung –, es gibt mittlerweile zwei Staatskirchen, sehr eng verbandelt. Und der Wunsch, dieses zu ändern, wenn man so will, die Wirklichkeit der Verfassung anzupassen. Man könnte folgendes Motto nehmen, was ich damals noch nicht so im Kopf hatte, aber später passend gefunden. Der Erich Kästner hat mal gesagt: An allem Unfug, der geschieht, sind nicht nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern. Wenn Sie also wollen, habe ich mich auf den Weg gemacht, Unfug zu verhindern.
    "Hätte die FDP Brandt nicht unterstützt, wären wir in die SPD gegangen"
    Welter: Und da gibt es dann ein markantes Datum, der 21. Oktober 1969, das ist der Tag, an dem die sozialliberale Koalition besiegelt wurde – und das ist der Tag, an dem Ingrid Matthäus-Maier in die FDP eingetreten ist. Warum die FDP?
    Matthäus-Maier: An diesem Tag wurde Willy Brandt gewählt zum Bundeskanzler, dafür hatten wir uns alle eingesetzt, nach dem Motto: Mehr Demokratie wagen! Mein Mann und ich – Sie sehen, mein Mann spielt immer eine große Rolle, weil wir all dieses immer schon gemeinsam gemacht haben, wir sind mittlerweile, glaube ich, 53 Jahre zusammen –, wir wollten die sozialliberale Koalition auch aus historischen Gründen. Natürlich erst recht, um etwas zu ändern. Ich habe es mal so formuliert: Die, die schon im letzten Jahrhundert, dann mittlerweile im vorletzten Jahrhundert, Ende des 19. Jahrhunderts, auf der gleichen Seite der Barrikaden standen, etwa im Jahr 48 folgende, das aufgeschossene Bürgertum und die moderne Arbeitnehmerschaft, die für Gleichberechtigung, für Mitbestimmung, für soziale Gesetzgebung waren, dass die, die da zusammen auf der gleichen Seite der Barrikaden standen, irgendwann auch mal gemeinsam eine Koalition machten. Das ist dann ja in Weimar versucht worden, hat da leider nicht geklappt, aber Leute wie Karl-Hermann Flach haben das ja wiederbelebt. Und deswegen sind an diesem Tag, dem 21.10., mein Mann und ich zur FDP gegangen und haben gesagt, wir möchten am liebsten Mitglied in SPD und FDP werden, was natürlich nicht ging.
    Welter: Also sozialliberale Gene sozusagen.
    Matthäus-Maier: Ja, sozialliberale Gene. Und warum FDP? Weil wir wussten, nur ein starker linksliberaler Flügel in der FDP, denn es gab ja auch den anderen Flügel, kann dafür sorgen, dass diese Koalition zustande kommt und auch eine Weile dauert.
    Welter: Also wenn die FDP Willy Brandt nicht unterstützt hätte, wären Sie nicht eingetreten?
    Matthäus-Maier: Dann wären wir in die SPD gegangen. Übrigens, ein großes Verdienst von Walter Scheel. Als er starb, gab es noch mal ein paar öffentliche Äußerungen. Ich finde, das war eine ganz große Leistung. In der Nacht, als die CDU schon meinte, sie hätte das geschafft, hat er mit Willy Brandt sozusagen im Hinterzimmer binnen weniger Stunden diese Koalition geschmiedet, und das habe ich ihm ganz hoch angerechnet.
    Welter: Gut, Willy Brandt hat aber auch viele Posten vergeben – und nicht die schlechtesten, wenn ich mich recht erinnere …
    Matthäus-Maier: Landwirtschaft Ertl, das war natürlich auch geschickt, so Leute wie Ertl einzubinden, und das hat ja auch über Jahre gut geklappt.
    Der Vorsitzende der SPD, Bundesaußenminister und Vizekanzler Willy Brandt, bei einer Stellungnahme vor Journalisten am späten Abend in Bonn am Wahltag, dem 28.09.1969. Die CDU/CSU konnte nicht die erwartete absolute Mehrheit erringen, noch in der Nacht einigten sich SPD und FDP auf eine Regierungskoalition. Willy Brandt wurde der erste sozialdemokratische Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweit
    Willy Brandt am Tag der Bundestagswahl 1969 - noch in der Nacht einigten sich SPD und FDP auf eine Regierungskoalition (dpa)
    "Von Frauen verlangt man eher, dass sie freundlich sind"
    Welter: Sie waren Jungdemokratin und Sie galten früh als Emanze, also als jemand, der sich für die Frauenrechte einsetzte. Sie haben für die Frauenrechte gekämpft, Sie haben sich1972 dann durchgesetzt als Bundesvorsitzende der Jungdemokraten und waren die erste Frau in dieser Position. War das schwer?
    Matthäus-Maier: Ich empfand das nicht als schwer, zumal auch mein Naturell ein bisschen ist - jetzt lebe ich ja schon ewig im Rheinland: das Motto, das Glas ist immer halb voll und nicht das Glas ist immer halb leer. Das heißt, eine positive Einstellung zum Leben, zu den Aufgaben, auch zu Ärgerlichkeiten. Ich habe das gerne gemacht, es war aber insofern schwer, ich merkte sehr bald – wissen Sie, das waren ja elf verschiedene Landesverbände, es gab ja noch nicht die Einheit, mein Mann war Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, der hielt mir da beim größten Landesverband den Rücken frei – aber ansonsten habe ich damals schon Föderalismus miterlebt, also, dass gerade kleinere Landesverbände, dies und das und jenes. Ich bin jemand, der dann auch irgendwann gesagt hat, wir machen das so und nicht anders, das läuft jetzt so, wir können da nicht dauernd Nächte, Nächte, Nächte diskutieren. Und da habe ich schon gelernt, was ich später in allen Funktionen wiedergefunden habe, auch in der Bank: Wenn Sie als Frau entscheiden, etwas durchsetzen, auch verlangen, dass das dann gemacht wird, dann gilt das eher als autoritär – das wurde mir dann ja auch später vorgeworfen. Wenn ein Mann das macht, dann ist das entscheidungsstark, er zeigt, wo es lang geht. Dieses bleibt bis heute, dass man von Frauen doch eher verlangt, dass sie dann so ein bisschen freundlicheren Umgang machen. Da den Zwischenweg zu finden, trotzdem energisch eine Geschichte zu betreiben, ein Ziel zu betreiben, und trotzdem möglichst wenig Leute vor den Kopf zu stoßen.
