Zikaden sind mehrere Zentimeter groß, haben stechend rote Augen und große durchsichtige Flügel mit orangen Rändern. Ihr Körper ist tiefschwarz mit orangen Streifen an der Unterseite. Sehr auffällig, kaum zu übersehen, und auch: kaum zu überhören. Nicht nur die Zikaden haben auf diesen Moment gewartet, sondern auch Zoe Getman-Pickering von der George Washington University. Die Insektenforscherin ist zurzeit im Osten der USA und beobachtet die Lage.
Zoe Getman-Pickering: "Die Zikaden kommen seit letzter Woche aus der Erde. Und schon jetzt sehen wir sehr viele von diesen Insekten. Sie krabbeln auf alles Mögliche drauf. Ich finde sie auf meinen Autoreifen, und auch auf den Bäumen um mein Haus herum. Sie fliegen auch durch die Luft. Kleine Armeen von Nymphen kriechen durch meinen Garten. Und jetzt gerade, am Wochenende, haben sie angefangen, zu singen. Es liegt also ein intensives Summen in der Luft.
Gruppen von männlichen Zikaden klettern die Bäume hinauf. Sie versammeln sich dort und fangen an, gemeinsam zu Singen und zu Summen. Gemeinsam sind sie lauter, und so versuchen sie, die Weibchen anzulocken."
Zikaden-Männchen sind gemeinsam lauter
Böddeker: "Jetzt haben Sie ja die Gelegenheit, diese Zikaden zu erforschen. Genau das tun Sie auch, Sie gehen nach draußen, in die Natur, ins Feld. Was machen Sie dort?"
Getman-Pickering: "Wir untersuchen, was das Hervorkommen der Zikaden für Folgen hat, etwa auf die Vögel, auf Raupen oder auch auf die Bäume. Wir beobachten zum Beispiel Vögel, und achten darauf, was sie fressen. Fressen sie Raupen, oder fressen sie eher die Zikaden?"
Getman-Pickering: "Wir untersuchen, was das Hervorkommen der Zikaden für Folgen hat, etwa auf die Vögel, auf Raupen oder auch auf die Bäume. Wir beobachten zum Beispiel Vögel, und achten darauf, was sie fressen. Fressen sie Raupen, oder fressen sie eher die Zikaden?"
Um das herauszufinden, haben wir auch künstliche Raupen aus einem weichen Kunststoff. Die setzen wir auf die Bäume. Und wenn sich dann Vögel für die künstlichen Raupen interessieren, dann picken sie danach. Und sie hinterlassen mit ihren Schnäbeln Spuren, die wir dann zählen und vermessen. Wenn es viele Zikaden gibt, dann finden wir nicht so viele Schnabelspuren. Weil die Vögel dann zu sehr mit den Zikaden beschäftigt sind."
Böddeker: "Weil die Vögel einfach von dieser riesigen Menge an Zikaden überwältigt werden?"
Böddeker: "Weil die Vögel einfach von dieser riesigen Menge an Zikaden überwältigt werden?"
All-you-can-eat-Buffet für Vögel
Getman-Pickering: "Ja, für die Vögel ist das wie ein All-You-Can-Eat-Buffet. Es gibt schon Berichte von Eichhörnchen und Vögeln, die so fett sind, dass sie nicht mehr richtig laufen können. Die sitzen dann einfach nur herum und fressen eine Zikade nach der anderen."
Böddeker: "Und was sind die Folgen für das ganze Ökosystem?"
Getman-Pickering: "Wir sprechen dabei von direkten Effekten, und von indirekten Effekten. Eine direkte Folge ist: Der Vogel frisst die Zikaden und wird so schneller satt. Dadurch überlebt er dann mit größerer Wahrscheinlichkeit.
Aber dann gibt es auch noch indirekte Auswirkungen. Wenn Vögel mehr Zikaden fressen, und dafür weniger Raupen, dann überleben auch die Raupen mit größerer Wahrscheinlichkeit. Sie wachsen, und sie fressen die Blätter von den Bäumen. Und dann ist die Frage: Was passiert im nächsten Herbst? Oder nächstes Jahr? Wenn all diese Vögel, die sich jetzt den Magen vollgeschlagen haben, Nachwuchs haben? Dann wird es sehr viele hungrige junge Vogelküken geben. Und die Zikaden sind dann weg, also: Was sollen sie fressen? Es wäre also möglich, dass die Raupen jetzt in den kommenden Wochen erstmal eine gute Zeit haben werden. Aber im Herbst wird es dann umso härter für sie."
