Biodiversität
Inselreptilien sind gefährdeter als ihre Artgenossen an Land

Auf abgelegenen Inseln leben unzählige Reptilienarten. Doch trotz ihrer Bedeutung für die Natur stehen viele dieser einzigartigen Tiere am Rand des Aussterbens, noch bevor die Wissenschaft sie erforschen konnte.

    Zu sehen ist ein Mensch, der eine grüne Natter in den Händen hält
    Eine seltene Principe-Smaragdnatter, die weltweit nur auf einer Insel vorkommt. (Patricia Guedes / Universität Oxf / dpa-bildfunk)
    Im Fachblatt "Conservation Science and Practice" berichtet ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Oxford, dass Inselreptilien besonders anfällig sind. Dies liege daran, dass ihre isolierten Lebensräume sie extrem verletzlich machten. Obwohl Inseln weniger als sieben Prozent der Erdoberfläche ausmachen, beherbergen sie einen großen Teil der globalen Artenvielfalt. Rund ein Drittel der etwa 12.000 bekannten Reptilienarten sind auf Inseln beheimatet, darunter Spezies wie die Galapagos-Riesenschildkröte und der Komodowaran.

    Fast ein Drittel vom Aussterben bedroht

    Die Analyse zeigt, dass rund 30 Prozent der Reptilien auf Inseln vom Aussterben bedroht sind. Im weltweiten Mittel sind es 12 Prozent. Seit 1960 hätten sich lediglich knapp 7 Prozent der wissenschaftlichen Arbeiten über Reptilien mit bedrohten Inselarten beschäftigt, heißt es weiter. Die Populationen sind vor allem durch landwirtschaftliche Expansion, Abholzung von Wäldern, Umweltverschmutzung und eingeschleppte Arten bedroht. Dramatische Folgen haben zum Beispiel auch eingeschleppte Katzen auf Inseln.

    Kaum Abwehrmechanismen

    Viele Inselreptilien hätten sich in Abwesenheit von Säugetier-Feinden entwickelt und deshalb keine starken Abwehrmechanismen, erklärte Hauptautor Ricardo Rocha. "Das macht sie zu leichten Zielen für eingeführte Raubtiere wie freilaufende Katzen, die eine der Hauptursachen für das Aussterben auf Inseln sind." Gleichzeitig seien Reptilien wie Schlangen, Schildkröten und Geckos Schlüsselarten für die Ökosysteme der Inseln. Die Forschungen hätten ergeben, dass eine einzelne Katze auf der Insel in nur einem Jahr mehr als 90 Eidechsen fressen kann. "Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie eingeschleppte Raubtiere fragile Inselökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen können", erläuterte Rocha.

    Fallbeispiel Príncipe-Smaragdnatter 

    Die Wissenschaftler werteten Studien in dem Zeitraum von 1960 bis 2021 aus und stellten fest, dass größere und weiter verbreitete Arten mehr Aufmerksamkeit erhielten, während kleinere und neu entdeckte Inselarten weitgehend unberücksichtigt blieben. 
    Ein Beispiel ist die Príncipe-Smaragdnatter (Hapsidophrys principis), die nur auf der kleinen Insel Príncipe im Golf von Guinea vorkommt und erstmals 1906 beschrieben wurde. Diese endemische Schlangenart ist ein Paradebeispiel für eine Inselart, die durch ihre Isolation stark gefährdet ist. Trotz ihrer ökologischen Bedeutung als Räuber in diesem empfindlichen Ökosystem sind kaum Forschungsdaten über ihre Lebensweise und Bestandsentwicklung verfügbar.

    Bedarf für gezielte Forschung

    Die Autoren der Studie, an der auch das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) beteiligt war, schlagen mehr gezielte Forschung zu Inselreptilien vor, insbesondere zu denjenigen, die am stärksten vom Aussterben bedroht sind. Weitere empfohlene Maßnahmen umfassen die Förderung von Partnerschaften zwischen nationalen Institutionen und Inselgemeinschaften und die Integration von Wissen aus nicht-akademischen Quellen.
    Diese Nachricht wurde am 08.11.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.