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Institut für Heterogene Gesellschaften?

Das renommierte Max-Planck Institut für Geschichte in Göttingen soll mit neuer Ausrichtung und unter neuem Namen weitergeführt werden. Mit dem Thema "Soziale Integration in kulturell heterogenen Gesellschaften" kommt dabei ein neues Forschungsfeld ins Blickfeld, das bereits seit längerem in den zuständigen Gremien der Max-Planck-Gesellschaft diskutiert wurde. Doch bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern vor Ort findet man wenig Verständnis für die Entscheidung.

Von Michael Engel |
    Die Bedingungen könnten kaum besser sein, urteilt Salina Braun, die seit anderthalb Jahren im Göttinger Max-Planck Institut für Geschichte an ihrer Dissertation arbeitet:

    ".... und wir kriegen hier auch alle Forschungsmöglichkeiten. Archivreisen, Reisen zu Tagungen, es wird alles unterstützt. Und wir haben auch interdisziplinäre Kolloquien, Oberseminare. Also wir haben wirklich ganz gute Arbeitsbedingungen. Und auch der Austausch untereinander ist super. "

    Begeistert ist auch Manuel Richter. Besonders von der 150.000 Bände umfassenden Spezialbibliothek.

    " Also wir haben hier in Göttingen im Max-Planck-Institut die am besten ausgestattete Bibliothek. Zu vielen Bereichen konnte ich auch Bücher bestellen, im großen Umfang, da hatte ich auch finanzielle Mittel. Das wird vielen Doktoranden an den Universitäten nicht möglich sein in der Form. "

    ..... von den 19 Doktoranden des Instituts kommen zur Zeit neun aus dem Ausland - Russland, Ungarn, Armenien, Australien - und es gibt so genannte "Missionen" historischer Vereinigungen, so u.a. die "Mission Historique Francaise en Allemagne" und die "Polnische Historische Mission".

    " Diese Wissenschaftler haben eine enorme Brückenfunktion zwischen der Wissenschaft ihres Landes und der deutschen geschichtswissenschaftlichen Forschung. Und gleichzeitig vermitteln sie auch geschichtswissenschaftliche Forschungsergebnisse in ihre Länder. Also Ergebnisse, die in Deutschland entstanden sind. "

    Was mit den Missionen passiert, wenn das Institut für Geschichte dicht macht, das alles steht noch in den Sternen, bedauert Prof. Manfred Jakubowski-Tiessen, der Pressesprecher des Instituts. Sein Kollege, Dr. Hans Erich Bödeker, der seit 25 Jahren die mittelalterliche Geschichte erforscht, spricht unverblümt von einer "intellektuellen Bankrotterklärung" der Max-Planck Gesellschaft, und davon, dass auch die ausländischen Historiker wenig Verständnis zeigen:

    " Die ausländischen Kollegen haben kein Verständnis dafür, dass eine der zentralen Institutionen der deutschen Geschichtswissenschaft geschlossen wird. Sie haben zwar Verständnis dafür, dass es formale Gründe gibt, dies zu beschließen, aber sie haben kein Verständnis dafür, dass die Max-Planck Gesellschaft nicht den langen Atem gehabt hat, diese Institution, die international zu Vernetzungen zwischen den Forschungen in unterschiedlichen Ländern geführt hat, dass diese Institution aufgegeben wird. "

    Sozial gesehen sind die meisten Mitarbeiter des Instituts gut abgefedert: da das Gebäude in Göttingen erhalten bleibt, können alle Angestellten unter dem Dach des neuen Instituts weiter beschäftigt werden, was auch für das Gros der wissenschaftlichen Mitarbeiter gilt - nur zwei haben befristete Verträge und müssen wohl ausscheiden. Die 19 Doktoranden bleiben ebenfalls ist Haus, bis die begonnenen Dissertationen abgeschlossen sind. Prof. Jürgen Basedow - Direktor des Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg - ist zur Zeit kommissarischer Leiter in Göttingen.

    " Nach der gegenwärtigen Planung, die aber überhaupt noch nicht abgeschlossen ist, soll das künftige Institut zwei, besser noch drei Abteilungen haben. Eine Abteilung im sozialwissenschaftlichen Bereich. Eine Abteilung im historischen Bereich. Und eventuell eine dritte Abteilung im normativen Bereich - also rechtswissenschaftlich oder politikwissenschaftlich. "

    Eine "Stammkommission" der Max-Planck Gesellschaft soll die inhaltliche Ausrichtung des neuen Instituts bis Ende des Jahres bestimmen. Ob die Geschichte dann noch einen gebührenden Platz in der Erforschung heterogener Gesellschaften erhält, ist völlig offen. Denn auch die Religionswissenschaft soll ein neues Standbein künftiger Institutsforschung werden. Ungeklärt ist auch die Frage, ob ein Institutsleiter berufen werden kann, der die Heterogenität der neuen Herausforderungen meistert.

    " Da sprechen Sie ein schwierige Frage an, denn natürlich ist so ein interdisziplinäres Institut wie es jetzt den Gremien der Max-Planck Gesellschaft vorschwebt, kein Selbstgänger. Das wissen wir aus vielen Zusammenhängen. Es wird nicht ganz leicht sein, Personen zu finden, die Anschlussfähig sind, wie man so sagt, gegenüber den anderen Disziplinen. Ein Historiker, der gegenüber den Soziologen und gegenüber Juristen und Politikwissenschaftlern anschlussfähig ist und auch umgekehrt. "

    .... dass ein neuer Direktor schon zum 1. Januar 2007 bereit stehen könnte, hält Basedow für ausgeschlossen. So etwas dauert zwei Jahre, und die Position sei noch nicht einmal ausgeschrieben. Salina Braun - die Doktorandin - wird dann nicht mehr am Institut sein.

    "... aber es ist einfach schade für die nachfolgenden Generationen, weil: Also das war jetzt eine einmalige Möglichkeit für mich, überhaupt in der Geschichte so weitermachen zu können, und das ist natürlich schade, dass dann anderen Leuten so etwas verwehrt wird. "