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Innere Sicherheit
"Die Aufgabe für uns ist es, die Polizei besser auszustatten"

Die Bundeswehr und die Polizei hätten grundverschiedene Aufgabenstellungen, sagte der SPD-Politiker Christian Flisek im DLF, beides müsse sauber getrennt werden. Er plädierte dafür die innere wie äußere Sicherheit durch Investitionen zu stärken.

Christian Flisek im Bettina Klein | 26.07.2016
    Der SPD-Abgeordnete Christian Flisek bei einer Rede im Bundestag am 6.5.2015.
    Der SPD-Abgeordnete Christian Flisek bei einer Rede im Bundestag. (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Bettina Klein: Unterstützung der Polizei in Form einer Reservistentruppe oder gar in Art der Nationalgarde in den USA, das ist eine der Überlegungen nach den Anschlägen und dem Amoklauf in den vergangenen Tagen.
    Am Telefon mitgehört hat Christian Flisek, SPD-Abgeordneter im Deutschen Bundestag und dort unter anderem Mitglied im Rechtsausschuss. Ich grüße Sie, Herr Flisek.
    Christian Flisek: Ich grüße Sie, Frau Klein.
    "Die Münchener Polizei hat eine hervorragende Arbeit gemacht"
    Klein: Lassen Sie uns mal ein paar der Vorschläge, die jetzt in Rede stehen, durchgehen. Einsatz der Bundeswehr im Innern ist ja jetzt nach dem neuen Bundeswehr-Weißbuch, ich will nicht sagen, angedacht, aber möglicherweise doch realistisch. Sie sind komplett dagegen?
    Flisek: Ich sehe momentan für diese Debatte gar keine Notwendigkeit. Wir haben, wenn Sie sich jetzt nur mal - ich bin ja selber in Bayern mit meinem Wahlkreis beheimatet - die Situation in München anschauen letzte Woche. Bei allem was dort passiert ist kann man, glaube ich, sagen, dass die Münchener Polizei eine hervorragende Arbeit gemacht hat. Und wir müssen einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass die Aufgaben der Bundeswehr, nämlich Sicherheit nach außen hin zu gewährleisten, und die Aufgaben der Polizei, Sicherheit nach innen zu gewährleisten, zwei Grund verschiedene Aufgabenstellungen sind. Und wenn man sich jetzt wegduckt und sagt, man unterstützt die Polizei dadurch, dass man jetzt die Bundeswehr, die ein ganz anderes Aufgabenprofil hat, zur Unterstützung einsetzt, dann, glaube ich, dann ist das ein Bärendienst. Die Aufgabe für uns ist es, die Polizei besser auszustatten, mehr Personalstellen zu schaffen und die bestehenden Polizistinnen und Polizisten, also die, die jeden Tag mit ihrem Gesicht die Sicherheit in diesem Land gewährleisten, dass man sie auch unterstützt und anerkennt, und da braucht man nicht nur warme Worte für. Wir haben einen Beförderungsstau bei vielen Landespolizeien, bei der Bundespolizei. Wir haben einen irren Überstundenberg mittlerweile, nicht zuletzt wegen der Flüchtlingskrise im letzten Jahr, und auch da muss man ran. Sicherheitspolitik gibt es nicht zum Nulltarif. Es bedarf Investitionen und dafür stehen wir.
    Klein: Wenn ich da mal nachfragen darf, Herr Flisek? Wir haben diese Diskussion, diese Forderungen immer wieder nach solcherlei Vorkommnissen und da wird gerne gesagt, na ja, ist ja klar, die Gewerkschaft der Polizei, die ruft immer nur nach mehr Personal. Bisher hatte man den Eindruck, das wird eigentlich gar nicht richtig ernst genommen. Ist denn dieser Gedanke, den Sie jetzt gerade noch mal betont haben, wirklich angekommen in der Öffentlichkeit und auch in der Landespolitik?
