Dienstag, 16. April 2024

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Instrumentenbauer aus Bremen
Deutsche Banjos gehen um die Welt

Der Instrumentenbau hat in Deutschland einen schweren Stand, die Fertigung im großen Maßstab ist vielfach nach Asien abgewandert. Hierzulande kämpft sich das Handwerk in kleinen, exquisiten Werkstätten durch. Norbert Pietsch ist ein Instrumentenbauer, der sich auf die Herstellung von Banjos verlegt hat.

Von Simon Schomäcker | 21.08.2015
    Ein Mann spielt auf einem Banjo.
    1990 machte der heute 57-jährige Norbert Pietsch dieses besondere Handwerk zu seinem Beruf. Die Begeisterung für das Banjo und seinen Klang entstand bei Pietsch aber schon viel früher, Anfang der 1970er-Jahre. (imago / Hoch Zwei / Angerer)
    Banjos sind vor allem im Dixieland-Jazz und in der Bluegrass-Musik beliebt. Ursprünglich westafrikanischer Herkunft, werden die Saiteninstrumente mit dem fellbespannten Resonanzkörper bis heute überwiegend in den USA gebaut.
    Allerdings gibt es auch in Deutschland einen Instrumentenbauer, der sich seit 25 Jahren ausschließlich den Banjos widmet. Norbert Pietsch heißt er. Und Simon Schomäcker hat ihn in seiner Bremer Werkstatt besucht.
    Zwei Kellerräume in der Östlichen Bremer Vorstadt – zusammen gut 35 Quadratmeter groß. Vor den Fenstern auf Höhe des Bürgersteigs gehen Fußgänger vorbei. Kaum einer von ihnen achtet auf die große hölzerne Werkbank direkt unter dem Fenster, geschweige denn auf die vielen Feinmechaniker-Werkzeuge, Fräs- und Bohrmaschinen im Raum. All diese Gegenstände gehören zur Werkstatt von Norbert Pietsch. Als einziger Instrumentenbauer in Deutschland fertigt er ausschließlich Banjos und erklärt:
    "Die Schwingung der Saite, die geht durch den Steg. Übers Fell wird es verteilt und verstärkt. Über die Auflageflächen bringt es den Tonring in Schwingung und geht über in die Kesselteile. Und die Frequenzen gehen auch quer durch den Hals durch. Also wenn ich vorne in der ersten Position greife, spüre ich schon, ob das Banjo einen guten Bass hat, ob es eine gute Resonanz hat."
    Wissen aus den USA
    1990 machte der heute 57-jährige Norbert Pietsch dieses besondere Handwerk zu seinem Beruf. Die Begeisterung für das Banjo und seinen Klang entstand bei Pietsch aber schon viel früher, Anfang der 1970er Jahre. Da war er gerade 14:
    "Ich bin in der Zeit in Hamburg groß geworden, mit der großen Hamburger Szene, wo es ganz viele Folk-Klubs gab mit Leuten, die auch Banjo gespielt haben. Und da habe ich in der Zeit schon einen Menschen kennengelernt, er war wohl der Erste in Deutschland, der mit Wissen aus den USA angefangen hat, Banjos zu reparieren und auch zu bauen. Er hat mir sehr viel gezeigt."
    Ende der 1970er Jahre kam Norbert Pietsch aufgrund seines Zivildienstes nach Bremen, dann studierte er hier auf Lehramt. Nebenbei baute er hobbymäßig weiter Banjos. Eine schwere Erkrankung führte dazu, dass Pietsch den Lehrerberuf nicht ausüben konnte. So beschloss er, sich komplett dem Instrumentenbau zuzuwenden und begann eine Ausbildung bei einem Bremer Gitarrenbaumeister. Seine Kenntnisse im Bau von Banjos konnte Pietsch perfektionieren, als er sich längere Zeit in Kalifornien aufhielt, berichtet er:
    "Da habe ich natürlich versucht, alles, was mit Banjo zu tun hat, zu lernen. Ich hatte das Glück, jemanden zu kennen, der eine kleine Werkstatt hatte und er hat mir auch Dinge gezeigt. Ich war mit Profi-Bluegrass-Spielern unterwegs und habe sehr viel Zeit darauf verwenden dürfen, mir deren Instrumente anzugucken."
