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Insider-Tipps für Touristen

Einheimische zeigen ihre Lieblingsplätze – das ist das Prinzip, das sich ein Kölner Paar als neue Form des Stadtführers ausgedacht hat. Die Lieblingsorte der befragten Menschen in deutschen Metropolen liegen meist weit entfernt von den typischen Touristen-Attraktionen.

Von Julia Batist |
    "Guten Tag, Entschuldigung. Wir fotografieren Kölner auf der Straße, für einen Reiseführer. Und zwar stellen wir Kölner und ihre Lieblingsorte vor. Vielleicht haben Sie Lust und Interesse bei dem Projekt mitzumachen? Wir würden Sie jetzt fotografieren und sie sagen uns wo sie in Köln am liebsten hingehen. Wir gehen im Anschluss dann dahin, machen da Fotos und machen daraus ne Collage dann quasi."

    "Ich gucke nach einer interessanten Person, die irgendwie durch seine Mode sich ausdrückt. Der was sagt. Außerhalb der Konvention ein bisschen. Wir suchen keine Trendleute, es geht uns mehr um die Ausstrahlung. Oder um Kleinigkeiten auch. Kann auch ein Lächeln sein, kann auch ein Gesichtsausdruck sein. Das ist ne Gefühlssache."

    "Die Idee ist eigentlich dadurch entstanden, dass ich viel reise. Durch meinen Job als Modedesigner komme ich viel rum und muss die Modemetropolen der Welt bereisen. Dann hab ich halt ganz viele Bilder da gemacht, von Einheimischen aber auch Touristen und dann kam ich nach Hause, hab dann mit Athenea die Bilder mal angeschaut und da dachten wir: Wo gehen diese Leute eigentlich hin? Was haben die für Tipps in diesen Städten? Wo gehen denn diese ganzen flippigen Leute hin?"

    Mit ihrer Idee schließen der Modedesigner Simon Hariman und die Kommunikationsdesignerin Athenea Diapoulis an eine Bewegung aus der Modeszene an. In sogenannten Fashion Blogs wird im Internet über die Mode auf der Straße berichtet. Was die Leute anziehen, verrät oft auch wo sie leben meint Simon Hariman.

    "In jedem Modemagazin heutzutage ist auch so ne Rubrik vorneweg, meistens aus den verschiedenen Städten, wo man wirklich den Style einer Stadt auch erkennt. Man sieht direkt auf den ersten Blick – sind das Londoner, sind das Leute aus Tokio, sind das Leute aus Mailand."

    "Auch innerhalb von Deutschland ist das ganz anders. Köln und Berlin, die sind schon relativ ähnlich vom Style her, haben wir festgestellt. Nur wenn ich in München unterwegs bin oder in Hamburg da ist es komplett was anderes. Da sind die Menschen halt ein bisschen schicker angezogen. Man sieht auch national schon große Unterschiede."

    "Ich würd mich hier noch mal gern für fünf Minuten hinstellen. Hier hat man mehr Luft. Nicht ganz so viel los. Wenn Du da stehen bleibst nervst du schon wieder viele Leute."

    Heute treffen die beiden eine elegant gekleidete Dame mit auffälligem Goldschmuck - direkt an ihrem Lieblingsort. Ein willkommener Zufall. Es ist eine gewöhnliche Einkaufsstraße. Doch Orte erlebt eben jeder Mensch anders.

    "Das ist eigentlich wirklich mein Lieblingsort. Wieso? Weil da Leben drin ist, es sprüht halt vor Leben. Die Breitestraße, das gesamte Paket.
    Das ist eigentlich eine Einkaufsmeile, wo man alles hier kriegen kann. Es ist viel zu erleben hier. Für mich ist sehr besonders. Der Blumengeschäft ist wahnsinnig besonders. Die Farbe hier – die Menschen. Wirklich wahnsinnig interessante Ecke ist das hier. Ich finde es hier wahnsinnig schön."

    "So wie Sie sich wohlfühlen, mal zur Seite stellen, mal nach vorne stellen, mal lächeln, mal nicht lächeln. Ist schön mit dem Goldschmuck. Das sieht schön aus. So ist prima. Sehr schön ... "
    "Du bist vielleicht auf dem Weg zum Supermarkt oder musst ne Freundin treffen – das ist ja der Mensch im Alltag. Und wie er sich dann zurecht macht, was er an hat, wie er sich fühlt, das schnappen wir eigentlich auf. Das ist so die Dokumentation."