    Flisek: Ich werbe dafür, dass er ankommt, denn wir haben in Zeiten von Schuldenbremsen und anderen Sparmaßnahmen natürlich auch auf dem Rücken der Landespolizeien und der Bundespolizei gespart. Über die Jahre hinweg wurden dort über 15.000 Stellen eingespart und insofern ist das nicht einfach nur der Ruf nach mehr Stellen, sondern es ist der Ruf, wieder hinzukommen zu einem ursprünglichen Normalmaß. Und wenn wir jetzt eine angespanntere Sicherheitslage haben, die wir ja ohne Zweifel haben - das bestreitet ja wirklich niemand -, dann ist es eher Zeit, dass wir sogar über dieses Normalmaß hinausgehen. Das heißt, das sind nicht die üblichen Reflexe der Polizeigewerkschaft oder der einschlägigen Verbände, die man da vernehmen kann, sondern das sind sachliche Erwägungen. Noch mal: Wir müssen jeweils die unterschiedlichen Aufgabenprofile wahrnehmen, und ich kann auch den Soldatinnen und Soldaten in diesem Land doch nicht erklären, dass sie sich einerseits für Auslandseinsätze mit unterschiedlichsten Methoden vorbereiten müssen und dann jederzeit im Inneren eingesetzt werden können, was wieder eine ganz andere Baustelle ist. Ich bin sehr dafür, beides sauber zu trennen und mit Investitionen die äußere wie die innere Sicherheit zu stärken. Das muss der Weg sein und nichts anderes.
    "In Extremsituationen kann die Bundeswehr bereits eingesetzt werden"
    Klein: Der Appell ist angekommen. - Dennoch noch mal nachgefragt: Sie haben gesagt, die ganze Debatte über die Fragen, was die Bundeswehr angeht, das sei eigentlich nicht sinnvoll oder überflüssig. Was spricht denn dagegen, sich in solchen Zeiten, in denen, wie Sie gerade selber bestätigt haben, eine große Unsicherheit herrscht und eine hohe Gefahrenlage, sich zumindest mal theoretisch mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, was wäre wenn, und wenn wir Ereignisse bekommen würden wie etwa in Paris oder in Brüssel, ob das zumindest eine Möglichkeit wäre?
    Flisek: Die Rechtslage, so wie ich sie verstehe, ist ja die, dass in Extremsituationen die Bundeswehr bereits eingesetzt werden kann. Das Ganze ist geltende Rechtslage. Was jetzt diskutiert wird ist eine Grundgesetzänderung, die dazu führt, dass man die Bundeswehr beispielsweise in einer Situation wie in München einsetzen kann. Ich betone noch mal: Ich glaube, dass das ein Irrweg ist, weil ich glaube - das hat ja die Situation gerade in München gezeigt und das war eine Extremsituation, insbesondere zu dem Zeitpunkt, wo man geglaubt hat, dass es sich um drei Täter eventuell handelt und die allesamt vielleicht noch gerade in der Stadt auf der Flucht sind. Die Münchener Polizei hat in dieser Situation eine hervorragende Arbeit gemacht, und ich glaube, das sollte man mal in den Vordergrund stellen als Reaktion auf so eine Tat und nicht jetzt hergehen und sagen, wir fordern, dass die Bundeswehr dort einrückt. Es gibt keine Denkverbote, Frau Klein. Es gibt keine Denkverbote. Aber ich sage auch, man muss sachlich abwägen, und ich komme zu dem Schluss, dass es für einen Einsatz der Bundeswehr im Innern derzeit kein Bedürfnis gibt.
