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Insel Santorin
Chinesischer Honeymoon in Griechenland

Paris, London, Rom, New York. Niemand gibt mehr Geld für Urlaub aus als die Chinesen. Nun gilt Griechenland im "Reich der Mitte" als neuer Geheimtipp. Vor allem eine kleine Insel hat es den chinesischen Touristen angetan: Santorin.

Von Leila Knüppel | 13.09.2015
    Blick auf die Agios-Kirche in Fira auf Santorin.
    Flitterwochen auf Santorin ist das neue Statussymbol unter wohlhabenden Chinesen (picture alliance / zb - Daniel Gammert)
    Früh morgens legt die Fähre von Piräus ab - nimmt Kurs auf die Kykladen, einer Inselgruppe im Ägäischen Meer. An Bord: vor allem Chinesen. Draußen an der Reling stehen einige chinesische Pärchen, machen noch ein paar Schnappschüsse von sich und dem Hafen. Unter Deck haben sich mehrere chinesische Reisegruppen ihre Plätze gesichert - und packen ihr Frühstück aus. Acht Stunden dauert es, bis sie ihre Trauminsel erreicht haben: Santorin.
    "Meine Frau wollte unbedingt nach Santorin, weil sie meint, das sei so romantisch. Wir haben ein Bild im Internet gesehen – und Freunde waren schon auf der Insel. Sie haben uns empfohlen, unsere Flitterwochen dort zu verbringen."
    Tau Djien und seine Frau Ni Peij Hong sind auf Hochzeitsreise, wie die allermeisten aus der Reisegruppe. Lauter frisch vermählte Paare, fast alle Mitte, Ende 20.
    Denn: Flitterwochen auf Santorin ist das neue Statussymbol unter wohlhabenden Chinesen. Griechenland gilt als das neue Must-Seen der chinesischen Europa-Touristen.
    "Griechenland ist sehr berühmt in China, weil sie eine ebenso lange und bedeutende Kulturgeschichte haben wie wir Chinesen."
    Noch sind die Chinesen im Vergleich zu den Europäern, die jährlich die Strände Griechenlands bevölkern, relativ wenige. Ihre Zahl verdoppelt sich aber von Jahr zu Jahr. Auf Santorin – sind sie schon jetzt die Mehrheit.
    "Ich kann euch versichern, dass die Insel komplett ausgebucht ist"
    Kostas Voulgarakis sitzt vor dem Computer und bearbeitet Fotos: Hochzeitsbilder von chinesischen Pärchen. Sein Fotoladen in der Fußgängerzone von Fira, Hauptort der Insel, macht fast nichts anderes. Chinesische Pärchen vor weiß-blauer Kirche, chinesische Pärchen vor Sonnenuntergang, chinesische Pärchen an den berühmten roten Vulkanklippen von Santorin.
    "Sie kommen rein und haben schon Fotos auf ihren Smartphone – und möchten dann genau das Gleiche."
    Von der Wirtschaftskrise kriegen sie hier auf Santorin nichts mit, erzählt der 24-Jährige, der hier auf der Insel geboren wurde.
    "Ich kann euch versichern, dass die Insel komplett ausgebucht ist. Nicht jetzt, aber im Sommer. Jedes Jahr kommt ein neues Hotel dazu.
    Die Preistafel in Voulgarakis' Fotoladen ist ausschließlich auf Chinesisch – genauso wie die Menükarten von den Restaurants nebenan. Kein Laden auf der Insel kommt ohne die fremden Schriftzeichen aus. Warum die Chinesen 10.000 Kilometer reisen, um seine kleine Insel zu besuchen? Er zuckt ratlos mit den Schultern.
    "Ich bin jetzt 24 Jahre alt. Und ich kann nur sagen, dass sie schon mein ganzes Leben lang da waren."
    Es ist Abend geworden auf der Vulkaninsel: Cai Danting und ihre Schwester Tsangtsing irren mit anderen chinesischen Touristen durch die Gassen des kleinen Dorfs Oia, vorbei an Souvenirshops, Bars, Cafés.
    Irgendwo muss doch dieser Ausblick sein, für den sie die lange Reise auf sich genommen haben: der berühmte Sonnenuntergang von Santorin.
    "Viele gehen auf Reisen und posten danach ihre Bilder, vor allem die Promis. Und sie schreiben tolle Sachen über den Ort. Also möchtest du auch unbedingt hier hinkommen."
    Schließlich haben die beiden Studentinnen die Klippe gefunden: ein Felsvorsprung mit Sicht auf einen Vulkankrater im Meer – die Sonne zeigt sich bisher aber noch nicht. Ein paar Europäer packen trotzdem ihre Weinflaschen aus. Die 23-jährige Danting, ihre Schwester und die anderen Chinesen beginnen zu fotografieren.
    "Es ist nicht so ... wie soll ich das sagen ... Das Meer hier ist dunkelblau. Wir dachten, es ist hell, kontrastreicher, einfach bunter. Es ist ein bisschen schade."
    Ein junges chinesisches Hochzeitspaar hat den besten Platz schon für sein Fotoshooting besetzt. Die Braut steht in High-Heels auf einem wackeligen Klippenvorsprung – und versucht, sehnsuchtsvoll auf das Meer hinaus zu blicken.
    Der Bräutigam, der ein paar Semester in Deutschland studiert hat, steht daneben – und wartet auf seinen Einsatz: die Kussfotos.
    "Im Hilltop-Hotel haben wir gestern die Verheiratung gemacht. Nur zu zweit und das Team zusammen. Wir machen Wedding gestern, und Fotoshoot hier."
    Das Brautpaar hat den Fotografen und eine Standesbeamtin extra aus China einfliegen lassen. Geheiratet haben sie in einem Hotel – ohne Freunde und Verwandte. Die große Hochzeitsparty wird in China nachgeholt. Dann werden auch die Hochglanzbilder von Santorin präsentiert.
    "Die ganze Sonne, sehr schön, alles schön, besonders mit meiner Frau dabei."
    Zehn Minuten haben sie noch für das Shooting, dann müssen sie los. Schnell, schnell zum Flughafen. Sie haben Glück: Die Wolken heben sich, die Sonne schickt ihre Strahlen über das Meer, lässt es glitzern, die weißen Häuschen am Klippenrand erstrahlen. Santorin zeigt sich – schöner als in den Hochglanzbroschüren.
    "Okay, finished ... sorry, ich muss jetzt los zum Flieger"