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Insektenplagen
Heuschrecken fressen nach Wetterlage

Biologie. - Heuschrecken schlagen hohe Temperaturen offenbar ähnlich auf den Magen wie den Menschen. Eine australische Forscherin hat festgestellt, dass die Tiere je nach Temperatur zwischen protein- und kohlenhydratreichen Futterpflanzen wechseln. Farmer, die von Heuschreckenplagen bedroht werden, könnten daraus eine Abschreckungsstrategie entwickeln.

Von Michael Stang | 04.07.2014
    Ein Getreidefeld
    Je nach Temperatur stürzen sich Heuschrecken auf Getreide oder auf Gras. (Jan-Martin Altgeld )
    Die Wanderheuschrecke Chortoicetes terminifera wird umgangssprachlich ausschließlich als australische Plagen-Heuschrecke bezeichnet. Denn diese Insekten richten auf ihren Beutezügen riesige ökonomische Schäden an, weil sie regelmäßig ganze Ernten vernichten. Weshalb es manchmal zu Plagen kommt und manchmal nicht, wollte Fiona Clissold von der Universität von Sydney herausfinden.
    "Diese Tiere benötigen Wärme, um schnell wachsen zu können und hier gibt es einen interessanten Zusammenhang zwischen Temperatur, Nahrung und Körpergröße. Denn bei ausreichend Futter und hohen Temperaturen werden die Tiere manchmal sehr groß, manchmal jedoch nicht. Und wir wollten herausfinden, wie es dazu kommt."
    Zu den Leibspeisen der Insekten gehören das so genannte Kängurugras (Themeda triandra) und der Weichweizen (Triticum aestivum). Erste Beobachtungen ergaben, dass Heuschrecken, die bei hohen Temperaturen Weizen fressen, größer sind als jene, die bei gleichen Bedingungen mit Kängurugras vorliebnahmen. Doch woran liegt das? Analysen ergaben, dass das Kängurugras bei hohen Temperaturen viel Protein enthält, bei niedrigeren Temperaturen hingegen viele Kohlenhydrate; die Zusammensetzung im Weizen hingegen ist stabil. Manche Pflanzen sind also nur bei bestimmten Temperaturen ein guter Energielieferant, bei anderen wiederum nicht. Die Frage war: Bevorzugen Heuschrecken immer dieselbe Nahrung oder passen sie ihren Speiseplan den Umgebungstemperaturen an?
    Clissold: "Benötigen diese Tiere also mehr Energie bei hohen Temperaturen? Und das konnten wir mit Ja beantworten. Ebenso die Frage, ob die Heuschrecken auf ihre Umgebung reagieren, also etwa ob sie die Körpertemperatur senken, um Energie zu sparen, wenn es kaum etwas zu fressen gut."
    Weitere Untersuchungen zeigten, dass bei den Insekten die Stoffwechselrate exponentiell mit der Temperatur steigt. Das gilt jedoch nicht automatisch auch für die Geschwindigkeit, mit der die Heuschrecken verschiedene Nährstoffe verwerten können.
    "Die bloße Angabe, wieviel Energie eine Pflanze enthält, erklärt diese Zusammenhänge nicht. Wir müssen alle Angaben zu den Inhaltsstoffen einzeln betrachten, also wie viel Proteine sind enthalten, wie viele Kohlenhydrate und wie hoch ist der Fettanteil. Und dann haben wir geschaut, wie sich diese Verhältnisse bei bestimmten Temperaturen ändern. Und dann war die große Frage: Reagieren Heuschrecken immer darauf und die Antwort ist: Ja. Und das war wirklich verblüffend."
    Die Temperatur bestimmt also nicht nur die Zusammensetzung bestimmter Pflanzen, sondern auch Leistung des Insekten-Verdauungstraktes. Warum und wie dies funktioniert, sei noch nicht verstanden, es handelt sich hier nur um einen ersten Schritt, so Fiona Clissold. Während der Verdauungstrakt bei Menschen manchmal drei Tage benötigt, um eine Art physiologisches Feedback zu geben, ob eine Nahrung gut für einen ist oder nicht, erhalten Heuschrecken schon nach drei Stunden eine Rückmeldung.
    "Sie fressen also je nach Temperatur immer das, was sie aktuell am meisten benötigen. Vermutlich spüren sie, wann sie mehr Proteine benötigen und wann mehr Kohlenhydrate und fressen dann dementsprechend."
    Und weil sie diese schnelle Rückmeldung bekommen, reagieren die Insekten flexibel auf das Nahrungsangebot. Diese Erkenntnisse könnten sich Bauern zunutze machen, gibt sich Fiona Clissold überzeugt. Würden sie zukünftig primär jene Pflanzen anbauen, die weniger attraktiv für die Heuschrecken sind, könnten sie das Risiko, dass Heuschreckenschwärme die Ente vernichten, erheblich reduzieren.