Marc Camille Chaimowicz ist Maler und Skulpteur, aber mehr noch ein Gedächtniskünstler. Die vergehende Zeit ist sein Thema, das Festhalten wichtiger Elemente, Momente, vielleicht auch Personen. So kam es, dass der Maler immer mehr Fotos machte und Räume bastelte, Installationen, in denen dann wieder andere, alte Bilder hingen - und Musik als historisches Zitat eingespielt wurde.
Diese Bewegung ist in der retrospektiv angelegten Ausstellung im Züricher Migros-Museum gut nachzuvollziehen. Die Schau beginnt mit ineinandergelehnten Stellwänden, Tapetenmustern, auf denen dann wieder Ölbilder verschwimmender Körper angebracht sind. Das Material dieser Bilder ist armselig, oft nicht einmal Leinwand, sondern Holz oder Pressspan - aber die wichtigsten Erinnerungen haften ja oft nicht an schicken Innenräumen, sondern an schäbigen Hotelzimmern und an dem, was darin geschah. An diesen unsäglichen Blümchentapeten zum Beispiel. In einer Ära, die den kühlen Museumsschick des White Cube favorisierte, bestand Chaimowicz auf dem Dekor - denn unsere Erinnerung ist nicht weiß, sie ist tapeziert mit solchen zum Teil kitschigen Mustern; wobei die Textur der von Chaimowicz malerisch gewebten Wand-Teppiche auf Formen von Matisse oder dem postkubistischen Braque zurückgreift.
Dann schwingt in Zürich ein Pendel, ein surreal schräggestellter, seiner Funktion beraubter Schreibtisch wird zur Skulptur mit abschüssiger Schreibplatte, eine halbrunde Möbelwand hat Lücken: das sind die Bilder; auf Fotos inszeniert sich der Künstler in Erkerzimmern als einsamer Dandy in der Tradition von Proust und Baudelaire.
Marc Camille Chaimowicz ist in der Tat ein eher scheuer Mensch, dem verkaufsorientierten Kunstbetrieb wenig kompatibel. Ein akademischer Lehrer, der Kunst unterrichtet. Nach dem Krieg in Paris geboren, früh nach London gekommen. An Deutschland, Frankreich und England gemahnen auch die Hauptwerke dieser Ausstellung: "Shoe Waste" ist eine Installation von über 300 silberfarbig besprühter Schuhe, Pumps, Turnschuhe, Hausschuhe, Winterstiefel, Sandalen, Rollschuhe - und obwohl der durch die Farbe auratisch geadelte Schuh-Müll eher locker und zufällig, als Abfallprodukt im Nichts versickerter Pop-Biographien, angeordnet ist, schwingen doch hintergründig die in den KZs getürmten Schuhberge mit.
"The Cocteau Room", eine Installation wie ein Film-Set, ist eine imaginäre Wohnkammer für das künstlerische Multitalent Jean Cocteau - und stellt die Frage: kann man ein Portrait eines Abwesenden malen, nur mit Requisiten? Chaimowicz spickt diesen Raum mit Objets trouvés, Zeitungen, Schallplatten, aber auch mit einem verkitschten Beuys-Bildnis und Cocteaus Zirkuspferdchen.
Eine Stimmung erzeugen, in der sich eine persönliche Erinnerung, vielleicht sogar eine Epoche verdichtet: das gelingt Chaimowicz am stärksten in einer Rauminstallation, die den Geist der 1970iger Jahre heraufbeschwört. Hippieske Kunstblumen, Glühlämpchen, Nippes-Figuren, Spiegel, Unterwäsche, ein Wasserball werden beleuchtet von reflektierenden Disco-Kugeln. Schallplatten-Hüllen von Marylin Monroe und Janis Joplin liegen herum, ein uraltes Exemplar des "Rolling Stone" mit John Lennon auf der Titelseite, und es werden frühe Songs von David Bowie eingespielt, auch er, wie Cocteau, so ein Mehrfachtalent und Grenzgänger. Ein intimer Raum, der die seltsame Stimmung aus drogengeschwängerter Sexualität und politischer Selbstbefreiung ziemlich genau trifft, der etwas vom Aufbruch und der Hoffnung jener Jahre vermittelt, in dem aber auch der folgende depressive Absturz schon präsent ist.
Ein Raum, der Platz lässt gerade für individuelle Reminiszenzen. Seit 1972, als Chaimowicz die Installation zum ersten Mal zeigte, lagen die Requisiten in einem Koffer unter seinem Bett; im Jahr 2000 fragten seine Schüler, die in einem Kunstmagazin alte Abbildungen gesehen hatten, nach dem Verbleib. Chaimowicz baute die Installation widerstrebend neu auf - und die Ausstellungsbesucher fragten erstaunt: hey, wer ist dieser junge Künstler, der den Geist dieser Zeit so genau trifft?
