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Initiative gegen Ingenieurmangel

Einerseits brauchen wir mehr Ingenieure, andererseits werden Studienabgänger derzeit wegen der Wirtschaftskrise nicht eingestellt. Annette Schavan regt deshalb einen Nachwuchsfonds an, um zu verhindern, dass Ingenieure ihr Glück im Ausland suchen.

Annette Schavan im Gespräch mit Lothar Guckeisen | 02.09.2009
    Annette Schavan: Auf der einen Seite gibt es die Prognose, wie sie auch Herr Fuchs abgegeben hat: Wir brauchen mehr Ingenieure. Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen, die sagen, jetzt im Moment, in der Wirtschaftskrise, sind bei uns die Aufträge zurückgegangen, wir tun uns schwer, Stellen zu besetzen. Und das darf uns nicht passieren, dass aufgrund der Wirtschaftskrise jetzt Ingenieure nicht eingestellt werden, die aber vielleicht ein Jahr später schon wieder gebraucht werden. Deshalb müssen wir jetzt agieren, also nicht zulassen, dass Ingenieure, weil sie jetzt nicht eingestellt werden, aber in ein, zwei Jahren wieder gebraucht werden, abwandern, sich umorientieren, sondern jetzt die Möglichkeit bekommen, einzusteigen. Das kann durch einen Nachwuchsfonds passieren, wir haben erste Initiativen wie in Bayern, das kann passieren durch die Einbindung von Studienabsolventen in Entwicklungsprojekte. Jedenfalls dürfen wir nicht zulassen, dass junge Leute abwandern.

    Guckeisen: Ein Nachwuchsfonds, das Kernstück Ihrer Initiative, was verstehen Sie denn ganz genau darunter? Wer soll da einzahlen?

    Schavan: In Bayern läuft dieses Projekt schon, das ist ein Fonds, der vor allem aus den Unternehmen gespeist wird, und im Zweifelsfall ergänzt wird durch Maßnahmen der Bundesagentur, der Einstieg über Kurzarbeit ist mehr, als überhaupt nicht einsteigen zu können.

    Guckeisen: Sie wollen jetzt einen Vorstoß machen, Sie haben angekündigt, bereits in den nächsten Wochen, also noch vor der Bundestagswahl. Wer soll denn da am Tisch sitzen? Haben Sie denn schon Zusagen, Verabredungen möglicherweise schon?

    Schavan: Ich werde die Vertreter der Forschungsorganisationen einladen und alles, was ich höre, ist, es gibt ein großes Interesse, weil alle wissen, dass wir jetzt diese Delle, wie sie zu befürchten ist, nicht zulassen dürfen.

    Guckeisen: Jetzt hat es viele Runde Tische bei uns in der Republik gegeben, und es gibt einige, da ist hinten aber nicht viel bei rumgekommen. Wie wollen Sie denn sicherstellen, dass das diesmal anders wird?

    Schavan: Indem ich den Vergleich zum Ausbildungspakt mache. Das war ein sehr erfolgreicher Runder Tisch mit Vertretern der Wirtschaft und der Politik. Da haben wir viele Ausbildungsplätze schaffen können. Und wenn Sie so wollen, ist es eine Ausweitung, nicht nur Pakt für Ausbildung, sondern jetzt auch Pakt für Beschäftigung. Das ist das jetzt im Moment sogar im Vergleich zum Ausbildungspakt noch größere Problem.

    Guckeisen: Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, es gibt noch keine Zusagen, sondern Sie werden jetzt erst einladen. Ob es da wirklich eine Resonanz darauf gibt, das können Sie nicht sicherstellen?

    Schavan: Alle Zeichen, die ich aus Unternehmen bekomme und aus den Verbänden, zeigen eine große Aufgeschlossenheit, weil das Problem erkannt ist.

    Guckeisen: Frau Schavan, in vier Wochen sind Bundestagswahlen – was bringt so ein Vorstoß jetzt kurz vor der Wahl?

    Schavan: Dieser Vorstoß ist nicht orientiert an der Wahl, sondern an der Tatsache, dass jetzt junge Leute da sind, die ihr Studium abgeschlossen haben, und dass man da nicht wegen der Wahl noch sechs Wochen warten kann, bevor man dann eine Initiative ergreift.

    Guckeisen: Nun gibt es ja schon seit Jahren eigentlich Forderungen, wie man das Problem in den Griff bekommen könnte, beispielsweise die Einführung eines Technikrats wurde gefordert, es wurde auch gefordert, in den Schulen eben mehr zu machen, aber so richtig kommt man da nicht in die Gänge. Haben Sie da eine Erklärung dafür?

    Schavan: Wir haben mehr erreicht als auch noch vor einigen Jahren. Die Zahl der Studienanfänger in den Ingenieurwissenschaften ist im zweistelligen%bereich gestiegen. Die Situation ist heute deutlich besser als noch vor einigen Jahren, aber es kommt das demografische Problem dazu. Und deshalb ist das, was ich jetzt gesagt habe, das eine Maßnahmenbündel, das wir angehen müssen. Das andere ist, Deutschland muss attraktiv sein für Ingenieure auch aus anderen Ländern. Wir werden darauf angewiesen sein, dass Hochqualifizierte von anderswo nach Deutschland kommen.

    Guckeisen: Sie haben ja das Beispiel Bayern angesprochen, da tut sich schon was in der Richtung, wie Sie sich das vorstellen. Baden-Württemberg hat ja auch ein neun-millionenschweres Sofortprogramm für junge Ingenieure aufgelegt, um genau eben das, was Sie geschildert haben, dass die eben ins Ausland gehen, weil sie hier im Moment nicht eingestellt werden können, zu verhindern. Haben Sie denn den Eindruck, dass in anderen Ländern das Problem in ähnlicher Weise angegangen wird?

    Schavan: Bayern und Baden-Württemberg sind ja die Länder, in denen es einen besonders großen Markt für Ingenieure gibt, deshalb haben diese Länder auch als erste Initiativen ergriffen, aber ich denke, für die anderen ist es genauso wichtig. Und deshalb müssen alle sensibilisiert werden, jetzt aktiv zu werden.

    Guckeisen: Sie haben gesagt, Einladungen sind ausgesprochen. Wann ist denn der Termin für das Treffen angesetzt?

    Schavan: Ich gehe davon aus, dass ein solches Treffen in der übernächsten Woche, angepeilt ist der 16. September, stattfinden kann.