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Institut für vergleichende Irrelevanz steht vor dem Aus

Seit neun Jahren besetzten Studenten ein Haus der Frankfurter Goethe-Universität und gründeten mit dem Institut für vergleichende Irrelevanz eine selbstverwaltete "Gegenuni. Nach dem Verkauf des Gebäudes für rund eine Million Euro an einen privaten Investor, droht dem Institut nun das Aus.

Von Ludger Fittkau | 17.07.2012
    "Sie sind einmal an dem Morgen angerückt, mit einem Trupp von Bauarbeitern und konnten ins Haus kommen und haben dann hier Strom und Wasser abgestellt und haben dann die Originaltür von dem Kramerbau einfach ausgebaut und entwendet. Und seitdem haben wir, weil wir ein Haus nicht nutzen können, das keine Tür hat, haben wir eben notdürftig wieder eine Tür eingebaut, die wir dann ein bisschen verriegelt haben, damit nicht noch einmal rein marschieren können, was uns eben auch schon angedroht worden ist beim ersten Mal."

    Christian Temm ist Mitarbeiter des Frankfurter "Instituts für vergleichende Irrelevanz". Marx-Lektürekurse, Filmabende, Kunstperformances und Partys – seit neun Jahren ist das von Insidern liebevoll nur "IvI" genannte funktionalistische Gebäude des Frankfurter Unibaudirektors Ferdinand Kramer ein angesagter Kulturort am Rande des Unicampus Bockenheim. Christian Temm und Mitaktivist Oliver Sonnenschein bitten zum Gespräch in die Bibliothek des Hauses:

    "Das Institut für vergleichende Irrelevanz wurde im Dezember 2003 von Studierenden in Besitz genommen, nachdem das Gebäude zwei Jahre leer stand von der Uni, haben die Leute gesagt: Das sehen wir nicht ein. Kritisches Denken braucht Zeit und Raum, das ist das Motto der Anfangstage gewesen und das ist es eigentlich heute auch noch."

    Die Lage des Gebäudes ist prominent: Wer vom Eingang des altehrwürdigen Frankfurter Senckenberg-Naturkundemuseums über die Straße schaut, kann es kaum übersehen: Der Name "Institut für vergleichende Irrelevanz" ist mit gut einem Meter großen schwarzen Druckbuchstaben auf ein rund 15 Meter langes weißes Banner geschrieben, das am Balkon der dritten Etage des gegenüberlegenden Gebäudes angebracht ist. Ein Stockwerk tiefer hängt ein handgeschriebenes Transparent mit einem roten Stern mit dem Motto: "Kritisches Denken braucht und nimmt sich Zeit und Raum". Seit einigen Wochen hängen drum herum weitere Transparente an den schmucklosen gelblichen Kacheln des Gebäudes aus den 60er-Jahren: "IvI bleibt" ist darauf zu lesen. Dass die Uni das Gebäude für rund eine Millionen Euro an einen privaten Investor verkauft hat ohne den Aktivisten des alternativen Zentrums eine Alternative zu bieten, stößt auch beim AStA auf Kritik. Daniele Lichére, AStA-Referentin für Hochschulpolitik:

    "Es ist eindeutig, dass die Verantwortung jetzt bei der Uni liegt. Die Universität hat fast zehn Jahre das IvI geduldet und hat damit zumindest einen Freiraum für kritische Theorie und für studentisches Leben ermöglicht. Diesen Freiraum hat sie jetzt für eine verhältnismäßig geringe Summe verkauft und in nicht nachvollziehbarer Weise ihre Verantwortung abgetreten. Das kann es nicht sein. Nicht nur wir als AStA sehen die Uni in der Verantwortung, nicht nur die Studierenden, nicht nur das Institut für vergleichende Irrelevanz, sondern selbst der Stadtrat sieht die Universitätsleitung in der Verantwortung."

    So wird sich die Frankfurter Unileitung kaum der Teilnahme an einem "Runden Tisch" zum Thema verschließen können, die der neue SPD-Oberbürgermeister der Stadt dem Vernehmen nach nun plant. Die Grünen im Römer, dem Frankfurter Rathaus unterstützen den Vermittlungsplan des OB, die CDU hingegen ist skeptisch und zeigt Verständnis für die Räumungsklage des neuen Eigentümers. Dr. Christoph Schmidt, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion:

    "Für einen Erwerber ist das natürlich nun ein Problem, dass das Haus besetzt ist und der möchte natürlich von seinem Eigentumsrecht Gebrauch machen können. Deswegen hat er nach meiner Beobachtung das IvI auch mehrfach aufgefordert, das Haus zu verlassen. Und insbesondere, was wohl auch vorgekommen ist, kein Wasser und Strom mehr widerrechtlich aus dem Versorgungsnetz zu entnehmen. Dafür haften gegebenenfalls ja die Eigentümer mit. Nichtsdestotrotz sind die Aktivisten immer noch in diesem Haus und ich denke, auch eine weltoffene Stadt wie Frankfurt, die für sich in Anspruch nimmt, liberal zu sein, kommt da irgendwann an ihre Grenzen. Wir können einen Rechtsbruch nicht auf Dauer akzeptieren, denn das würde andere Kreise ermuntern zu weiteren Rechtsbrüchen."

    Auch prominente Uniprofessoren wie Axel Honneth oder Micha Brumlik, die den Aufruf zur Unterstützung des "Ivi" unterzeichnet haben, sehen nun vor allem die Uni in der Pflicht. Sie müsse dem alternativen Zentrum Ersatzräume anbieten. Die Aktivisten des "IvI" hängen jedoch am Gebäude des Unibaumeisters Ferdinand Kramer, den die Nazis 1938 in die Emigration gezwungen hatten. Oliver Sonnenschein:

    "Wir haben das Gebäude 2003 mit der Übernahme der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht und wir finden auch, dass das ein Gebäude ist, das für die Öffentlichkeit gebaut wurde und das der Öffentlichkeit erhalten werden muss."