    Nicht immer bestätigen sich bei den fotografischen Streifzügen durch die Städte Klischees – wie zum Beispiel das vom kreativen Berliner Künstler-Typ.

    "Man hat natürlich so’n gewisses Bild, was Berlin präsentiert oder was Berlin transportiert und als wir da waren haben wir diese Erwartung gehabt, jetzt werden wir in Berlin richtig super-kreative Leute finden. Es ist natürlich so, dass man viel mehr Freiheit in der Mode sieht. Viel mehr Kreativität, viel mehr Individualismus. Aber Köln und Berlin könnte man echt gleichsetzen. Das hat Köln auch."

    Aber es geht um mehr als nur um Mode. Athenea Diapoulis hat auch eine ganz private Motivation für ihr Projekt.

    "Wenn man sich privat auf eine Reise begibt, dann will man natürlich das Beste draus machen. Man will die besten Orte angucken. Man will nicht nur in diesem touristischen Faden, hinter anderen Touristen hinter herlaufen. Sondern man möchte auch ein bisschen hinter die Kulissen gucken. Wir waren in Kopenhagen und haben gefragt, kommst du aus Kopenhagen, mitten auf der Straße. Dann sag uns wo sollen wir heute hin. Und so hat sich das natürlich auch entwickelt."

    "Wir haben uns in eine super-urige dänische Kneipe gesetzt. Haben abends Smörebröd gegessen mit irgend nem Korn und wir saßen inmitten von älteren Herrschaften. Es gibt ja so Trinklieder dann haben se jedes Mal wenn se mit dem Korn angestoßen haben, haben sie zwei drei Lieder geträllert und wir saßen mittendrin. Das ist ja genau das, was man sich ja wünscht. Die Kultur eines Ortes kennenzulernen mal richtig in dieses Volk sich reinzumischen. Zu gucken was macht der, was singt er, was trinkt er, was isst er. Wie bewegt er sich, worüber reden die. Das ist halt das Spannende."

    Jessica Schöningh-Alemann und ihr Lieblingsort sind bereits in dem ungewöhnlichen Stadtführer verewigt. Sie empfiehlt einen Besuch in Kölns Skulpturenpark, fernab von den üblichen Touristenmeilen.

    "Ich hab diesen Park hier auch mehr oder weniger zufällig mal entdeckt. War total begeistert, dass es hier auf dieser Ecke so ein Angebot gibt, so ein kulturelles Angebot. Was man hier wirklich auch gar nicht erwarten würde. Es ist ja ein totaler Verkehrsknotenpunkt. Ein Straßengewirr. Dann kommt man hier rein und der Verkehrslärm geht tatsächlich so’n bisschen in den Hintergrund. Man nimmt das gar nicht mehr so wahr. Die Skulpturen von zeitgenössischen Künstlern, wo man wirklich dazu angehalten ist einfach mal so zu schauen und zu betrachten. Ist einfach was Schönes wo man mal so in Ruhe durchläuft und immer mal wieder auch stehen bleibt und sich was anschaut."

    "Eine ganz runde Plastik ist ein runder Ball, ein goldener Ball. Sehr groß, so groß wie ich fast. Ist rund und in sich abgeschlossen und glänzend. Verkörpert irgendwie so ne Einheit."

    Szenenwechsel: Auch Artemis Diapouli hat in Köln ihren Lieblingsort gefunden. Der noch junge Kölner Rheinauhafen mit seiner modernen Architektur ist ihr Tipp für den Stadtführer.

    "Diese Kranhäuser machen aus dieser Promenade Weltstadtkick. Mit dem Rhein, das macht das Ganze zu so nem Kino für Köln. Wenn man auf den Brücken steht oder spazieren geht oder nur von einer Seite auf die andere fährt, das ist schon ein Wahnsinnsblick.

    Man fängt an von der Altstadt und läuft runter bis zum Rheinauhafen, dann kann man wirklich spüren und sehen, wie diese Architektur sich entwickelt hat von alt auf hochmodern. Und dann kriegt man wirklich das Gefühl, dass Köln sich verändert."

    Von solchen Eindrücken wollen die beiden Stadterkunder noch viele festhalten. Erst sind die großen deutschen Metropolen dran. Und wenn ihr Traum wahr wird, dann wird es in Zukunft auch Geheimtipps von Londonern, Parisern oder New Yorkern geben.