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Insekten mit gutem Gedächtnis

Biologie. - Der Frühling läutet für Honigbienen die Hochsaison ein, dann sie sind permanent unterwegs auf der Suche nach gutem Nektar und Pollen. Welche Qualitätskriterien die Bienen bei ihrer Suche anwenden, wollten jetzt englische Forscher herausfinden. Schließlich kann giftiger Nektar den Tod eines ganzen Stocks bedeuten.

Von Michael Stang |
    Honigbienen sind intelligente Insekten. Sobald sie fliegen können, lernen sie von klein auf, wo es Blüten gibt, die Nektar und Pollen enthalten. Frühere Experimente hatten gezeigt, dass die Bienen sehr schnell bestimmte Farben und Formen einzelnen Blüten zuordnen können. Hat sich eine Blüte als ertragreicher Pollenspender herausgestellt, merken sich die Bienen den Blütentyp und können diese Information sogar an andere Arbeiterinnen weitergeben. Es gibt aber nicht nur erstklassigen Pollen und Nektar, sagt die Biologin Geraldine Wright von der Universität im britischen Newcastle.

    "Deshalb wollte ich mit meinen Experimenten herausfinden, ob und wie Honigbienen bei der Nahrungssuche guten von schlechten oder sogar giftigen Nektar in den verschiedenen Blüten unterscheiden können. Wenn sie giftigen Nektar erkennen können, beeinflusst das ihr Verhalten bei der Futtersuche? Können die Bienen dann - obwohl sie vielleicht von den Blüten angelockt werden - sich gegen diesen Nektar entscheiden?"

    Um herauszubekommen, ob und wie die Bienen giftigen Nektar erkennen können, nahm die Forscherin ein paar Insekten mit ins Labor und trainierte die Bienen darauf, bestimmte Zuckerlösungen anzufliegen. In einigen der süßen Lösungen hatte Geraldine Wright verschiedene natürliche Gifte, etwa Amygdalin, das Blausäure freisetzen kann, beigemengt.

    "Immer wenn die Honigbienen im Training mit einem Gift in Berührung gekommen sind, haben sie nach 15 bis 20 Minuten sofort aufgehört, weiter diesen Nektar beziehungsweise die Zuckerlösung zu trinken. Wir glauben, dass dies genau die Zeitspanne ist, die das Gift benötigt, um sich im Bienenkörper auszubreiten und zu wirken. Die Biene merkt dann, dass ihr das Essen nicht bekommt und hört auf, weiter diesen Nektar zu trinken."

    In einem solchen Fall hatte die Biene noch Glück, da ihr das Gift nicht arg zusetzte. In der freien Natur enden solche kulinarischen Fehltritte jedoch meist tödlich. Noch schlimmer ist es, wenn ein Gift erst langsam wirkt und eine Biene schon im heimischen Bienenstock weitere Artgenossinnen zu der vermeintlich lukrativen Nektarquelle geschickt hat - das kann den Tod des ganzen Bienenstocks zur Folge haben. Deshalb ist es für die Insekten überlebenswichtig, sich an eine solche giftige Erfahrung zu erinnern. Genau das wollte Geraldine Wright im nächsten Schritt herausfinden.

    "In der zweiten Phase unserer Experimente haben wir den Bienen einen Tag später wieder verschiedene Zuckerlösungen angeboten, dieses Mal aber in anderen Gefäßen und Farben. Einige von ihnen enthielten wieder das Gift. Sobald die Bienen mit dem Gift in Berührung kamen, stoppten sie sofort. Anscheinend konnten sie sich erinnern, dass ihnen der Verzehr des Gifts Tags zuvor nicht gut bekommen ist."

    Bei weiteren Experimenten mieden die trainierten Bienen immer den giftigen Nektar, egal wann und in welcher Form er ihnen angeboten wurde. Da solche Gifte in verschiedenen Blumen in unterschiedlichen Konzentrationen vorkommen, ist die Fähigkeit, sich den Geruch des spezifischen giftigen Nektars einprägen zu können, lebenswichtig. Die Forscher konnten erstmals beweisen, dass sich die Tiere den typischen Giftnektar tatsächlich einprägen und ihn nach einmaliger Erfahrung fortab scheuten. Ein Ergebnis, das Geraldine Wright so nicht erwartet hatte.

    "Überrascht war ich wirklich, als ich sah, wie schnell die Bienen die neuen Informationen speichern und anwenden können. Hinzukommt, dass wie gesehen haben, dass sich Bienen im Laufe der Zeit auf eine Blütenform spezialisieren, um dort als Experte den besten Nektar und Pollen zu bekommen. Bislang hatten viele Kollegen geglaubt, dass die Bienen wahllos Nektar sammeln und zu ihrer Kolonie bringen. Wir konnten zeigen, dass sie sehr wohl erst die Qualität überprüfen und ähnlich wie Säugetiere solche gelernten Informationen bei zukünftigen Entscheidungen benutzen."

    Jetzt wollen die Biologen ihre Tests im Freiland mit wilden Bienen wiederholen. Dann hoffen sie herauszufinden, welche neurologischen Mechanismen sich im Gehirn der Bienen abspielen, wenn sie Blumen anfliegen, deren Nektar sie besser kein zweites Mal trinken sollten. Vielleicht können sie dann auch sehen, ob die Bienen die Informationen über giftige Blüten an die Arbeiterinnen weitergeben oder nicht.