    Welter: Wo stand denn der Jugendverband der FDP damals inhaltlich, also zwischen Studentenbewegung, Rechtsliberalen und den linken Bewegungen?
    Matthäus-Maier: Wenn Sie so wollen mittendrin. Sie haben sie alle schon genannt. Mein Mann und ich zum Beispiel haben für das Studentenparlament kandidiert bei der humanistischen Studentenunion. Das war eine Bürgerrechtsorganisation. Und das war dort die erste sozialliberale Koalition im Studentenparlament, nämlich SDS, SHB und HSU. Daran sehen Sie, wir waren eben nicht in SDS und nicht im SHB, natürlich nicht bei den Rechts-liberalen, aber wir waren auch keine Sozialisten oder Maoisten oder auch keine Marxisten, sondern wir waren überzeugte Rationalisten, also Sozialliberale. Was die Wirtschaft angeht, dieser berühmte Satz, so viel Markt wie möglich und so viel Staat wie nötig, das war immer unsere Position. Also zum Beispiel die generelle Verstaatlichung von irgendwas, das war nicht unser Bier.
    "Ohne Rückkehrrecht in Beruf sind Politiker nicht unabhängig"
    Welter: Das war für Sie vermutlich ja eine bewegte Zeit. Das war die Zeit der beruflichen Orientierung, der Familiengründung auch, des politischen Starts sozusagen. Sie sind bis 1976 Richterin am Verwaltungsgericht Münster gewesen, und dann haben Sie sich entschieden, in den Deutschen Bundestag zu gehen – wie erinnern Sie das?
    Matthäus-Maier: Übrigens, ich habe ja schon 1972 kandidiert, war sogar auf einem guten Platz – vom Vorstand vorgeschlagen – auf der Landesliste. Dann war es so, dass eine Position vor mir Herr Achenbach stand, ein Rechtsliberaler, der während der NS-Zeit eine sehr negative Rolle gespielt hatte als Diplomat im Ausland. Und wenn man auf einer Liste – in jeder Partei, wo auch immer – platziert ist, ist es fast schon Selbstmord, einen Platz davor eine Kampfkandidatur zu machen. Wir waren aber der Ansicht, die Vorsitzende der Jungdemokraten kann nicht jemanden wie Achenbach einfach durchlaufen lassen. Da habe ich gegen ihn kandidiert, verloren – und dadurch war ich auf meinem Platz, wo ich dann vorgeschlagen war, geschwächt. Wer hat mich dann gekippt? Im Nachhinein muss ich fast ein bisschen schmunzeln, denn das finde ich fast schon ehrenhaft: Herr Möllemann. Er merkte, dass ich jetzt angeschlagen war, ging gegen mich los, und da wurde er gefragt: Herr Möllemann, Sie sind beide FDP und Sie sind beide Jungdemokraten, was unterscheidet Sie denn? Eine gestellte Frage, und er antwortete: Frau Matthäus-Maier ist in erster Linie Jungdemokratin und dann FDP, bei mir ist es genau umgekehrt. Patsch, dann war ich 72 weg, was aber auch nicht schlimm war, ich hatte noch nicht mein zweites Staatsexamen, so hatte ich dann die Zeit, den Assessor zu machen und dann wirklich auch beruflich mit einer Grundlage in die Politik zu gehen.
    Welter: Was Ihnen dann im Laufe der Zeit – und wir werden noch darüber sprechen – auch immer Freiraum gegeben hat zu entscheiden, wie sie sich entscheiden wollten jeweils, weil Sie einen Beruf hatten, nämlich den der Richterin.
    Matthäus-Maier: Ein Rückkehrrecht in einen Beruf ist meiner Ansicht nach das Wichtigste, was ein Politiker haben muss, sonst ist er nicht unabhängig. Mir wurde zum Beispiel mal angeboten Finanzminister in Hessen, da sollte ich nicht mal ein Mandat haben, sondern das käme erste später. Und da habe ich gesagt, nee, nee, nee, wenn ich dann sage zum Beispiel, da und da muss gespart werden, und das macht die Fraktion nicht mit, kann ich nicht mal zurücktreten. Gut, als Richterin hätte ich immer zurückkehren können, aber es gibt viele, die müssen dann bleiben und sind nicht frei, weil sie danach beruflich in der Luft hängen.
    Das Ende der sozialliberalen Koalition
    Welter: Sie waren FDP-Abgeordnete, Mitglied im Bundesvorstand der FDP, der Freien Demokraten, Sie waren immer ein selbstständiger Kopf. Sie haben gerade gesagt, dass Sie sozusagen Fraktionszwang auch locker nehmen konnten, weil Sie den Rücken frei hatten. 1982 dann der Bruch, also das Jahr der Bonner Wende: Nach Brandt und Scheel hatten Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher die sozialliberale Koalition ja im Bund fortgesetzt – und 1982 dann der Bruch. Da haben Sie die Fronten gewechselt, Sie sind der FDP nicht in die Ära Kohl gefolgt, sind später SPD-Mitglied geworden. War das ein lange gereifter Entschluss? Sie haben das eingangs unseres Gesprächs schon angedeutet: So ein bisschen standen Sie mit einem Bein schon in der Sozialdemokratie, kann man das so sagen?
