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Innovative Aufforstung im Regenwald der Philippinen

Es tobt ein gnadenloser Kampf um die Regenwälder Südamerikas. Der Mord an Dorothy Stand, der 73jährigen amerikanischen Nonne, und an einem weiteren Missionar haben es wieder ins Bewusstsein geholt. Sie mussten sterben, weil sie sich mit den Kleinbauern der Region dafür eingesetzt hatten, die gewaltigen Urwälder des Amazonas zu retten. Aber auch in Südostasien leidet der Regenwald. Allein auf den Philippinen wurde der Gesamtwaldbestand in den letzten 40 Jahren um 94 Prozent reduziert. Und dabei gelten die Philippinen als die "Galápagos hoch 10". Denn in keinem anderen Land der Erde gibt es pro Hektar Naturfläche eine vergleichbare Artenvielfalt.

Von Nadine Querfurth |
    Auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Tropenökologie, die am Freitag in Berlin zu Ende ging, haben Wissenschaftler ein innovatives Konzept vorgestellt. Es sieht vor, Waldflächen auf den Philippinen langfristig und standortgemäß wieder aufzuforsten. Und zwar nicht so wie in der Vergangenheit, wo man exotische, nicht einheimische Baumarten angepflanzt hat, um brach liegende Wälder wieder aufzuforsten.

    Professor Friedhelm Göltenboth, Tropenökologe an der Universität Stuttgart Hohenheim, erläutert, weshalb solche Konzepte nicht zum gewünschten Erfolg führen konnten:

    Bei konventionellen Aufforstungskonzepten geht man immer davon aus, dass man sich ausschließlich auf eine Sache konzentriert, nämlich die Herstellung von Holz und dabei nicht bedenkt, dass gerade in den Tropen ein Baum nicht nur ein Stück Holz ist, sondern ein Lebewesen, das für ein anderes Lebewesen eine ganz bestimmte Funktion hat.

    Genau an dieser Stelle setzt das neue Konzept des "Rainforestation Farming" an, der Regenwaldaufforstung mit landwirtschaftlicher Nutzung, das Professor Göltenboth auf Leyte durchführt. Brach liegende Flächen werden ausschließlich mit heimischen Holzarten aufgeforstet, so dass ein möglichst natürlicher und ursprungsnaher Wald entstehen kann, der vielfältige Lebensräume für Tiere bietet. Besonders in Bezug auf die ökonomischen Perspektiven der Bauern hat in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden, sagt Professor Heribert Hofer, Direktor des Institutes für Zoo- und Wildtierforschung:

    Dabei ist das Umdenken so erfolgt, dass wir mittlerweile der Auffassung sind, dass es die örtliche, die indigene Bevölkerung ist, die davon profitieren sollte und dabei wurden in den letzten 10 oder 5 Jahren vor allem zwei Punkte berücksichtigt: wer besitzt das Land und wer ist verantwortlich. Beides hat sich entwickelt zu Gunsten der Einsicht, dass man der lokalen Bevölkerung Landnutzungsrechte und Landeigentümerschaft übertragen muss.

    Die Bauern von Leyte haben die Nutzungsrechte und tragen die Verantwortung für ihr Land. Sie bauen bodennahe Gewürzpflanzen wie Ingwer und Kardamom an, aber auch hohe Bäume, die Holz liefern. Eine einheimische Pflanze hat besonders an Bedeutung gewonnen, weil sie mit ihren drei Metern Höhe genau den Lebensraum zwischen hohen Bäumen und bodennahen Gewächsen einnimmt: die Schatten liebende Faserbanane Musa textilis, auch Abaca genannt. Die Bananenpflanze produziert eine Faser, die seit langem als Manila-Hanf bekannt ist. In ihren physikalischen Eigenschaften übertreffen die Abaca-Fasern sogar synthetische Glasfasern: Sie sind um ein vielfaches reißfester. Somit könnten die Bananenfasern vielfältig genutzt werden. Derzeit testet Daimler Chrysler in einem Pilotprojekt auf Leyte, ob die Fasern als Verbundstoffe im Karosseriebau einsetzbar sind. Ökologie und Ökonomie greifen hier ineinander. Letztendlich schafft der lokale Bauer durch Baum- und Strauchplantagen vielfältige Lebensräume und sich selber eine Existenzgrundlage. Professor Göltenboth:
    Irgendwann endet das Ganze in einem Baumfarmen, das heißt er verdient aus dem Herausnehmen von einzelnen Bäumen, die dann groß genug sind und die er dann wieder nachpflanzt, nachhaltig und zwar auf lange Dauer das, was er zum Leben braucht.

    Die Samen für die Anpflanzungen stammen aus den restlichen Wäldern, die noch da sind. Die Bauern müssen die Mutterbäume in den Wäldern schützen. Denn würden sie diese abholzen, zerstörten sie ihre eigene Existenz. Das Rainforestation Farming ist auf der philippinischen Insel Leyte schon zum Selbstläufer geworden. Die Bauern können langfristig überleben und das Ökosystem hat Zeit, sich zu erholen. Mit dem Erfolg, dass der extrem gefährdete Koboldmaki in die neu angelegten Wälder zurückgekehrt ist. Auch in anderen Regionen ist die neue Form der Regenwaldaufforstung möglich, sagt Professor Göltenboth:

    Im Prinzip ist überall da, wo humide Tropen sind, ein solches Konzept machbar. Es wäre übertragbar in sämtliche andere Inselgebiete von Südostasien, es ist in die tropischen Gebiete von Südamerika und Afrika übertragbar. Und zwar überall dort, wo Brandrodung veranstaltet wird. Dieses Konzept bietet dem, der in einer gewissen Situation überleben muss, die Möglichkeit, dass er von vorne herein nicht den großen Reichtum bekommt, aber eine nachhaltige Lebenssicherung. Das heißt, er rutsch nicht mehr von der Armut ins Elend. Das ist die eigentliche Aussage bei der Geschichte und das ist für Millionen Menschen der wesentliche Punkt jeden Tag.