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Innerlich gekündigt

Nur noch 13 Prozent aller Deutschen sind engagiert in ihrem Job – also jeder siebte; und fast jeder fünfte hat innerlich gekündigt. Das sind Zahlen, die dem Buch von Olaf Baale und Werner Bergholz zu entnehmen sind: Der eine ist Journalist, der andere hat jahrelange Erfahrung in einem größeren deutschen Unternehmen gesammelt. Die meisten, die keine Lust mehr haben, geben ihrem Chef die Schuld daran. Die Deutschen haben ein Führungsproblem, schließen Baale und Bergholz. In ihren so genannten "Kompendium der Arbeitsfreude in Staat und Wirtschaft" wollen sie deutschen Unternehmen und übrigens auch dem Staat den Weg zu mehr Erfolg weisen: Total Quality Management, zu Deutsch verkürzt: Qualitätsmanagement. Darüber habe ich vor der Sendung mit den beiden Autoren geredet.

Autorengespräch: Sandra Pfister |
    Pfister: Deutschland sei die Industrienation mit den am wenigsten motivierten Mitarbeitern schreiben Sie, woran liegt das, Herr Baale?

    Baale: Das ist natürlich ein Führungsproblem. Wir sind bei unseren Recherchen darauf gekommen, dass was Führungskultur betrifft, Deutschland als Entwicklungsland bezeichnet werden muss. Die soziale Kompetenz bei der Führung, die ist nur ganz schwach ausgeprägt und dazu kommt, dass im öffentlichen Dienst, dass ist ja ein großer Teil unserer Gesellschaft, dass es dort gar nicht so etwas gibt, was man überhaupt Führungskultur nennen könnte.

    Pfister: Was macht denn einen guten Chef aus, außer seiner Sozialkompetenz?

    Bergholz: Der gute Chef muss für die Mitarbeiter ein Verständnis aufbringen. Der gute Chef muss gute Leistung anerkennen, er muss coachen in dem Sinne, dass er Hilfestellung bietet, dass er die Bedingung dafür herstellt, dass er die Ressourcen bereit stellt.

    Pfister: Wie werden denn bei uns Führungskräfte gemacht, Herr Baale?

    Baale: Ja, dass ist eine interessante Frage. Wir haben auf jeden Fall, dass soziale Kompetenz bei der Auswahl von Führungskräften kaum eine Rolle spielt in Deutschland. Sonst wären ja auch mehr Frauen in leitenden Positionen.

    Pfister: Sie sagen Erfolg ist weiblich.

    Baale: Erfolg ist weiblich, genau. Das ist natürlich etwas provokativ aber die Situation in einem Unternehmen ist doch folgende. Also wir sind über dieses Total Quality Management im Grunde genommen darauf gekommen. Das stammt ja schon aus den 20er, 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, wo man dazu übergegangen ist, vom Aussortieren schlechter Qualität zu einer vorhersehbaren Produktion von Qualität. Und da ist man darauf gestoßen, wenn man also keine Inspektoren mehr einsetzt und keine Nacharbeiter mehr einsetzen will. Wenn man also vorhersehbar gute Qualität produzieren möchte, dass das ganz besondere Anforderungen an die Mitarbeiter stellt. Das heißt, ich kann das Unternehmen nicht mehr streng hierarchisch strukturieren, ich muss weg von der Befehlskultur. Jeder muss mitdenken, nur in Deutschland hat es so eine Qualitätsoffensive niemals gegeben.

    Pfister: Erklären Sie noch mal kurz, Herr Bergholz, was sich hinter diesem Begriff des Qualitätsmanagements konkret verbirgt.

    Bergholz: Das heißt letzten Endes, die Qualität der Führung muss stimmen, die Führung muss als Vorbild agieren. Sie muss Mitarbeiterorientierung nicht nur predigen, sondern auch wirklich haben.

    Pfister: Was heißt den Mitarbeiterorientierung konkret, heißt das, das man die Mitarbeiter am Erfolg beteiligt?

    Bergholz: Das heißt das auch. Das heißt zunächst mal angemessen am Erfolg wirtschaftlich beteiligen. Aber Untersuchungen zeigen, dass das bei den erfolgreichen Firmen, wie Nokia oder anderen Firmen nicht der entscheidende Unterschied ist. Es sind andere Sachen, wie, die Mitarbeiter fühlen sich jederzeit gut informiert, die Mitarbeiter haben das Gefühl, sie haben Aufstiegsmöglichkeiten, sie können sich weiterbilden, und ganz, ganz, ganz wichtig…

    Baale: …ihre Meinung ist gefragt.

    Bergholz: …ja, und die Mitarbeiter haben die Möglichkeit Sachen auch selber zu entscheiden, das, wo sie ja letzten Endes an ihrem Arbeitsplatz Bescheid wissen, da gibt man ihnen so viel Kompetenzen wie möglich. Und da komme ich wieder auf die Fußballmannschaft zurück. Eine gute Fußballmannschaft bekommen sie ja nicht dadurch zusammen, dass sie teure Spieler kaufen, sondern das die wirklich, die sind ja teilweise dann schon Primadonnen, das die bedingungslos miteinander spielen. Ich bin ja gerade in Bremen, und ich denk mal, Werder Bremen hat ja nicht besonders viel Geld, aber die haben eine wunderbare Mannschaft, und der Erfolgsfaktor ist der Trainer und der Manager. Und das ist bei Firmen genau das gleiche und wenn eine Fußballmannschaft schlecht abschneidet, dann haut man meistens nicht auf die Spieler ein, sondern dann schaut man auf den Trainer. Wenn eine Firma schlecht dasteht, dann ist es ja eher umgekehrt.

