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Insektenkunde
Fliege ist nicht gleich Fliege

Es gibt unglaublich viele von ihnen und doch sind längst nicht alle Arten bekannt: Fliegen. Auf dem Internationalen Fliegenkongress, der derzeit in Namibia stattfindet, tauschen Experten ihre neuesten Erkenntnisse aus. Mit dabei: viele afrikanische Nachwuchsforscher.

Von Joachim Budde | 30.11.2018
    Fliege auf Blume
    Fliegen landen nicht immer auf Unrat. Viele bestäuben Pflanzen und sind dadurch wichtig für die Landwirtschaft. (picture alliance / dpa / Ina Fassbender)
    Es gehört zu den angenehmen Seiten von Erica McAlisters Beruf, dass er sie überall dorthin führt, wo es Fliegen gibt. Und weil Fliegen mit weltweit rund einer Million bekannter Arten zu den umfangreichsten und vielfältigsten Insektenordnungen überhaupt zählen, kann das so ziemlich überall sein. Zum Beispiel auf der Antilleninsel Dominica. Dort gibt es noch viel zu entdecken für die Taxonomin vom Naturkundemuseum in London, wie sie auf dem internationalen Fliegenkongress in Namibia erläutert.
    "US-amerikanische Forscher haben dort größere Untersuchungen angestellt, aber das ist viele Jahre her. Und sie haben nur einen Teil der Insel untersucht."
    Viele der Fliegen, die sie auf Dominica sammelte, hat Erica McAlister noch gar nicht im Detail bearbeiten können. Schon jetzt ist aber klar, dass Fliegen von bislang völlig unbekannten taxonomischen Familien in ihren Fängen dabei sind – und damit bislang unbekannte Arten.
    "Allein bei den Stubenfliegen warten mindestens sechs Arten darauf, dass wir sie beschreiben. Wir haben eine neue Trauermücken-Art. Die Langbeinfliegen schicke ich zu einem Experten nach Belgien, die Schnaken nach Spanien. Möglicherweise haben wir es mit 50, vielleicht 100 neuen Arten zu tun. Das wird fabelhaft!"
    Neue Funde sollen nicht in Museums-Sammlungen verstauben
    Doch es geht der promovierten Entomologin nicht nur darum, die ohnehin schon riesige Sammlung von Fliegen und Mücken am Naturkundemuseum zu vergrößern. Viel zu lange hätten Forscher Tiere aus tropischen Ländern mitgenommen, das Wissen aber für sich behalten.
    "Wir geben viele Exemplare nach der Bestimmung zurück für Sammlungen in Dominica. Die meisten Arten digitalisieren wir zudem. So erhalten Kollegen kostenlos Zugriff auf die Bilder und die Daten, welche Arten wo zu finden sind. Das ist wichtig, denn einige Fliegen- und Mückenarten übertragen Krankheiten, andere sind Bestäuber. Der praktische Wert für die Leute im Herkunftsland zu wissen, welche Fliegen welche Ackerpflanzen bestäuben, ist riesig."
    Zudem halten Erica McAlister und ihre Kollegen Vorträge in Schulen in Dominica, um den Kindern ihre Arbeit vorzustellen.
    "Es ist schön, den Kindern zu erklären, warum diese verrückten Leute über ihre Insel rennen und Fliegen aufsaugen. Auf diese Weise verstehen sie, welche Bedeutung die Tier- und Pflanzenwelt für sie selbst hat, und aus welchen Gründen Besucher die Umwelt von Dominica wertschätzen."
    Aber auch die zum Teil hunderte von Jahren zurückreichende Sammlung des Londoner Naturkundemuseums wird durch die Digitalisierung immer besser zugänglich für Forscher aus den Ländern, aus denen die Exemplare von Mücken und Fliegen stammen. Neben den Fotos sequenzieren die Forscher am Museum die Erbinformation der alten und neuen Exemplare.
    "Es ist großartig, dass wir in einer Zeit leben, wo wir so viel mit dem Material anstellen können und die Daten so einfach für diese wichtige Forschung teilen können."
    Eine Chance für Nachwuchsforscher aus Afrika
    Letzten Endes ist auch der Kongress selbst ein Schritt zu besserem Austausch.
    "Es ist toll, dass so viele Kolleginnen und Kollegen aus Afrika hier sind, die dazu nicht in der Lage gewesen wären, wenn der Kongress in Europa oder so stattgefunden hätte. Auf einmal können so viele Spezialisten aus der ganzen Welt Nachwuchsforscher aus Afrika kennenlernen und sich mit ihnen austauschen."
    Bei aller Freude darüber – die Zukunft wird zeigen müssen, ob das Vorbild des Dipterologenkongresses Schule macht.