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Integration im Tonstudio
Popmusik mit Flüchtlingen

Zwischen Fühlinger See und den Ford-Werken findet sich eines der letzten großen Musikstudios von Köln: das Parkhaus Studio. Um nicht auch ein Opfer der Krise in der Musikindustrie zu werden, haben die Betreiber einen Ausweg gesucht - und ihn bei der Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten gefunden.

Von Ina Plodroch | 19.05.2015
    Ein digitales Studiomischpult.
    Ein digitales Studiomischpult. (picture-alliance/ dpa / Maximilian Schönherr)
    Regie-Raum 2 des Parkhaus Studios im Industriegebiet des Kölner Nordens: Knöpfe, Regler, Kabel, Boxen und Bildschirme.
    "Hinten spielt er das Schlagzeug so. Das sollte man vielleicht umdrehen, sodass es in dem Format ist, wie es sonst auch ist."
    Albert Gabriel gehört zu den zwölf Musikern, Produzenten, Toningenieuren und Praktikanten des Studios. Sie produzieren Newcomer wie "Steal a Taxi" aus Bonn, große Popmusiker wie Stefanie Heinzmann oder schreiben auch mal Songs mit Johannes Oerding, und basteln an den eigenen Hip-Hop-Tracks.
    "Dann kriegten wir von heute auf morgen eine Kündigung, dass wir hier raus müssten."
    Als das Aus drohte
    Martin Jungck, einer der zwei Geschäftsführer. Aus der Zeitung hatten sie erfahren, dass in dem alten Backsteingebäude ein Flüchtlingsheim entstehen soll. Deshalb sollte das Parkhaus Studio ausziehen. Dem Studio drohte das Aus.
    "Es steckt ja viel Geld und Zeit in so einem Studio, wenn man das richtig akustisch ausbaut. Das, was hier eingebaut ist: Man kann vielleicht das eine oder das andere ein bisschen mitnehmen, aber das meiste davon nicht. Das wäre unglaublich viel Geld in den Sand gesetzt gewesen. Ich weiß nicht, ob wir das Studio hätten weiterführen können."
    Um ihren Standort zu behalten, überzeugten sie die Stadt von einer Doppelnutzung: Tonstudio und Flüchtlingsheim in einem Gebäude. Dank ihres ziemlich ambitionierten Integrationskonzepts, durften sie bleiben. Auf fast 20 Seiten schlugen sie vor: Integrationscafé, Gemeinschaftsgarten, Computer sammeln. Liest sich gut. Aber die Realität ist anders, als sich Jungck und seine Kollegen vorher am Schreibtisch überlegt hatten. Bisher etablierten sich drei Workshops in der Woche. Schlagzeug, Gitarre und Rap. Die geben sie umsonst und zahlen dafür weniger Miete als von der Stadt ursprünglich gefordert.
    "Ich gucke jetzt mal auf die Uhr, wenn wir kurz nach vier haben, dann gehen wir mal nach oben."
    Montags um 16 Uhr unterbricht Martin Jungck seine Arbeit für eine Stunde. Und wartet diesmal um kurz nach vier noch immer auf die Jungs - mal kommen nur zwei, manchmal sogar acht.
    "Das ist nicht immer ganz so einfach. Kann auch sein, dass sie dann zwei Stunden später kommen. Aber das muss man dann halt gucken, dass man denen das abgewöhnt."
    Martin Jungck verlässt das Erdgeschoss des Gebäudes und geht auf die andere Seite, den Eingang des Flüchtlingsheims. Ein paar der knapp 110 Flüchtlingsfamilien aus den Balkan-Staaten, Syrien oder Nordafrika hat der Geschäftsführer und Rapper im letzten halben Jahr ganz gut kennengelernt. Er weiß: Ihr Status ist so unterschiedlich wie ihre Herkunft. Viele Syrer haben eine Aufenthaltsgenehmigung und dürfen arbeiten. Andere Familien befinden sich noch im Asylverfahren, manche werden nur geduldet und dürfen deshalb erst einmal nicht arbeiten. Und warten darauf, bleiben zu können, eine Wohnung zu bekommen und arbeiten zu dürfen. Einer der Flüchtlinge, die zum Rappen kommen, ist Riamondo.
    "Wo ist denn dein Bruder? Riamondo. Was ist los? Wo bist du? Ja vier Uhr haben wir. Ach. Gehen wir? Hol mal die anderen."
    Rap für Menschen, die aus ihren Heimatländern geflohen sind. Wären nicht Sprachkurse dringender notwendig? Vielleicht, aber Hip-Hop wirkt eben anziehender als trockene Theorie.
    Reime im Heim
    "So. Über was wollt ihr schreiben? Ich bin Erjan. Können wir auch machen."
    Birson, Erjan und Valerio unterhalten sich auf Serbokroatisch. Die Jungs sind zwischen 14 und 16. Obwohl sie kaum deutsch sprechen, versucht Martin, dass sie gemeinsam Reime für den Rap finden. Seit Riamondo im Flüchtlingsheim an der Neusser Landstraße lebt, läuft er ständig mit Schlagzeug-Sticks in der Hand rum oder übt die letzten Reime des Raps.
    "Echt gut, mit Martin."
    Der Elfjährige lebt mit seinen zwei Geschwistern und Eltern im zweiten Stock. Sie haben zwei Räumen für sich. Vor eineinhalb Jahren flohen sie aus Mazedonien, lebten mal kurz in Belgien und jetzt in Deutschland. Riamondo wünscht sich, hier bleiben zu können. Für ihn sind die Kurse eine kleine Beschäftigung außerhalb des Alltagstrotts im Industriegebiet:
    "Ich spiele Fußball und ich komme aus der Schule. Ich gehe nach Hause, ich esse und dann ich gehe raus und spiele mit meinem Freund. Und wenn Dienstag ist, gehe ich zum Schlagzeug und ich rappe."
    Durch das Parkhaus Studio hat er Kontakt zu Deutschen. Die sind in ihr Engagement zwar eher reingerutscht. Trotzdem wirkt das nachbarschaftliche Zusammenleben nach einem halben Jahr ziemlich gut - nicht aufgesetzt oder durch kurzfristigen Idealismus getrieben. Gut, dass das Parkhaus Studio weiterhin Popmusik am Rande Kölns produzieren kann. Manchmal auch mit den neuen Nachbarn.
    "Das ist gut, du hast dir das gemerkt und ihr macht das jetzt zuhause zusammen. Tschüß Martin."