    Matthäus-Maier: Also später, die Kandidatur für die SPD, das machte mir keine Schwierigkeiten, weil, wie gesagt, wie waren und sind sozialliberal, auch bis heute. Aber der Bruch mit der FDP, das fiel mir natürlich schon sehr schwer, uns beiden. Aber für uns war klar, und für viele meiner linksliberalen Freunde: Diesen Vertrauensbruch, diesen Bruch eines Wahlversprechens durch Genscher, konnten wir auf keinen Fall mitmachen. Man muss sich daran erinnern, 1980 gab es Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen. Da dort Genscher schon rumwackelte, was die Koalition anging, flog die FDP aus dem Landtag raus. Da begann die absolute Ära von Johannes Rau. Das ist unstreitig, dass das so ist, Verheugen hat das noch mal dargelegt. Um diese Scharte wieder gutzumachen, hat Genscher dann in den Wochen danach auf dem Wahlparteitag für die Bundestagswahl 1980 diese berühmten Sätze gesagt: Da gibt es kein Wackeln und Fackeln, es ist ganz glasklar, wir stehen für vier Jahre Helmut Schmidt. Und wir alle als Abgeordnete und Kandidaten verteilten tausendfach die Flyer – vier Jahre Helmut Schmidt, weitermachen in der Koalition. Und diese Klarheit führte dazu, dass die FDP 1980 über zehn Prozent bekam. Und danach ohne Neuwahlen diese Koalition zu brechen, das war unmöglich. Ich habe ja damals im Bundestag gesagt, keiner der FDP-Abgeordneten hat das Recht, das Mandat, das er für die Koalition mit Schmidt bekommen hat, zu Helmut Kohl zu tragen. Das hat bei mir auch eine tiefe Empörung hervorgerufen. Und ich habe dann am gleichen Tag, am 1. Oktober, meinen Finanzausschussvorsitz niedergelegt, dann das Bundestagsmandat und bin wieder Richterin geworden. Und dann fragten mich Willy Brandt und Johannes Rau, ob ich nicht als Sozialliberale für die SPD kandidieren wolle. Sie haben auch an keiner Stelle je gesagt, da und da musst du deine Meinung ändern, sondern ich war und blieb die Gleiche, die ich bin.
    Blick auf die Mitglieder der FDP-Fraktion vor dem konstruktiven Misstrauensvotum zum Sturz von Bundeskanzer Helmut Schmidt (SPD) im Jahr 1982 
    Blick auf die Mitglieder der FDP-Fraktion vor dem konstruktiven Misstrauensvotum zum Sturz von Bundeskanzer Helmut Schmidt (SPD) im Jahr 1982 (dpa)
    "Mit Genscher wollte ich nichts mehr zu tun haben"
    Welter: Gehen wir noch mal den Schritt zurück, als Hans-Dietrich Genscher und Graf Lambsdorff dann am Scheidungspapier arbeiteten: Gab es Momente, wo Sie mit anderen versucht haben, das direkt zu verhindern, gab es überhaupt den Hebel?
    Matthäus-Maier: Natürlich haben wir das versucht, wobei wir einen Unterschied machen müssen zwischen Genscher und Lambsdorff. Lambsdorff mit seinem berühmten Scheidungspapier hat offen gesagt, er will da raus. Übrigens, der hatte auch noch einen anderen Grund, den die meisten nicht kennen, der auch in der Geschichte wenig vorkommt: Lambsdorff war verstrickt in Steuerhinterziehung, nicht zu seinen persönlichen Gunsten, aber wegen der Parteienfinanzierung. Und er hat schon versucht bei Willy Brandt eine Amnestie zu bekommen, hat er nicht gekriegt mit der SPD. Und da hat er gehofft, dass Helmut Kohl das macht. Der hat es aber auch nicht gemacht, sodass 1983 die Immunität aufgehoben wurde, und er wurde vom Landgericht Bonn wegen Steuerhinterziehung verurteilt und trat dann zurück. Also da gab es noch einen anderen Wunsch, der dahinterstand. Aber trotzdem, er hat gesagt, er wolle raus, das rechne ich ihm an, diese Offenheit. Während Genscher - und deswegen war mein Verhältnis bis zu seinem Tod ein Non-Verhältnis, wir haben uns nie mehr begrüßt, nie mehr gesprochen, ich habe ihm nie mehr die Hand gegeben, ich habe tiefen Groll damals empfunden –, der hat das hinter unserem Rücken gemacht. Im Frühjahr 1982 hieß es, der würde vielleicht springen. Er war ja als Parteivorsitzender nicht schlecht, weil er die beiden Flügel versuchte zusammenzuhalten – den Lambsdorff-Flügel und sagen wir Maihofer-Baum-Matthäus-Maier-Schuchart-Flügel. Und dann ging er so rum und fragte im Plenum, wie geht’s. Da sag ich, hören Sie mal, die Leute sagen, Sie wollen springen. "Frau Matthäus-Maier, wenn das so wäre, würde ich Ihnen das sofort sagen" – also eine glatte Lüge. Das hat sich durch die ganze Zeit gezogen, und dann haben wir mitbekommen, dass im Sommer in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten er ein Papier hatte, auf dem Papier waren drei Rubriken: Wer springt, wenn man weggeht - wo er doch immer gesagt hat, ist nicht. Die gehen mit, das waren insbesondere die Rechtsliberalen, die gehen nicht mit, darauf stand zum Beispiel ich auf dieses Rubrik. Und dann die dritte Rubrik, wen kann man kaufen. Das fand ich besonders empörend, da stand zum Beispiel ein Freund von mir, der nie zu kaufen war, aber diese Rubrizierung. Und natürlich, wie das so ist, Hintergrundgespräch, zwei Stunden später hatte ich das Papier und konnte das nachlesen. Als ich dann wieder im Finanzausschuss war in meiner SPD-Zeit, kam ein sehr bekannter CSU-Abgeordneter, sehr hochrangig, auf mich zu und sagte: Das habe ich dem Genscher gleich gesagt, die Matthäus-Maier macht das nie. Ich sag, wann hat Herr Genscher sich denn mit Ihnen über dieses Thema unterhalten? Da sagt er, im Frühjahr 1982. Von daher ist es so, es gibt ein paar Menschen im Leben, mit denen wollte ich nichts mehr zu tun haben, da gehört der Genscher zu. Der hat andere Vorteile, etwa die deutsche Einheit – aber so was gehört sich nicht.