    Pfister: Ist das nicht eine Überforderung der Führungskräfte. Also diese These, der Fisch stinkt immer vom Kopf her ist natürlich sehr bequem und entlastend für die Mitarbeiter. Ist es nicht eine völlige Überforderung, den Chef auf ein so hohes Podest zu heben?

    Bergholz: Nein, überhaupt nicht. Die Beispiele, die wir ja in dem Buch zitieren, insbesondere das Beispiel dieser Schule in Nordirland, die von einer der schlechtesten Schule des Landes von einer der besten Schulen des Landes aufgestiegen ist.

    Baale: Ohne zusätzliches Geld, wohlgemerkt.

    Bergholz: Nur dadurch, dass die Rektorin natürlich als Persönlichkeit dieses Format hatte, und eine Führungspersönlichkeit, und da kommen wir wieder zur Sozialkompetenz zurück, die schafft das einfach. Die hat die innere Kraft, das innere Format auch, sich selbstkritisch anzuschauen und genau damit erwirbt sich die Persönlichkeit den Respekt der Mitarbeiter.

    Baale: Es ist eine empirisch gewordene Erfahrung, das Fehler im Unternehmen zu 94 Prozent Prozent vom Management rühren, nur 6 Prozent liegen bei den Ausführenden. Und sie fragten eben, was ist Qualitätsmanagement. Das würde natürlich jetzt sehr weit führen, das alles im Einzelnen zu erklären. Aber es beginnt damit, dass der Chef, der Manager, sich hinstellt und eine selbstkritische Analyse zulässt. Das heißt, er muss sich auch selbst kritisieren lassen.

    Pfister: Nun stelle ich mir das bei einem Verein wie Werder Bremen oder bei einem kleinen oder mittelständischen Unternehmen noch ganz einfach vor. Wie funktioniert das aber beispielsweise bei einem Riesen wie Nokia oder aber auch Daimler Chrysler?

    Baale: Also Nokia ist ja nun das allerbeste Beispiel, was man nennen kann. Also Nokia betreibt Qualitätsmanagement in Vollendung. Das heißt Mitarbeiterbeteiligung. Das heißt Kundenorientierung. Und wenn sie sich die Erfolge von Nokia ansehen, dann wissen sie ja auch, dieser frühere Gummistiefelproduzent da oben im Norden, in Finnland ist Weltmarkführer in der Handyproduktion und Deutschland musste seine Handysparte Siemens ja gerade an BenQ verkaufen.

    Pfister: Wie weit hängt das mit einer deutschen Mentalität zusammen? Das solche Weltmarktführer und solche Qualitätsoffensiven in anderen Ländern funktionieren, aber ausgerechnet in Deutschland nicht?

    Baale: Man muss sich auf Augenhöhe begegnen. Diese hierarchischen Strukturen sind einem vernünftigen Qualitätsmanagement im Wege. Man muss sich auf Augenhöhe begegnen. Dass heißt, auch einfache Leistungen müssen anerkannt werden. Man darf sich als Chef nicht versuchen, sich über andere zu erheben. Und das findet ja täglich in Deutschland statt. Und natürlich beginnt das ganze vor allem in der Schule. Dem widmen wir natürlich auch einige Kapitel in unserem Buch und wir stellen eben fest, dass die Kinder in den Schulen nicht lernen, den Status Quo in Frage zu stellen um zusammenarbeiten. Man bringt ihnen bei, dass es wichtig ist individuell erfolgreich zu sein, aber sie lernen es nicht, zusammenzuarbeiten.

    Pfister: Sie schreiben an mehreren Stellen im Buch, es käme auch darauf an, dass die Mitarbeiter flexibler werden, sie werden mehr Eigenverantwortung tragen. Es trägt ihrer Ansicht nach auch zur Arbeitszufriedenheit bei, wenn man beispielsweise alle drei bis fünf Jahre mal den Aufgabenbereich, oder gar die Firma wechselt. Das sind Gedanken, die sich so sicher noch nicht durchgesetzt haben.

    Baale: Aber sehen Sie sich doch nur mal an, was deutsche Arbeitnehmer nach ihrer Freizeit leisten, in ihrer Vereinstätigkeit. Da werden Dinge auf die Beine gestellt, die sind wirklich gestandenen Unternehmungen würdig. Das heißt, die Menschen kommen frustriert von der Arbeit nach Hause und flüchten ihre ganze Kreativität in die Freizeit. Und wenn uns das gelingt, das zu ändern, ich denke, dann wird auch Deutschland sein Qualitätsproblem lösen können.

    Das waren Olaf Baale und Werner Bergholz. Sie haben das Buch geschrieben das deutsche Führungsproblem. Kompendium der Arbeitsfreude in Staat und Wirtschaft; das Buch umfasst 180 Seiten, verlegt hat es der Deutsche Taschenbuch Verlag in München, es ist im Buchhandel erhältlich für 12 Euro 50.