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Insekten als Lebensmittel
Risiken und Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen

Insekten sind reich an Nährstoffen, vor allem an Eiweiß und Fett. Sie gelten deshalb auch als mögliches Nahrungsmittel der Zukunft. Ob sie sich dafür tatsächlich eignen, will auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) klären. Aber da gebe es noch "eine ganze Menge Unsicherheiten", sagte Professor Bernd Schäfer im DLF. Es gehe darum, "einen Überblick zu bekommen, was wir noch nicht wissen".

Bernd Schäfer im Gespräch mit Arndt Reuning | 24.05.2016
    Ein Mann schiebt sich einen Dominowürfel mit Grille
    Eine Grille auf einem Stück Schokolade. Die Zukunft oder zu riskant? (picture alliance / dpa)
    Arndt Reuning: Ob Motten, Käfer, Raupen oder Heuschrecken. Weltweit stehen 1.900 Insektenarten auf dem Speiseplan der Menschen. Und eigentlich ist das auch keine schlechte Idee. Insekten sind reich an Nährstoffen, vor allem an Eiweiß und Fett. Und die Umweltbilanz bei ihrer Aufzucht wird im Vergleich zum Fleisch als günstig angesehen. Allerdings könnte der Verzehr auch mit gewissen Risiken verbunden sein. Das ist ein Aspekt, der eine Rolle spielt auf einem Symposium, das heute in Berlin stattfindet. Veranstaltet vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Mit einem der Experten habe ich vor der Sendung telefoniert, mit Professor Bernd Schäfer vom BfR. Ich wollte wissen, wo liegen Gefahren beim Verzehr von Insekten aus industrieller Zucht?
    Bernd Schäfer: Was die Risiken jetzt wirklich anbelangt, glaube ich, gibt es einmal toxikologische Risiken. Insekten nehmen natürlich aus ihrer Umwelt Schadstoffe auf, reichern die an – wir wissen ja, dass Insekten besonders reich an Fetten sind –, neben Fettkörpern reichern sich möglicherweise auch fettlösliche Schadstoffe, Umweltschadstoffe an, aber auch Schwermetalle sind sicher ein Thema. Wir haben aber auch Risiken, was die Allergenität anbelangt. Wir wissen, dass Insekten selber allergene Strukturen enthalten, also beim Menschen dann auch Allergien bis zum anaphylaktischen Schock auslösen könnten – das wissen wir nicht, es gibt ganz große Unsicherheiten, was das anbelangt. Wir wissen aber auch, dass möglicherweise Kreuzreaktionen eine Rolle spielen, also allergische Reaktionen, die Patienten betreffen, die vielleicht gegen Muscheleiweiß oder Krustaten-Eiweiß zum Beispiel allergisch reagieren, die könnten möglicherweise dann auch gegen Insekten reagieren. Oder umgekehrt, wenn verstärkt Insekten verzehrt werden, sich auch Menschen dann sensibilisieren, also Allergien dagegen entwickeln, könnte es natürlich auch sein, dass vermehrt auch Kreuzreaktionen mit Fisch oder mit Meerestieren beispielsweise auftreten.
    Reuning: Wie sieht es denn aus mit den mikrobiellen Risiken? Wenn Insekten zu Lebensmitteln verarbeitet werden, dann werden die Därme üblicherweise nicht vorher entfernt, das heißt, die Darmbakterien der Insekten stecken möglicherweise dann in dem Produkt. Ist das überhaupt ein Problem, wenn die Tiere zum Verspeisen erhitzt werden?
    Schäfer: Ja, auch da gibt es noch eigentlich eine ganze Menge Unsicherheiten. Natürlich, mikrobielle Risiken sind ein Thema. Wir wissen darüber leider noch viel zu wenig, und es ist richtig, dass normalerweise die Insekten, die verzehrt werden beziehungsweise die Produkte, die daraus gebildet werden, stark erhitzt werden, sodass Erreger normalerweise inaktiviert werden.
    Reuning: Wenn Insekten in großem Maßstab gehalten werden, dann wird man wohl auch verhindern müssen, dass sich Krankheiten in den Beständen ausbreiten, man wird die Tiere behandeln müssen. Könnten dadurch Wirkstoffe – zum Beispiel gegen Pilze – in die Herstellungskette der Lebensmittel gelangen?
    Schäfer: Auch das können wir nicht ausschließen. Das ist ja mit einer der Gründe, weshalb wir am Bundesinstitut für Risikobewertung heute dieses Symposium abhalten. Wir wollen das ganze Wissen zusammentragen, aber auch sozusagen einen Überblick bekommen, was wir noch nicht wissen, was wir adressieren müssen. Es ist ja so, wenn Insekten als Lebensmittel oder als Futtermittel gedacht sind, dann unterliegen die natürlich denselben regulatorischen Prinzipien, die wir auch in der EU für andere Lebens- oder Futtermittel anwenden. Die Sicherheit in der gesamten Futtermittel- und Lebensmittelkette muss sicher sein. Um das zu gewährleisten, dürfen keine Lebensmittel auf den Markt kommen, die nicht sicher sind. Und für Insekten gilt – die ja als neuartige Lebensmittel in der EU eingestuft werden –, die müssen zunächst einmal bewertet werden. Wir müssen also sicher sein, dass keine Risiken von Insekten als Lebensmittel oder Futtermittel ausgehen. Und erst wenn die Sicherheit festgestellt ist, werden die zugelassen und gelangen dann auch zum Verbraucher oder als Futtermittel in den Trog der Tiere, in die Tierernährung.
    Reuning: Aber für die Risikoabschätzung spielt es schon eine Rolle, ob die Insekten als Lebensmittel oder als Futtermittel dienen sollen?
    Schäfer: Ja, natürlich. Was die Standards allerdings anbelangt, gibt es dort kaum Unterschiede. Innerhalb der EU werden ganz hohe Standards an die Lebensmittelsicherheit gesetzt, von daher werden gerade auch die Insekten sicher sehr streng bewertet, was die Sicherheitsaspekte anbelangt, um sicherzustellen, dass keine Lebensmittel aus Insekten beispielsweise auf den Markt gelangen, die nicht sicher sind.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.