    "Man kann alles wechseln - nur nicht die Partei"
    Welter: Und wenn man eine Partei verlässt, verlässt man natürlich auch Freunde, das ist ein massiver Bruch. Da muss das Adressbuch neu geschrieben werden.
    Matthäus-Maier: Absolut! Das hatte ich mir vielleicht nicht ganz so vorgestellt: Es ist alles anders, es ist alles neu. Bei mir ging es – dadurch, dass ich in der sozialliberalen Koalition ein wichtiges Scharnier in der Finanzpolitik war. Ich war sehr befreundet mit Matthöfer, mein Mann und ich, mit Herrn und Frau Matthöfer, dem Finanzminister, so konnte ich für die FDP, er für die SPD, doch manches erreichen, sodass das in der SPD für mich kein Problem war. Aber ansonsten war das bitter. Ganz, ganz viele haben mich gelobt, ich hatte tausend Briefe, die sagten, toll, wie Sie das gemacht haben. Aber doch auch habe ich gelernt, man kann alles wechseln, die Meinung, den Ehemann, nur nicht die Partei. Also das war nicht ganz einfach.
    Welter: Aber Sie haben, und das war ja dann sozusagen zugunsten der FDP, Sie haben Ihr Mandat niedergelegt, Sie haben es nicht mitgenommen. Sie sind zunächst wieder zurück in ihren Beruf.
    Matthäus-Maier: Das war mein Vorteil, auch deswegen hatte ich nach wie vor – außer mit Hans-Dietrich Genscher – mit den anderen FDP-Kollegen immer wieder Gesprächskontakte, weil die eben gesagt haben: Das ist eine, die hat ihr Mandat niedergelegt, das ist zwar schade. Oder jemand wie Lambsdorff sagte, ja, die geht in die SPD, da gehört die ja wohl auch eigentlich hin. Aber es war nie ein schreckliches Verhältnis oder so, nur mit Genscher, das war erledigt.
    Die deutsche Politikerin Ingrid Matthäus-Maier (SPD, früher FDP). Von 1979 bis 1982 war sie Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages.
    Ingrid Matthäus-Maier war von 1979 bis 1982 Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag (picture-alliance / dpa)
    Freiheit im Denken, Sprechen, Handeln
    Welter: Sie haben gesagt, Sie kannten schon viele in der SPD, auch durch Ihre finanzpolitische Arbeit. Was war dann anders in der SPD?
    Matthäus-Maier: In der SPD war anders, dass die Flügel schärfer miteinander umgingen. In der FDP hatten wir ja nun auch Flügel, vielleicht liegt das daran, wir waren ja in der ersten Legislaturperiode 40 Leute, das ist fast wie eine große Schulklasse. Da kann das auch menschlich nicht so ganz furchtbar scharf sein, selbst wenn man wirklich unterschiedlicher Ansicht ist. Das fiel mir in dieser großen SPD-Fraktion schon auf. Und wenn man dazukam, da wurde man sehr genau beäugt. Was Frauen angeht, Umweltschutz, Datenschutz, gehörte ich ja dann eher zum linken Flügel. Was Wirtschaft und Finanzen angeht, also eine Mark kann man nur einmal ausgeben, galt das als rechter Flügel. Und nun achteten sie darauf, wo geht die hin, und das passte nicht ganz. Dann bin ich zu Hans-Jochen Vogel, dem Fraktionsvorsitzenden. Du sag ich, hier so und so, es wird sehr genau darauf geachtet, ob ich dahin gehe oder dahin gehe. Da sagt er: Mittwochsmorgens um acht Uhr, da tagt eine Non-Gruppe – da waren sehr bekannte Leute wie Schmude, der Justizminister, und noch andere. Geh da mal hin, da kann man seine Meinung äußern – was ich ja sowieso getan hatte –, ohne dass man sofort einsortiert wurde. Das war dann eine gute Lösung. Aber Sie sehen an diesem Beispiel, das war in der SPD härter. Und auch, sagen wir mal, der Wunsch nach Geschlossenheit. Ich gebe gerne zu, mit Wehner als Fraktionsvorsitzendem, das hätte mir Schwierigkeiten gemacht. Der hat große Verdienste für die SPD, aber eben auch, da musste alles so hundertprozentig und da konnte man nicht abweichen. Und mit denen sprang der dann schon um - also mit mir wäre das so nicht gegangen. Ich habe sowohl in der FDP als auch in der SPD mehrfach anders abgestimmt als die Fraktion. Ich glaube übrigens, dass das vielleicht damals auch leichter war. Meine Jungfernrede immerhin habe ich gehalten in der FDP gegen Maihofer, den ich ja wirklich verehrt habe, der hatte ja heimlich durch den Nachrichtendienst eine Wanze anbringen lassen bei dem Atomwissenschaftler Traube, was ich für völlig illegal hielt. Dann habe ich eine menschlich, glaube ich, angenehme, aber in der Sache scharfe Rede gehalten. Das war illegal. Das war überhaupt keine Frage, dass ich diese Reden halten konnte, da ließ mich die FDP das machen. Auch in der SPD, ich weiß, da ging es mal um eine Parteienfinanzierung, die fand ich nicht in Ordnung. Dann rief Hans-Jochen Vogel an: Die Abweichler müssen mal kommen. Da sagt er, ich kenn dich ja, ich muss es dir nur sagen, und so weiter. Ich erinnere mich daran, das ist heute komplizierter geworden, und das werfe ich dem Bundestag