    Feine Detailarbeiten
    Neben dem Standardrepertoire an Werkzeug gibt es in Pietschs Werkstatt auch einige Arbeitshilfen, die der Banjo-Bauer im Laufe der Jahre selbst anfertigte. Er zeigt ein Beispiel:
    "Das ist ein umgebauter Büro-Stuhl mit einer großen Spannzange oben dran, wo ich meine langen Banjo-Hälse so einspannen kann, dass ich beim Gravieren das zu gravierende Stück immer im Drehpunkt habe. Das sind teilweise so feine Arbeiten, dass ich das mit der Lupenbrille machen muss. Also was ich hier gerade graviere ist ein Hals mit Perlmutt-Inlays. Da muss man sehr fein gravieren und aufpassen, dass man nicht ausrutscht."
    Von der Konzeption eines Instrumentes bis hin zu den feinen Detailarbeiten: Norbert Pietsch führt alle Arbeitsschritte selbst durch – außer den Guss des Tonringes aus Bronze oder Messing, der das Fell auf dem Kessel hält. Neben der Materialwahl bei den Einzelteilen wirkt sich ein nach hinten offener oder geschlossener Kessel sehr entscheidend auf den Klang eines Banjos aus, erklärt Pietsch:
    "Beim geschlossenen Korpus würde ich den Resonator hinten als Reflektor bezeichnen. Der sorgt dafür, dass der Sound im Kessel nach vorne projiziert wird. Es gibt zum Beispiel Jazzbanjo-Spieler, die hinter einer Frontlinie von fünf Bläsern sitzen, um Rhythmus zu machen. Die brauchen also ein Banjo, was sehr viel Druck nach vorne macht. Und dann gibt es eben Banjos, die mehr über die gesamte Breite erklingen. Die haben zwar nicht so viel Druck, haben aber einen sehr schönen, glockigen Sound, der alle gleichzeitig erreicht."
    Nur Einzelstücke auf Bestellung
    Fertige Banjos sucht man in der Werkstatt von Norbert Pietsch vergebens:
    "Ich baue nur Einzelstücke auf Bestellung. Die sind teilweise mit sehr aufwendigen Designs versehen. Ich habe einfache Banjos, die dauern vier bis sechs Wochen. Und ich habe sehr hochwertige, sehr langwierige Projekte am Laufen, die können bis zu zwei, drei Jahre dauern."
    Damit schwankt die jährliche Produktionszahl stark. Einfache Instrumente sind bei Norbert Pietsch ab 2.000 Euro erhältlich. Dass aufwendigere Projekte mit 16.000 Euro oder mehr den Preis eines Neuwagens haben können, verwundert nicht. Schließlich:
    "Ich habe Kunden, die Spieler und Sammler sind. Die möchten zum Beispiel Banjos haben, die themenbezogen sind. Wie etwa Art Deco, Jugendstil, italienische Renaissance oder chinesische Mythologie. Es bedarf großer Recherche, um das alles treffsicher hinzukriegen. Und bis das dann gebaut ist, geht einige Zeit ins Land."
    Eine Sache, bei der Norbert Pietsch niemals variiert, ist die Saitenzahl seiner Instrumente. Er baut nur die klassische Variante mit vier oder fünf Saiten:
    "Zum Beispiel beim Gitarrenbanjo tragen die tiefen Saiten nicht, da das Banjo in sehr kurzen und sehr hoch gestimmten Tönen klingt. Ich bin der Meinung, man sollte nicht alles durcheinandermixen."
    Den Kontakt zu seinen Kunden bekommt Norbert Pietsch mittlerweile fast ausschließlich über die Neuen Medien wie etwa Facebook oder Demo-Videos auf Youtube. Dementsprechend ist seine Kundschaft über die ganze Welt verstreut, berichtet Pietsch:
    "Seit einigen Jahren ist Japan dazugekommen, sonst Australien, Frankreich, England, USA natürlich. Schweden, Holland, alles, was hier so drum herum ist."