Marc Camille Chaimowicz aber ist ein alter, weiser, gereifter Künstler, der genau begriffen hat: Zeit ist nichts Lineares, sie verdichtet sich in bestimmten Situationen, Sets und Gegenständen. Deren Melancholie bewahrt Chaimowicz für uns auf.
Diese Bewegung ist in der retrospektiv angelegten Ausstellung im Züricher Migros-Museum gut nachzuvollziehen. Die Schau beginnt mit ineinandergelehnten Stellwänden, Tapetenmustern, auf denen dann wieder Ölbilder verschwimmender Körper angebracht sind. Das Material dieser Bilder ist armselig, oft nicht einmal Leinwand, sondern Holz oder Pressspan - aber die wichtigsten Erinnerungen haften ja oft nicht an schicken Innenräumen, sondern an schäbigen Hotelzimmern und an dem, was darin geschah. An diesen unsäglichen Blümchentapeten zum Beispiel. In einer Ära, die den kühlen Museumsschick des White Cube favorisierte, bestand Chaimowicz auf dem Dekor - denn unsere Erinnerung ist nicht weiß, sie ist tapeziert mit solchen zum Teil kitschigen Mustern; wobei die Textur der von Chaimowicz malerisch gewebten Wand-Teppiche auf Formen von Matisse oder dem postkubistischen Braque zurückgreift.
Dann schwingt in Zürich ein Pendel, ein surreal schräggestellter, seiner Funktion beraubter Schreibtisch wird zur Skulptur mit abschüssiger Schreibplatte, eine halbrunde Möbelwand hat Lücken: das sind die Bilder; auf Fotos inszeniert sich der Künstler in Erkerzimmern als einsamer Dandy in der Tradition von Proust und Baudelaire.
Marc Camille Chaimowicz ist in der Tat ein eher scheuer Mensch, dem verkaufsorientierten Kunstbetrieb wenig kompatibel. Ein akademischer Lehrer, der Kunst unterrichtet. Nach dem Krieg in Paris geboren, früh nach London gekommen. An Deutschland, Frankreich und England gemahnen auch die Hauptwerke dieser Ausstellung: "Shoe Waste" ist eine Installation von über 300 silberfarbig besprühter Schuhe, Pumps, Turnschuhe, Hausschuhe, Winterstiefel, Sandalen, Rollschuhe - und obwohl der durch die Farbe auratisch geadelte Schuh-Müll eher locker und zufällig, als Abfallprodukt im Nichts versickerter Pop-Biographien, angeordnet ist, schwingen doch hintergründig die in den KZs getürmten Schuhberge mit.
"The Cocteau Room", eine Installation wie ein Film-Set, ist eine imaginäre Wohnkammer für das künstlerische Multitalent Jean Cocteau - und stellt die Frage: kann man ein Portrait eines Abwesenden malen, nur mit Requisiten? Chaimowicz spickt diesen Raum mit Objets trouvés, Zeitungen, Schallplatten, aber auch mit einem verkitschten Beuys-Bildnis und Cocteaus Zirkuspferdchen.
Eine Stimmung erzeugen, in der sich eine persönliche Erinnerung, vielleicht sogar eine Epoche verdichtet: das gelingt Chaimowicz am stärksten in einer Rauminstallation, die den Geist der 1970iger Jahre heraufbeschwört. Hippieske Kunstblumen, Glühlämpchen, Nippes-Figuren, Spiegel, Unterwäsche, ein Wasserball werden beleuchtet von reflektierenden Disco-Kugeln. Schallplatten-Hüllen von Marylin Monroe und Janis Joplin liegen herum, ein uraltes Exemplar des "Rolling Stone" mit John Lennon auf der Titelseite, und es werden frühe Songs von David Bowie eingespielt, auch er, wie Cocteau, so ein Mehrfachtalent und Grenzgänger. Ein intimer Raum, der die seltsame Stimmung aus drogengeschwängerter Sexualität und politischer Selbstbefreiung ziemlich genau trifft, der etwas vom Aufbruch und der Hoffnung jener Jahre vermittelt, in dem aber auch der folgende depressive Absturz schon präsent ist.
Ein Raum, der Platz lässt gerade für individuelle Reminiszenzen. Seit 1972, als Chaimowicz die Installation zum ersten Mal zeigte, lagen die Requisiten in einem Koffer unter seinem Bett; im Jahr 2000 fragten seine Schüler, die in einem Kunstmagazin alte Abbildungen gesehen hatten, nach dem Verbleib. Chaimowicz baute die Installation widerstrebend neu auf - und die Ausstellungsbesucher fragten erstaunt: hey, wer ist dieser junge Künstler, der den Geist dieser Zeit so genau trifft?
Marc Camille Chaimowicz aber ist ein alter, weiser, gereifter Künstler, der genau begriffen hat: Zeit ist nichts Lineares, sie verdichtet sich in bestimmten Situationen, Sets und Gegenständen. Deren Melancholie bewahrt Chaimowicz für uns auf.