vor – und den Abgeordneten –, dass sie sich das gefallen lassen. Klassisches Beispiel: Winter 2015(*), die Sterbehilfe. Sterbehilfe ist seit 150 Jahren, mehr als 150 Jahren, in Deutschland straffrei gewesen. Ich habe meine erste Klausur im Straffrecht geschrieben über einen Suizid, bei dem jemand hilft – alles straffrei. Dann kam vonseiten der Kirchen, aber auch von konservativen CDU-Politikern – Herr Spahn gehört dazu, wobei mir dann erst aufgefallen ist, der war ja auf der Payroll der Pharmaindustrie, die verdient natürlich daran, wenn die Menschen noch fünf Jahre an der Peck hängen, das wusste ich damals nicht. Also er kam und Gröhe natürlich, das müsse jetzt strafrechtlich verfolgt werden. Ich will das nicht im Einzelnen diskutieren, ich gehöre zu denen, die sagen: Mein Grundgesetz, meine Würde erlaubt mir, mich zu entscheiden – freie Entfaltung der Möglichkeiten, und nicht erst, weil ich Geld und Beziehungen habe, in die Schweiz zu reisen. Wenige Tage vor der Abstimmung kommt ein Brief an alle Abgeordneten, den ich natürlich auch habe, da stand drauf - von Kauder, Oppermann, Göring-Eckhardt, drei Fraktionsvorsitzende: Liebe Kolleginnen und Kollegen, an alle diese Fraktionen, wir schreiben euch nicht als Fraktionsvorsitzende, sondern als einfache Abgeordnete, würden euch aber bitten, diesem da übermorgen im Bundestag zur Abstimmung gestellten Antrag zuzustimmen.
    "Für mich ist der Abgeordnete die Nummer eins"
    Welter: Also schriftlicher Fraktionszwang …
    Matthäus-Maier: Schriftlich – ja, nicht Fraktionszwang –, aber so fies, auch so hinten rum. Das gab es früher nicht. Und die Abgeordneten haben sich das gefallen lassen, da hätte es einen Aufstand geben müssen. Da hätte ich gesagt, schon deswegen stimmen wir nicht dafür, so geht ihr nicht mit uns um.
    Welter: Schon aus Prinzip.
    Matthäus-Maier: Und übrigens, zwei Tage vorher war der Brief der beiden Kirchen gekommen. Wenn Sie die nebeneinanderlegten, sahen Sie, die waren fast identisch. Aber unabhängig davon, das gab es damals nicht. Ich glaube, mehr Abgeordnete standen da als Person, wir stehen hier und wir können nicht anders. Die haben ja sogar mal überlegt, bei der europäischen Behandlung, das Thema Griechenland und so, dass sie den Abweichlern kein Rederecht zugestehen wollten – also das ist ganz unmöglich.
    Welter: Das wäre mit Ihnen nicht gegangen.
    Matthäus-Maier: Ist ja jetzt auch und hat ja nicht geklappt, aber da finde ich, für mich ist der Abgeordnete tatsächlich die Nummer eins. Die Regierung ist abhängig von den Abgeordneten, und da waren Leute wie Struck ganz wichtig – und übrigens auch Lammert. Lammert hat da ja gegengehalten, als man die Abweichler nicht reden lassen wollte, der ist wirklich ziemlich schwarz wie die Nacht gewesen, aber er hat die Rechte der Abgeordneten immer verteidigt.
    Die SPD-Finanzexpertin Ingrid-Matthäus-Maier am Rednerpult des Bonner Bundestages im Jahr 1997
    Die SPD-Finanzexpertin Ingrid-Matthäus-Maier am Rednerpult des Bonner Bundestages im Jahr 1997 (dpa)
    "In der FDP wurde nicht gesungen"
    Welter: Und Peter Struck lange Jahre als Fraktionsvorsitzender. Sie haben mal formuliert, in der SPD wurde mehr gesungen.
    Matthäus-Maier: Ja, ich sang immer gerne – auch mit meinen Kindern und meinen Enkeln. Ich habe auch Geige gespielt, aber wir hatten gar keine Parteilieder. Und in der SPD, na gut, das Knappenlied natürlich und die ähnlichen. Dann sagten die, warum singst du nicht mit? Da sag ich, in der FDP wurde nicht gesungen, ich kenne die Lieder nicht.
    Welter: Wie schwer war es denn dann, in der SPD wieder als Finanzexpertin Fuß zu fassen, wahrgenommen zu werden, ernst genommen zu werden – das war ja nun nicht das Fachgedöns, sondern die ganz harte Thematik. Wenn man von außen kommt, die Neue ist sozusagen, stelle ich mir das nicht so einfach vor. Gab es da Konkurrenz, Binnenkonkurrenz?
    Matthäus-Maier: Ja! Das will ich aber nicht vertiefen, das ist vorbei. Aber wenn man so will, gab es dann eine Situation, die erstens dadurch gekennzeichnet war, dass Apel auf einem Bundesparteitag nicht wiedergewählt wurde in den Vorstand oder in den stellvertretenden Vorstand der SPD, und daraufhin trat er zurück von dem Stellvertreterposten in der Fraktion für Wirtschaft und Finanzen. Da bat mich Hans-Jochen Vogel zu sich: Kannst du dir vorstellen, dass du das machst? Ja, sag ich, gerne. Da gab es zwei ältere Kollegen, sehr lange dabei, von der SPD, aus dem Haushaltsausschuss – da konnte ich schon deutlich spüren, dass die heftig schluckten, dass da eine aus ihrer Sicht junge Frau das bekam, und das hat aber dann geklappt, weil Hans-Jochen Vogel das auch einfach wollte.
