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Innovative Radiokunst

Mit "Orphée Mécanique" hat Felix Kubin eine experimentelle Neufassung des antiken Orpheus-Mythos vorgelegt. Sein Orpheus ist ein Popmusiker, der sich an den großen Themen des Lebens abarbeitet: Liebe und Leid, Sinn und Suche. Jetzt ist das Hörspiel des Jahres 2012 als CD erschienen.

Von Andi Hörmann | 06.03.2013
    "Verdammt! Hallo, ist da niemand? Macht auf!"

    "Macht auf! Macht auf! / Ich stehe draußen vor der Tür"

    Der antike Orpheus-Mythos als modernes Hörspiel-Comic. Der Protagonist: Popmusiker - ein Künstler, der sich an den großen Themen des Lebens abarbeitet: Liebe und Leid, Sinn und Suche, Verdrängung und Verzweiflung.

    "Ich gehe durch das Zimmer und die Dinge liegen rum / Wie lauter Buchstaben, die mir etwas sagen wollen / Der Mantel, das Kabel, die Plastiktüte / Die Zeitung, die Schuhe, das kaputte Feuerzeug / Sie wollen mir etwas sagen / Doch ich weiß nicht was es ist / Denn zum Glück gibt es immer etwas, was ich nicht verstehe..."

    Das Leben als Muse, das Scheitern im Gepäck. Der "mechanische Orpheus" ist ein musikalischer Antiheld - inklusive Fantasie-Instrument: Das Psykotron kann Gedankenströme in elektronische Signale aus Musik, Geräusch und Sprache verwandeln.

    "Eine Schnittstelle zwischen Künstler und Publikum. Der Kubus und ich, wir sind ein Körper. Ich haben ihn Psykotron getauft. Schon bei meinem ersten Auftritt im Aroma-Club haben sie mich gefeiert als einen Messias, den Messias der körperlosen Musik."

    Die Geschichte ist klassisch: Orpheus versucht seine Geliebte aus dem Totenreich zu befreien, steigt hinab in die Unterwelt und scheitert an sich selbst. Die Hörspiel-Umsetzung: fantastisch. In "Orphée Mécanique" sind Form und Inhalt, Text und Ton, feinsinnig miteinander verwoben - eine kaleidoskopartige Komposition mit poetischer Tiefenschärfe: Bilder und Farben entstehen über Sound-Fragmente und werden zu rhythmischen Klangskulpturen.

    "Bist du dir ganz sicher, dass du da hinunter möchtest? Da unten gibt es wenig Licht. Dafür jede Menge schwarze Löcher. Na gut, wenn du so wild entschlossen bist. Hör zu: Unten an der Treppe kommst du an eine Schleuse, wir nennen sie den schwarzen Strunk, dort wirst du gescannt, mein Süßer, mit dieser Schleuse ist nicht zu spaßen, normalerweise ist es lebenden nicht gestattet, sie zu passieren, mach dich auf ein paar unangenehme Überraschungen gefasst. Viel Glück!"

    Anders als in Kafkas "Türhüterparabel" bekommt Kubins "mechanischer Orpheus" Zutritt in die verborgene Welt und wird dabei zu einer Art Sisyphos - in den ewigen Mühlen des Daseins: "Trepp auf, Trepp ab", die endlose Wiederholung, der musikalische Loop.

    "Lauf, Orpheus! Lauf, Orpheus! Lauf, Orpheus! / Lauf über Stufen hinab in die Tiefe / In den Keller deiner Angst / Den Kopf in den Händen / Kalte Füße auf dem Bett / Nur dein Herz schlägt leise unter dem Parkett…"

    Keine Erlösung, sondern Scheitern an der Utopie. Dem "mechanischen Orpheus" bleibt ein Leben im Kreislauf: das Hinfallen und wieder Aufstehen, die Bewegung im Musizieren, immer dieselbe alte Leier. "Orphée Mécanique" von Felix Kubin ist dabei so hypnotisierend wie ergreifend. Eine Art "kosmisches Hörspiel" - verwurzelt in der Kulturgeschichte, verästelt in den Sternbildern.

    "Lauf, Orpheus! Lauf, Orpheus! Lauf, Orpheus!..."