    "Reservisten sind Teil der Bundeswehr und die steht für die äußere und nicht für die innere Sicherheit"
    Klein: Okay. Ich wollte jetzt gerne auch noch mal eine Frage stellen, weil ich glaube, die Münchener Polizei ist wirklich seit Freitagabend vielfach gelobt worden und deren Arbeit ist öffentlich doch auch gewürdigt worden. Wir halten jetzt mal fest: Sie haben gerade gesagt, theoretisch ist der Einsatz bei Ausnahmefällen schon möglich. Das sieht die Opposition zum Beispiel auch anders und sagt, das ist rechtlich gar nicht abgesichert. Aber da halten wir jetzt noch mal Ihre Meinung fest: Noch mal kurz das Stichwort Reservisten, das würden Sie an der Stelle auch mit den gleichen Argumenten ausschließen, das brauchen wir auch nicht?
    Flisek: Nein, das brauchen wir auch nicht. Wir können über eine stärkere Aktivierung von Reservisten zur Gewährleistung unserer äußeren Sicherheit nachdenken. Aber noch mal: Reservisten sind Teil der Bundeswehr und die steht für die äußere und nicht für die innere Sicherheit in diesem Land, und ich trete nach wie vor für diese Trennung ein.
    Klein: Okay. Weiterer Punkt: Sicherheitsüberprüfung von Flüchtlingen oder nochmalige Überprüfung von Flüchtlingen, die hier auch schon registriert wurden. Das ist auch ein Vorschlag, eine Forderung, die jetzt aus Bayern kommt von Ministerpräsident Seehofer, wenn ich das richtig sehe. Ist das etwas, wo die Behörden jetzt auch ran müssen und sagen, unabhängig von denen, die noch gar nicht registriert wurden, müssen auch all die, die jetzt da sind, sich noch mal zusätzlich überprüfen lassen, weil man ja auch an den Beispielen gesehen hat, da gibt es offenbar Lücken oder zumindest ist das nicht ausreichend überprüft worden?
    Flisek: Nun ja, wir müssen erst einmal schauen, dass wir in der Tat Altlasten, die noch bestehen, im Rahmen der Nichtregistrierung abarbeiten. Ich glaube, das kann man vielen Menschen in diesem Land auch nicht erklären, dass hier Menschen über Monate im Land sich aufhalten und gegebenenfalls noch nicht mal in einer Grundregistrierung registriert worden sind. Und natürlich hat sich durch die Zuwanderung oder durch den Strom, sage ich jetzt mal, von einer Million Flüchtlingen die Sicherheitslage verändert. Deswegen bin ich für einen Vorschlag einer erkennungsdienstlichen Behandlung von dieser Personengruppe offen. Ich sage es mal so: Alle Maßnahmen, die wir ergreifen können, um hier in verfassungskonformer Weise Daten über die Menschen zu erheben, die sich in unserem Land aufhalten, sind vernünftig, und ich glaube, darüber kann man diskutieren.
    Klein: Weshalb wird das denn bisher noch nicht gemacht? Ist das auch eine Frage von zu wenig Personal, oder stehen dem rechtliche Überlegungen im Wege?
    Flisek: Ich denke, es ist Ersteres. Ich meine, mein Wahlkreis ist Passau. Wir hatten eine Situation, wo in kurzer Zeit sehr viele Menschen zu uns gekommen sind und dass die Strukturen, die vor Ort vorhanden waren und die dann auch im Weiteren aufgebaut worden sind, nicht in der Lage waren, dies in lückenloser Weise zu gewährleisten. Ich denke mal, wir sollten hier unsere Hausaufgaben schnellst möglich machen, mit den Landesbehörden, mit der Bundespolizei, um genau das sicherzustellen. Das bedeutet Registrierung und gegebenenfalls auch eine erkennungsdienstliche Behandlung. Ich denke mal, da spricht nichts dagegen, das zu tun.
    Klein: Christian Flisek, SPD-Bundestagsabgeordneter, Mitglied unter anderem im Rechtsausschuss, zu einigen der Vorschläge in der Sicherheitsdebatte hier im Augenblick in Deutschland nach den Anschlägen und dem Amoklauf. Herr Flisek, vielen Dank für das Gespräch und Ihre Zeit heute Mittag.
    Flisek: Danke, Frau Klein! Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.