    "Da kam die Idee: Wir müssen eine Währungsunion machen"
    Welter: Springen wir in die späten 80er-, frühen 90er-Jahre. Ich erinnere mich gut, in den Jahren der deutsch-deutschen Wende, in dieser Schlussphase der Bonner Republik – so will ich es mal nennen, von heute aus betrachtet –, war eine immer für Interviews ansprechbar, eine hatte immer Stallwache am Wochenende, das war Ingrid Matthäus-Maier. Sie waren omnipräsent, aber auch weil die Thematik natürlich war, wie sie war. Sie waren die Erste, die die deutsch-deutsche Währungsunion ins Gespräch gebracht hat. Wie lief das?
    Matthäus-Maier: Es war im Winterurlaub 89/90. Mein Mann und ich waren auf den Kanaren, ich stand in engem Kontakt mit meinem besten Mitarbeiter, der später Minister in Mecklenburg wurde. Und uns war klar: Da kamen die Ostdeutschen jeden Tag zu Tausenden, das Land lief leer sozusagen, und wir konnten mit der Westmark da drüben alles kaufen, was wir wollten. Da kam die Idee: Wir müssen eine Währungsunion machen. Das war noch sehr vorsichtig, das war in der "Zeit" ein Artikel Mitte Januar 90. Ich weiß, dass Waigel gesagt hat, die hat sie nicht mehr alle. Der Hintergrund war der, den später mir Kohl gesagt hat, denn spätestens im März war auch Kohl dieser Ansicht: Also, da sag ich, Herr Bundeskanzler, wann haben Sie sich denn und warum haben Sie sich entschieden, dass die Währungsunion her muss? Da sagt er, mein Innenminister Schäuble sagte mir, da kommen jeden Monat 20.000. Und diese Schilder kannte ich ja schon vom Januar 90: "Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, gehen wir zu ihr." Deswegen habe ich diesen Vorschlag gemacht. Und ich weiß - zum 1. Juli 1990 trat das dann in Kraft -, dass immer heftig diskutiert wurde: War das nicht zu früh? Mein persönliches Dilemma war, dass der Kanzlerkandidat, der erst dafür war, nach irgendwelchen Gründen, die mir bis heute unklar sind, dann dagegen war. Das war für mich ein Riesenproblem, das führte dann schon mal dazu, dass auf einer Pressekonferenz er was dagegen sagte.
    Welter: Der Kanzlerkandidat?
    Matthäus-Maier: Oskar Lafontaine.
    Welter: Oskar Lafontaine.
    Matthäus-Maier: Und dann kam ich dran, und dann sagte ich, ich wollte nur mal richtigstellen, diese brauchen wir, die Währungsunion. Und wenn wir dann runtergingen, da sagte er, das machst du aber nicht noch mal, dass du neben mir sitzt und gegen meine Meinung sprichst. Ich sag, dann lade mich nicht ein, mit dir auf ein Pressegespräch zu gehen, dann mach das alleine.
    Einen Vogel zeigt die finanzpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Ingrid Matthäus-Maier dem SPD-Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine zu Beginn der Fraktionssitzung der Sozialdemokraten in Bonn (Bild aus dem Jahr 1998)
    Einen Vogel zeigt die finanzpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Ingrid Matthäus-Maier dem SPD-Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine zu Beginn der Fraktionssitzung der Sozialdemokraten in Bonn (Bild aus dem Jahr 1998) (picture alliance/ dpa)
    "Riesenerfolg, dass wir die Einheit bekommen haben ohne Blutvergießen"
    Welter: Das heißt, Sie waren in der Sache überzeugt, die deutsch-deutsche Währungsunion muss kommen, Sie hatten den damaligen Finanzminister Theo Waigel gegen sich, Helmut Kohl noch nicht an Ihrer Seite und den eigenen Kanzlerkandidaten, wenn man so will, also die Partei teilweise auch gegen sich.
    Matthäus-Maier: Das war etwas heftig.
    Welter: Und die Bundesbank dürfen wir nicht vergessen, die war auch nicht begeistert.
    Matthäus-Maier: Nicht ganz! Mit der Bundesbank standen wir im Gespräch, die war so ein bisschen wackelig, wie sie manchmal ist. Die hat gesagt, wenn das kommt, müssen die aber auch ihre Souveränität ihrer alten DDR-Staatsbank aufgeben. Das war ja klar, hat sie ja auch getan. Nein, und Waigel hat das ja dann relativ schnell aufgegeben, als Kohl dann auch dafür war. Was wichtig war: Ich hatte immer die Mehrheit in den Gremien der SPD. Für mich war Folgendes wichtig: Alle, die gesagt haben, das wäre viel zu schnell gekommen – ich hätte es auch lieber langsamer gehabt, so ein bisschen Step by Step.
    Welter: Also nicht schon am 1. Juli 1990.
    Matthäus-Maier: Ja, und warum ging das nicht anders? Was die wenigsten wissen: Am 17. Juni, Tag der Deutschen Einheit, hatte die DSU, das war eine Partei in der DDR, den Antrag gestellt, dass sie nach Artikel 23 des Grundgesetzes – den gab es bis damals, da steht drin: Die Bürger der DDR – so sinngemäß, der anderen Länder – können jeden Tag beitreten. Die stellten also den Antrag, zehn Tage vor der Währungsunion: Beitritt zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit dem heutigen Tage. Das war auch die Stimmung in der DDR. Und nur, weil Kohl mit de Maizière, dem anderen de Maizière, telefonierte, und unser Hans-Jochen Vogel mit den dortigen SPD-Leuten, ist verhindert worden, dass bereits am 17. Juni die DDR beitrat der Bundesrepublik Deutschland. Dann hätte die sogar am 17. Juni abends die Mark gehabt. Diese Unkenntnis über juristische Vorgänge hat mich immer geärgert. Wir konnten es dann darlegen, lieber wäre mir gewesen über einen längeren Zeitraum, aber so ging es nicht anders. Kohl hat dabei Fehler gemacht, etwa die Finanzierung über die Sozialversicherung ganz überwiegend, und andere, aber insgesamt war das ein Riesenerfolg, dass wir die Einheit bekommen haben ohne Blutvergießen, und dass eben die DDR die reichen Brüder und Schwestern hatten im Westen, die das Ganze finanzieren konnten.
