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Insekten
Wie Totengräber-Käfer ihrem Nachwuchs Proviant sichern

Totengräberkäfer legten ihre Eier in Tierkadaver und hätten eine Konservierungstechnik entwickelt, um deren Verwesung zu verzögern, erklärte der Insektenforscher Heiko Vogel im Dlf. Damit der Fleischklumpen, in dem die Larven heranwachsen, nicht gleich verrotte, benetzten die Eltern ihn mit einem speziellen Sekret.

Heiko Vogel im Gespräch mit Lennart Pyritz |
    Der gemeine Totengräberkäfer sitzt auf einem Blatt.
    Der Totengräberkäfer versorgt seinen Nachwuchs mit ausreichend Proviant, indem er aus Tierkadavern einen Fleischball formt und mit einem Sekret benetzt, das seine Verwesung bremst. (Imago / blickwinkel)
    Lennart Pyritz: Es sind eher kleine Käfer, schwarz mit orangenen Streifen auf den Flügeln. Besonders auffällig an ihnen ist aber weniger das Aussehen als ihre Lebensweise: Totengräber-Käfer werden vom Aas-Geruch toter Tiere angelockt und nutzen deren Kadaver, um ihre Nachkommen zu versorgen. Wie sie die tote Kinderstube dabei vor dem Verwesen bewahren, beschreibt jetzt ein Forschungsteam im Fachmagazin PNAS. Mit einem der Studienautoren habe ich vor der Sendung telefoniert: Heiko Vogel, Insektenforscher am Max Planck-Institut für Chemische Ökologie in Jena. Ich habe ihn zuerst gebeten, kurz zu beschreiben, was genau die Käfer mit einer Tierleiche machen, die sie finden.
    Heiko Vogel: Also die Totengräberkäfer ernähren sich von Kadavern kleiner Säugetiere oder Vögel und legen auch ihre Eier in der Nähe ab. Sobald so ein Kadaver aufgespürt wurde, arbeiten die Käfereltern gemeinsam daran, das tote Tier zu vergraben und auch vor konkurrierenden Insekten wie Fliegen zu verstecken. Außerdem entfernen sie die Haare oder Federn, je nachdem, und formen eine Art konservierten Fleischball, den sie als Nahrung für ihren Nachwuchs vorbereiten. Was dann passiert, ist, dass die Totengräbermütter sozusagen Eier in die Nähe ablegen, und die schlüpfenden Larven werden von den Eltern vorgefüttert für eine ganze Zeit von dem Kadaver, den sie auch permanent konservieren, indem sie Sekrete darauf abgeben.
    "Käfer konservieren Kadaver, indem sie Sekrete darauf abgeben"
    Pyritz: Sie haben jetzt entdeckt oder genauer untersucht, dass die Käfer das Verwesen ihrer toten Beute verlangsamen. Sie haben dazu Laborexperimente gemacht. Wie genau sind Sie dabei vorgegangen?
    Vogel: Wir haben verschiedene Sachen gemacht. Zum einen haben wir einfach Kadaver wieder vorsichtig ausgegraben, weil die ja unter der Erde vergraben werden, und haben dann das ganze System manipuliert, indem wir in so einer Art Höhle, in der die Larven fressen, vorsichtig so einen Film abgetragen haben. In diesem Film sind die ganzen Bakterien und Hefen enthalten, die die Käfer übertragen auf den Kadaver. Wenn wir diesen Film abgetragen haben – nur einmal am Tag, ganz vorsichtig mit so einem Wattestäbchen –, und haben dann geschaut, wie die Larven an Gewicht zunehmen und haben dann vergleichende Kadaver sozusagen genommen, ohne diese Manipulation, und konnten sehen, dass die Larven, wenn wir diesen Biofilm sozusagen entfernt haben, deutlich geringeres Gewicht zulegen, also auch deutlich langsamer wachsen.
    Antimikrobielle Substanzen verzögern die Verwesung
    Pyritz: Und der Verwesungsprozess bei den Kadavern sozusagen, wie wird der beeinflusst durch dieses Sekret?
    Vogel: Das Interessante ist, dass die Totengräberkäfer den Kadaver nicht sterilisieren, was wir zuerst gedacht hatten, sondern die Sekrete, die sie auf den Kadaver übertragen, damit übertragen sie auch die ganze Palette an Bakterien und Hefen, die sie in ihrem Darm enthalten, weil die Sekrete sind mehr oder minder Darminhalte im weitesten Sinne, und dadurch wird das gesamte Bakteriom oder Mikrobiom, wie es so schön heißt, die Gesamtheit der Bakterien und Hefen, komplett verändert von einem normalerweise kadavertypischen Bakterienpopulation zu etwas, was die Käfer selber enthalten. Dieses Cocktail, diese Sekrete enthalten auch verschiedenste Konservierungsstoffe, aber auch antimikrobielle Peptide, sozusagen kleine Proteine aus dem Käfer selber. Diese Gesamtheit führt dazu, dass der Kadaver nicht verwest.
    Pyritz: Warum konservieren denn nun die erwachsenen Käfer einen Kadaver auf diese Weise? Sie haben schon angedeutet, wenn man dieses Sekret abträgt, wegnimmt, dann wachsen die Käferlarven schlechter. Wie kann man sich das vorstellen, den Grund dahinter? Haben die dann sozusagen länger etwas zu fressen oder bessere Nährstoffe, wenn der Kadaver entsprechend von den Eltern präpariert wird?
    Vogel: Ja, das sind zwei Sachen, die da passieren, also beim Kadaver, wenn er nicht behandelt wird, wenn man den ganz normal in die Erde legen würde. Die Bakterien, die normalerweise darauf wachsen, führen zu dieser Fäulnis, und es sind zwei Dinge, die dann passieren. Zum einen werden Nährstoffe sehr schnell abgebaut von den Bakterien, zum anderen entstehen auch Giftstoffe, also zum Beispiel Kadavergiftstoffe. Die kennt man auch aus verwesendem Fleisch, die auch für uns giftig wären, aber auch für die Larven von dem Totengräber. Diese Kadaverine und Putrescine genannten Stoffe sind auch genau die Dinge, die Fleisch, wenn es verwest, wirklich sehr, sehr schlecht riechen lässt. Das heißt, Nährstoffe werden sehr schnell abgebaut, aber es entstehen auch giftige Stoffe, und das verhindern genau die Totengräberkäfereltern.
    Der Konservierungstrick bei der Brutpflege ist einzigartig
    Pyritz: Diese Art des Präparierens von toten Tierkörpern, von Aas, wie Sie das jetzt bei den Totengräberkäfern beschrieben haben, ist das einzigartig im Tierreich oder gibt es da vergleichbare Fälle bei anderen Arten?
    Vogel: Also die Konservierung an sich ist nicht wirklich so bekannt bei anderen Arten. Wie andere Arten, zum Beispiel auch andere Insekten wie Fliegen, die ihre Eier ablegen auf Kadaver oder auch andere Käfer, mit diesem Problem des Kadavers und der Giftstoffe umgehen, ist nicht bekannt. Das heißt, nicht jede Art manipuliert das System, wie es der Totengräberkäfer tut, sondern die legen meistens ihre Eier ab, und dann lassen sie alles so geschehen wie es geschieht, während hingegen der Totengräberkäfer ja auch Brutpflege betreibt. Das macht ihn auch ziemlich einzigartig.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.