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Innenausschuss des Bundesrats berät neues Melderecht

Die Empörung über das im Windschatten der Fußball-EM vom Bundestag verabschiedete neue Meldegesetz war groß, als dessen Datenschutzmängel ans Tageslicht kamen. Begleitet von Protesten und der Übergabe von über 190.000 Unterschriften gegen das Projekt hat der Innenausschuss des Bundesrates heute über das Gesetz beraten.

Von Dieter Nürnberger | 06.09.2012
    Ein paar Dutzend Demonstranten zogen heute Morgen mit Plastiktrompeten und Trillerpfeifen vor den Bundesrat in Berlin, um für mehr Datenschutz in den Meldeämtern zu demonstrieren. Ein Bündnis mit dem Namen "Meine Daten sind keine Ware" übergab mehr als 190.000 Unterschriften an die Mitglieder des Innenausschusses der Länderkammer.

    Der Bundestag hatte der Novelle des Meldegesetzes Ende Juni zugestimmt. Es waren nur wenige Abgeordnete im Plenum versammelt, eine Debatte gab es nicht, die Reden wurden zu Protokoll gegeben. Es war der Abend eines wichtigen Europameisterschaft-Fußballspiels und so ging in der Öffentlichkeit erst einmal unter, was da eigentlich beschlossen wurde, sagt Christoph Bautz von der Initiative Campact.

    "Derzeit haben wir die Situation, dass die Bundesländer das jeweils einzeln regeln, was an Daten weitergeben werden darf. Es gibt nun die Bestrebung, dies bundeseinheitlich zu regeln. Wir sagen, da darf es zu keiner Aufweichung kommen. Wir brauchen vielmehr eine scharfe Regelung: Nur nach Einwilligung dürfen die Meldebehörden Daten etwa an Adresshändler weitergeben. Grundsätzlich muss dies aber erstmal verboten sein."

    Vor- und Familienname, aktuelle Anschrift, Familienstand, Geschlecht, akademischer Grad, Religionszugehörigkeit, Geburtsdatum und so weiter. Wer sich polizeilich anmeldet, und das ist Vorschrift in Deutschland, muss eine ganze Reihe an Daten bei den Behörden hinterlassen. Dass die Meldeämter einen Teil dieser Daten weitergeben dürfen, erzürnt viele Bürger und auch Datenschützer. Christoph Bautz:

    "Es geht sicherlich um Inkassounternehmen, es geht aber auch um die Werbewirtschaft. Es sind ja große und zentralisierte Datenbestände, die so eigentlich nirgendwo sonst vorhanden sind. Das ist somit eine Art Goldgrube für Adresshändler, die sagen, wir können dadurch unsere Daten abgleichen, immer auf den aktuellsten Stand halten. Das widerspricht aber nach unserer Meinung den Belangen des Datenschutzes."

    Zwar kann sich die Werbewirtschaft heute - laut Ansicht vieler Experten - dank eines oft sorglosen Umgangs der Bürger mit dem Internet ohnehin viele, auch persönliche Daten besorgen. Doch will das Bündnis "Meine Daten sind keine Ware" die Regelungen generell hoch ansetzen. So fordert Cornelia Tausch vom Bundesverband der Verbraucherzentralen eine aktive Einwilligungslösung der Bürger. Soll heißen, sie müssten vor der Weitergabe der Daten durch die Meldeämter gefragt werden und somit einwilligen. In der Neufassung des Gesetzes gebe es hingegen nur ein recht unwirksames Widerspruchsrecht.

    "Die Neufassung, wie sie auf dem Bundestag gekommen ist, wir die Situation noch verschlechtern. Denn selbst die Widerspruchslösung, die es ja beschränkt geben soll, wirkt sich zum Teil nicht aus, wenn es sich um zu aktualisierende und abzugleichende Daten handelt."

    Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner (SPD) nahm die gesammelten Unterschriften der Gegner des neuen Meldegesetzes entgegen. Am 21. September soll der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen werden. Andreas Breitner.

    "Wir brauchen vor allem das Einwilligungsrecht, sodass jeder auch die Möglichkeit hat, nicht nur wirklich zu widersprechen, sondern ein Einwilligungsrecht, da müsste man als Bürger ganz aktiv einwilligen. Denn das bisherige Widerspruchsrecht ist hingegen nur ein stumpfes Schwert. Das ist ein entscheidender qualitativer Unterschied. Das führt nun dazu, dass 7 Bundesländer gesagt haben, wir müssen den Vermittlungsausschuss anrufen und noch mal darüber reden."

    Nachdem von sämtlichen Datenschutzbeauftragten der Länder und auch des Bundes bereits scharfe Kritik kam und sich auch Mitglieder der Bundesregierung über die Veränderungen der Gesetzesnovelle durch den Bundestag irritiert gezeigt haben, darf davon ausgegangen werden, dass ein Kompromiss im Vermittlungsausschuss zustande kommt. Es steht wohl so gut wie fest, dass der Entwurf des Parlaments so nicht durchkommen wird.