    Aus der Politik in die Bankenwelt
    Welter: Sie waren in dieser Zeit sehr bekannt, Sie waren sehr gefragt, Sie waren profiliert in vielen Fragen. Und dann, als die SPD 1998 die Wahl gewann, machte Gerhard Schröder Oskar Lafontaine, den Sie gerade schon erwähnt haben, zum Finanzminister. Es gab viele, die gedacht hätten, Sie würden das. Was ist da passiert?
    Matthäus-Maier: Bis heute sprechen mich Leute an: Wenn Sie das gemacht hätten, dann wäre das nicht passiert mit dem Lafontaine. Ich muss das aber richtigstellen. Im Sommer 1998 ruft Lafontaine mich an – mit dem hatte ich ja ein gutes Verhältnis, Wirtschaft, Finanzen, da gab es ja eine Arbeitsgruppe – und sagte, der Schröder stellt eine kleine Gruppe auf von Leuten, die in sein Kabinett sollen. Ich möchte – und der ist auch bereit – in dieser Gruppe für Wirtschaft und Finanzen und Haushalt zuständig sein. Eigentlich ist das dein Beritt, ich möchte mit dir darüber sprechen. Ich sag, Oskar, ich bin eine der wenigen, die den Haushalt so richtig von vorne bis hinten kennt. Wer das macht, der hat einen ganz, ganz schweren Job. Wenn du das machen willst, habe ich überhaupt nichts dagegen. "Und, ja, was machen wir denn mit dir?" Ich sag, Oskar, wenn wir gewinnen, gibt es so wichtige Positionen zu besetzen, da hab mal keine Sorge um mich. "Ja. was denn zum Beispiel?" Ja, sag ich, dann überlege ich mir, ob ich Fraktionsvorsitzende werde. Und da sagte er: "Ooh, bei deiner Art, das wird aber nicht einfach." Ja, sag ich, lass das mal meine Sorge sein. Also das ist einvernehmlich gelaufen, muss ich wirklich sagen. Und etwa drei Wochen später lässt Schröder bei mir anrufen, der Platz vom früheren Staatssekretär bei Helmut Schmidt in der KfW, der dort saß, wird frei. "Kannst du dir vorstellen in die KfW zu gehen?" Das war immer so, dass auch Vorstandsmitglieder aus der Politik kamen. Und da ich nun also sämtliche Bankengesetzgebung, das war ja alles durch meine Hände gegangen, habe ich meinen Mann kurz angerufen vom Plenum aus – ich saß im Plenum, als ich da gefragt wurde – und habe gesagt, ja, mache ich gerne.
    Josef Ackermann (links), damals Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Ingrid Matthäus-Maier, frühere Vorstandssprecherin der KfW Bankengruppe, und der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) bei einem Treffen der Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD) in Frankfurt im Jahr 2006
    Josef Ackermann (links), damals Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Ingrid Matthäus-Maier, frühere Vorstandssprecherin der KfW Bankengruppe, und der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) bei einem Treffen der Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD) in Frankfurt im Jahr 2006 (picture alliance/ dpa/ Arne Dedert)
    "Erste Frau in einer solch wichtigen Position - das war ja nun auch was"
    Welter: Das war attraktiv, Bankenchefin zu werden bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Auf der anderen Seite hat das auch ein bisschen so den Geschmack, als hätte man Sie da wegloben wollen, denn als Fraktionsvorsitzende wären Sie sehr unbequem gewesen.
    Matthäus-Maier: Ja. Aber man muss natürlich auch sehen, Schröder und ich kamen am besten zurecht, als zwischen uns 600 Kilometer lagen. Dann kamen wir auch gut zurecht, da die Bank ja immer enge Verbindungen auch zur Bundesregierung hat, sie gehört ja zu über 80 Prozent dem Bund und der Rest den Ländern. Es gab schon mehrere Geschichten, wo Schröder und ich nicht einer Meinung waren. Aber ich glaube, auch für mein Denken und das meines Mannes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die erste Frau in einer solch wichtigen Position, erst im Vorstand, aber dann als Sprecherin, das war ja nun auch was. Das wurde auch von den ganzen Frauenorganisationen so gesehen, da hatte man ja nun wirklich Power. Gut, man war abhängig, und die ganze Bankengesetzgebung, das war schon schwierig genug, und dann später das Problem mit der IKB. Aber es war erstens ein neuer Anfang, und ich habe es sehr gerne gemacht.
    Welter: Zur IKB will ich gleich noch ganz kurz kommen, das müssen wir noch ansprechen, aber ich will noch einen Schritt zurückgehen: Lafontaine wurde also Finanzminister, also war es dann er, der die Geschicke hin zur europäischen Währungsunion lenken musste – er hat das halbherzig getan. Wie standen Sie zum Euro?