Böddeker: "Und was sind die Folgen für das ganze Ökosystem?"
Getman-Pickering: "Wir sprechen dabei von direkten Effekten, und von indirekten Effekten. Eine direkte Folge ist: Der Vogel frisst die Zikaden und wird so schneller satt. Dadurch überlebt er dann mit größerer Wahrscheinlichkeit.
Aber dann gibt es auch noch indirekte Auswirkungen. Wenn Vögel mehr Zikaden fressen, und dafür weniger Raupen, dann überleben auch die Raupen mit größerer Wahrscheinlichkeit. Sie wachsen, und sie fressen die Blätter von den Bäumen. Und dann ist die Frage: Was passiert im nächsten Herbst? Oder nächstes Jahr? Wenn all diese Vögel, die sich jetzt den Magen vollgeschlagen haben, Nachwuchs haben? Dann wird es sehr viele hungrige junge Vogelküken geben. Und die Zikaden sind dann weg, also: Was sollen sie fressen? Es wäre also möglich, dass die Raupen jetzt in den kommenden Wochen erstmal eine gute Zeit haben werden. Aber im Herbst wird es dann umso härter für sie."
13 und 17 sind Primzahlen - Zufall?
Böddeker: "Es ist ja ziemlich ungewöhnliche und auch bemerkenswert, dass diese Insekten ausgerechnet alle 17 Jahre aus dem Boden kommen, oder manchmal auch alle 13 Jahre. 13 und 17, das sind Primzahlen. Und es gibt ja die Vermutung, dass genau das der Grund ist. Dass diese Primzahlen den Zikaden irgendeinen Vorteil bringen. Ist das immer noch die gängige Annahme?"
Getman-Pickering: "Darüber wird in der Wissenschafts-Community heiß debattiert. Manche vermuten, dass die Primzahlen es den Fressfeinden der Zikaden schwerer machen. Weil Zyklen mit Primzahlen für die Feinde der Zikaden schwerer zu verfolgen sind.
Getman-Pickering: "Darüber wird in der Wissenschafts-Community heiß debattiert. Manche vermuten, dass die Primzahlen es den Fressfeinden der Zikaden schwerer machen. Weil Zyklen mit Primzahlen für die Feinde der Zikaden schwerer zu verfolgen sind.
Aber es gibt auch Theorien, nach denen es nichts mit den Fressfeinden zu tun hat. Sondern eher mit anderen Zikaden. Der Vorteil wäre dann, dass die Primzahlen verhindern, dass unterschiedliche Zikaden zur gleichen Zeit auftreten, was dann schlecht für die Zikaden sein könnte. Und dann gibt es auch noch einige Leute, die es einfach nur für einen Zufall halten."
Böddeker: "Sie erforschen ja etwas, das man so nur alle 17 Jahre erforschen kann. Ich schätze, Sie haben gerade sehr lange Arbeitstage?"
Getman-Pickering: "Wir haben viel Druck, jetzt möglichst schnell möglichst viele Daten zu sammeln.
Wir stehen sehr früh auf, beobachten morgens die Vögel, und vermessen dann den ganzen Tag die Raupen. Und nachts beobachten wir, wie die Zikaden aus dem Boden kommen. Es sind also tatsächlich gerade viele sehr lange Tage."
Böddeker: "Sie erforschen ja etwas, das man so nur alle 17 Jahre erforschen kann. Ich schätze, Sie haben gerade sehr lange Arbeitstage?"
Getman-Pickering: "Wir haben viel Druck, jetzt möglichst schnell möglichst viele Daten zu sammeln.
Wir stehen sehr früh auf, beobachten morgens die Vögel, und vermessen dann den ganzen Tag die Raupen. Und nachts beobachten wir, wie die Zikaden aus dem Boden kommen. Es sind also tatsächlich gerade viele sehr lange Tage."