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Insektenforschung
Wie sich die japanische Pelzbiene vor Feinden schützt

Solitärbienen leben eigentlich alleine. Einige Arten verhalten sich aber nachts sozial und bilden Schlafverbände. Forscher in Japan haben beobachtet, wie dabei die Belegung der Nachtlager im Freien über Leben und Tod entscheiden kann. Denn dabei gilt: Den Letzten beißen die Wanzen.

Von Volker Mrasek | 23.01.2019
    Gemeine Pelzbiene (Anthophora acervorum, Anthophora plumipes), ein Männchen beim Blütenbesuch an Lungenkraut.
    Pelzbienen sind Solitärbienen - es gibt sie überall auf der Welt, eine besonders seltene Art auf den Inseln im Süden Japans (imago / Blickwinkel)
    Honigbienen und Hummeln haben's gut! Sie leben in großen Völkern und haben ihr Nachtlager drinnen im Stock oder Nest. Solche geschützten Schlafsäle kennen allein lebende Solitärbienen nicht. Auch nicht jene Art, die der japanische Insektenkundler Tomoyuki Yokoi studiert. Es ist eine seltene Pelz- oder Grabbiene aus der Gattung Amegilla. Sie kommt auf den Inseln im Süden Japans vor wie zum Beispiel auf Okinawa.
    "Diese Bienen leben häufig am Waldrand. Die Weibchen legen ihre Eier in Erdröhren, die sie in Böschungen graben, nur für sich selbst."
    Bis zu 20 Tiere bilden eine Schlaftraube
    In den engen Kammern ist kein Platz für die Bienen selbst. Stattdessen verbringen sie die Nacht nach erledigtem Tagwerk im Freien. Das tun sie meist an den herunterhängenden Blättern von Pflanzen, die auf der Böschung wachsen.
    "Sie beißen sich mit ihren Kauwerkzeugen am Blatt fest und bewegen sich dann nicht mehr. So verharren sie von Sonnenuntergang bis zum nächsten Morgen."
    Noch erstaunlicher aber: Obwohl sie eigentlich Einzelgänger sind, rotten sich die Pelzbienen nachts zu Schlaftrauben zusammen. Sie hängen dann gemeinsam an den Blättern - bis zu 20 Tiere übereinander, angeordnet wie die Blütenstände bei einem Weidenkätzchen. Yokois Arbeitsgruppe an der Universität Tsukuba interessiert sich vor allem dafür, wer welchen Schlafplatz einnimmt.
    "In meinen Untersuchungen zeigt sich, dass die Biene, die zuerst kommt, immer den tiefsten Schlafplatz wählt. Und die, die als Nächste eintrifft, den darüberliegenden. So geht das immer weiter, bis die letzte Biene die höchste Position in der Traube einnimmt."
    Je tiefer der Schlafplatz, desto sicherer
    Die Bettenbelegung von unten nach oben hat einen guten Grund, wie die Forscher annehmen. Je tiefer der Schlafplatz, desto sicherer ist er nämlich. Den schlummernden Bienen lauern nachts Raubwanzen und Fangschrecken auf. Und die könnten nur von oben angekrabbelt kommen, sagt Yokoi, denn die Blattspitze mit den Bienen darauf hänge ja frei in der Luft.
    "Der höchste Punkt in der Schlaftraube ist also der gefährlichste und der tiefste der sicherste."
    Die Letzten beißen die Wanzen. Deshalb wohl werden die unteren Schlafplätze zuerst belegt - zumindest von den Weibchen. Männliche Pelzbienen dagegen scheren sich scheinbar nicht um ihre Sicherheit im Schlaf: Sie hängen sich einfach irgendwo ans Blatt, wie Yokoi sagt:
    "Die Weibchen bauen die Neströhren und legen die Eier, das heißt sie leisten einen wertvolleren Beitrag für die Art als die Männchen. Deren Aufgabe besteht allein darin, sich mit den Weibchen zu paaren. Da ist es nicht so wichtig, dass jedes einzelne Individuum überlebt."
    Dass es Solitärbienen gibt, die im Sozialverband schlafen, wisse man schon länger. Neu aber sei, was man jetzt bei der japanischen Pelzbiene sehe: Manchmal überlebt man die Nacht um so eher, je tiefer man schläft!