    Matthäus-Maier: Ich war seit Langem mit Delors bekannt, er hatte auch eine Arbeitsgruppe, eine proeuropäische, die tagte so dreimal im Jahr in Paris, da war auch Pascal Lamy dabei von der Handelsorganisation. Ich war auf jeden Fall sehr stark Proeuropäerin und war auch für die europäische Währungsunion – so wie ich schon zu Zeiten von Helmut Schmidt für das europäische Währungssystem war. Das sind ja alles Stufenfolgen, das haben ja Leute wie ich mit durch den Bundestag gebracht. Dann war die europäische Währungsunion die folgerichtige Konsequenz – ich war immer dafür, weiß aber, dass viele Ostdeutsche, die mich wirklich auch sehr respektiert haben, weil ich für die Mark im Osten war, gesagt haben: Ohhh, jetzt haben wir die wunderschöne Mark, und jetzt sollen wir die schon wieder abgeben für den Euro. Aber ich war immer sehr für Europa, auch aus einem anderen Grunde: Wir leben in einer Zeit, manchmal sitzen mein Mann und ich und Freunde zusammen und sagen, wir hatten es ja so gut im Leben, es ging immer nur aufwärts. Nun gut, wir waren auch alle sehr fleißig, beruflich, und so etwas. Und all die zig Jahre keinen Krieg, das gab es noch nie. Dafür brauchen wir ein starkes, geeintes Europa, und deswegen müssen wir alles tun, dass es so ist und so bleibt. Deswegen finde ich es sehr gut, was der Macron jetzt macht – ob er das alles so durchsetzen kann, wird man sehen –, aber ohne Europa, auch übrigens ökonomisch, sind wir ja gar nichts.
    "Das habe ich Steinbrück richtig übel genommen"
    Welter: Machen wir den Sprung noch mal hin zur IKB, die Sie angesprochen haben. Sie waren also Chefin der KfW-Gruppe, und es gab dann die auch politisch motivierte und angestoßene Entscheidung, Ramschpapiere der IKB, der Industriekreditbank, aufzukaufen.
    Matthäus-Maier: Dem muss ich widersprechen. Der Aufkauf der Ramschpapiere durch die IKB war nicht politisch motiviert. Das war alleine die Entscheidung des Vorstandes der IKB und übrigens von Herrn Ackermann.
    Welter: Also der privaten Banken.
    Matthäus-Maier: Der Privatbank. Die IKB war eine private Bank, sie gehörte auch dem privaten Bankenverein an. Und Ackermann, also die Deutsche Bank, war einer der Hauptverkäufer – der hatte diese Papiere, die ja aus Amerika kamen, verkauft an die IKB. Das habe ich ihm später immer vorgeworfen, weil er dann sehr vereint mit Herrn Steinbrück und mit dem privaten Bankenverband dafür sorgte, dass die KfW so viel Geld da reinsteckte, weil wir immer risikoavers waren.
    Welter: Gut, dann nennen wir es politische Rückendeckung. Also Steinbrück hat es mit befördert, dass die KfW als staatliche Bank …
    Matthäus-Maier: … dass die das rettete. Aber die Rettung war stark politisch motiviert, Arm in Arm mit Ackermann und anderen – das habe ich auch Steinbrück richtig übel genommen. Aber die Ramschpapiere zu kaufen, das war alleine die Entscheidung des Vorstandes. Wir hatten ja auf Druck der Politik 20 Prozent von der IKB übernommen, weil die Royal Bank of Scotland die IKB kaufen wollte, und da das die deutsche Mittelstandsbank war, wollte das die Politik nicht. Also die Beteiligung in Höhe von 20 Prozent, das war schon in Ordnung. Ich war nie in deren Vorstand, ich war nie in deren Aufsichtsrat, ich war nie in deren Finanzausschuss, im Verwaltungsrat – von daher war das schon ein bisschen Pech.
    "Die heftigen Angriffe - ich wurde einfach krank"
    Welter: Pech insofern, das müssen wir den Hörerinnen und Hörern erklären, Ihre Karriere, sagen wir, bei der KfW war dann aufgrund dieser Vorkommnisse zu Ende. Sie sind dann gegangen.
    Matthäus-Maier: Ich wurde einfach krank, muss ich ganz ehrlich sagen. Die heftigen Angriffe, ich musste überall erscheinen und das alles begründen. Ich bin doch schon dankbar, dass in der Regel die Finanzpresse und die ökonomische Presse gesagt hat, das war sie nicht, auf gar keinen Fall. Zum Beispiel ihr Vorgänger, Reich, der saß in all den Gremien, und der kommt heil davon. Nein, und da ich dann die Chance hatte, ganz normal in den Ruhestand zu gehen, ich hatte gerade das Alter erreicht, habe ich das dann genutzt, sodass ich praktisch zwei Legislaturperioden Vorsitzende war.
    Welter: Und Ihre Reputation als Finanzfachfrau hat nicht gelitten und Sie haben Ihren Frieden gemacht?
    Matthäus-Maier: Ich habe meinen Frieden gemacht, wie sie gemerkt haben. Ich habe schon ein paar Leute im Visier, also zum Beispiel, als Ackermann in Rente ging, die Worte von Steinbrück zu Ackermann, der uns das an den Hals geholt hat, die fand ich sehr, sehr unpassend. Also da ist mein Groll schon sehr tief, aber das ist vorbei.
    Welter: Bundestag, die Bank, eine belebte Karriere in sehr belebten Zeiten auch. Sie wären nicht Ingrid Matthäus-Maier, wenn Sie nicht auch im Ruhestand noch sehr, sehr aktiv wären auf vielen Feldern. Sie sind humanistisch aktiv, Sie setzen sich für das Thema Kirche und Staat ein – Sie haben es eingangs unseres Gesprächs schon erwähnt. Sie engagieren sich sehr in Sachen Sterbehilfe, haben einen Artikel geschrieben "Mein Ende gehört mir" – das sind die Themen, die Sie bewegen und die Ihnen auch wichtig sind.
    Matthäus-Maier: Ja. Die Sterbehilfe - ich hoffe, dass Karlsruhe in den nächsten Monaten hoffentlich entscheiden wird, dass diese Einschränkung meines Rechtes, selber sterben zu wollen, wann ich das will, dass sie dieses Gesetz aufheben, man weiß es nicht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    (*) Ingrid Matthäus-Maier hat in der ursprünglichen Fassung des Gesprächs versehentlich die Jahreszahl 2005 genannt. Richtig ist aber das Jahr 2015. Wir haben dies im Text korrigiert.